Heiligenkalender
6. März
Heiliger Fridolin Apostel in Schwaben und im Elsass
(Tugend)
Ungefähr fünfhundert Jahre nach Christi Geburt lebte Fridolin in Irland; er war von einem reichen adeligen Geschlecht, und wurde früh in den Wissenschaften gründlich unterrichtet. Gottes Gnade aber weckte in ihm das Verlangen, alle weltliche Gerechtigkeit aufzugeben und sich im geistlichen Stand der Verbreitung des Reiches Gottes zu widmen. Er zog in den verschiedenen Teilen seines Vaterlandes umher und predigte das Wort Gottes, um allenthalben das Christentum, welches damals schon in Irland gegründet war, bei Vornehm und Gering zu beleben, zu bestärken und zu erweitern. Sein Eifer und seine Kraft im Predigtamt, sein heiliger Wandel und seine vornehme Abstammung bewirkten, daß er überall mit vieler Liebe und Achtung aufgenommen wurde. Dieses machte aber den hl. Fridolin besorgt, es möchte Eitelkeit und Ehrgeiz in seinem Herzen erwachen; zudem wollte er mit den fünf Talenten, die ihm Gott an Begabung und Gnaden verliehen hatte, nicht nur eines oder zwei gewinnen, sondern fünf dazu, d. h. er wollte noch Größeres unternehmen für Gottes Sache. Fridolin faßte daher den Entschluss, auch in fremden Ländern, namentlich im Heidenland, das Christenland zu verbreiten. Er verteilte sein ganzes Vermögen unter die Armen, und verließ Verwandte, Freunde und Vaterland, obschon man ihm von allen Seiten mit den dringendsten Bitten zusetzte, er möge doch bleiben.
Ich will übergehen, was die Legende umständlich erzählt von der Fahrt des hl. Fridolin über das Meer, wie er zuerst nach Frankreich kam und daselbst auch zu Fuß umher zog und allenthalben das Wort Gottes predigte, wie der Bischof in Poitiers Hochachtung und große Liebe für ihn zeigte, und ihn zum Abt eines Klosters ernannte, wie er mit dem Bischof zum König Chlodwig ging, damit dieser behilflich sei zum Bau einer Kirche des hl. Hilarius, wie alle seine Unternehmungen hier glückten.
Nachdem der hl. Fridolin eine geraume Zeit in Poitiers als Abt dem Kloster und Münster des hl. Hilarius vorgestanden, erschien ihm dieser Heilige im Traum und forderte ihn auf, Andern die Leitung des Klosters zu überlassen und nach Alemannien (Schwabenland) zu wandern; dort sei eine Insel im Rhein, von wo er für den übrigen Teil seines Lebens das Reich Gottes befördern müsse.
Zum großen Leidwesen des Bischofs, der Mönche und des ganzen Volkes in Poitiers entschloss sich Fridolin, seinen bisherigen Aufenthalt zu verlassen und in fremdes Land zu reisen, wie ihm aufgetragen war. Da Fridolin vor der Hand nicht wußte, ob die Insel am obern oder untern Rhein gelegen sei, so wanderte er zuerst an den Moselfluss, welcher bei Koblenz in den Rhein sich ergießt. An der Mosel hielt er sich so lange auf, bis er es dahin gebracht hatte, daß ein Kloster und eine Kirche zur Ehre des Hilarius erbaut wurde. Dann zog er nach Waslen im Elsass und nach Straßburg, an welchen beiden Orten gleichfalls wieder durch Bemühung des hl. Fridolin Kirchen zu Ehren des hl. Hilarius gebaut wurden. Nach langem mühseligem Umherwandern in der Schweiz und nach vielem Fragen und Suchen, um die Insel zu finden, welche ihm durch den Traum angewiesen war, kam er in die Gegend, wo jetzt Säckingen liegt. Er erkannte, daß dieses die Insel sei, wo er sein übriges Leben zubringen sollte. Sie war eine wilde Einöde, und wurde nur als Weideplatz von den Leuten, die am Rhein wohnten, benützt. Fridolin ging nun auf der Insel umher und suchte einen Platz, wo man am schicklichsten eine Kirche bauen könnte. Als dieses die Bewohner der Umgegend bemerkten, faßten sie Argwohn, der Fremde sei ein Landstreicher und Dieb, der ihnen Vieh stehlen wolle. Sie hörten nicht auf seine Entschuldigung, sondern mißhandelten ihn mit Schlägen und jagten ihn fort.
Fridolin ließ sich dadurch nicht abschrecken, er kehrte wieder auf die Insel zurück, wurde aber jedesmal mit gleicher Feindseligkeit fortgetrieben. Da er aber überzeugt war, daß es seine Bestimmung sei, auf dieser Insel sich nieder zu lassen, so blieb ihm nun kein anderes Mittel übrig, als daß er sich an den König Chlodwig wendete, dessen Herrschaft sich damals auch über die Gegend von Säckingen erstreckte. Der König, welcher viele Ehrfurcht und Liebe für den hl. Fridolin hatte, schenkte ihm die Insel und ließ ihm eine Urkunde aufsetzen, wonach Todesstrafe Jedem angedroht wurde, der Fridolin im Besitz der Insel stören würde. Fridolin kehrte daher mit den Jüngern, welche sich ihm angeschlossen hatten, zur Insel zurück.
Die Insel war aber noch ganz wild und unbewohnbar; daher kehrte Fridolin mit seinen Gefährten bei einem wohlhabenden Mann, Namens Wacher, in der Nähe der Insel ein. Das Weib desselben fuhr den hl. Fridolin mit bösen Reden an, er sehe doch, daß sie wenig Platz im Haus hätten, und wie er bei dieser teuren Zeit Andern noch überlästig sein möge. Während Fridolin gelassen diese Zankrede anhörte, kam der Hausherr selbst herbei. Er brachte sein Weib zum Schweigen und nahm den hl. Fridolin liebreich auf, weil er wohl sah, daß der Fridolin ein sehr heiliger Mann sei. Da ganz kurz darauf ein Mädchen in der Familie geboren wurde, so bat Wacher seinen Gast, er möge Taufpate sein. Die Frau aber wurde dadurch noch erbitterter, daß ihr Mann einen fremden armen Menschen zum Taufpaten ihrer Tochter nehme. Allein je mehr sie den Fridolin kennen lernte, desto mehr verwandelte sich ihr Widerwille in Hochachtung und Vertrauen, so daß sie zuletzt selbst ihn bat, er möge ihre Tochter unterrichten und erziehen. Diese Tochter wurde dann auch die erste, welche in das Frauenkloster eintrat, das Fridolin später auf der Insel errichtete; und ihre Eltern gaben einen großen Teil ihres Vermögens dazu her, um den heiligen Mann in seinen Unternehmungen zu unterstützen.
Fridolin unternahm eine doppelte mühevolle Arbeit. Er reutete die Waldung und das Dorngestrüpp der Insel aus, um sie bewohnbar zu machen, und suchte das Wort Gottes in der Umgegend zu verbreiten. Unterdessen starb aber der König, und diejenigen, welche schon früher den hl. Fridolin vertrieben hatten, machten auf`s Neue Unruhe und wollten ihm die Insel wieder nehmen. Damit die Sache mehr den Anschein des Rechtes bekäme, so bestellten die Widersacher des hl. Fridolin Schiedsrichter, welche die Sache entscheiden sollten; da aber die Richter ihre eigenen Landsleute waren, so hatte Fridolin wenig Gerechtigkeit von ihnen zu erwarten.
Fridolin war über diese neue Störung seines Vorhabens sehr betrübt, und betete deshalb mit großer Inbrunst Tag und Nacht, daß ihm doch Gott in diesem Bedrängnis helfen möge. Nun aber war die Lage der Insel von der Art, daß der Rheinstrom fast ganz auf der rechten Seite herabfloss, auf der linken Seite (gegen die Schweiz) aber, wenn nicht vom geschmolzenen Schnee das Wasser sehr angelaufen war, konnte man ganz leicht zu Fuß durchwaten.
Da nun die Schiedsrichter an der Insel zusammen kommen sollten, um ihren Entscheid zu sprechen, ging der hl. Fridolin den Abend vorher mit seinen Gefährten in den Wald, fällte einige Tannen, senkte sie in den Rhein auf der Seite, wo der Strom am stärksten war, und bat Gott die ganze nacht hindurch ein Zeichen zu tun, damit seine Feinde zur Erkenntnis kämen und andern Sinnes würden. Den andern Morgen hatte sich der Lauf des Stromes gänzlich geändert, nämlich er hatte sich auf die Schweizer Seite gewendet, und die rechte Seite der Insel wurde vom Wasser frei. Da nun die Schiedsrichter und das Volk dieses Wunder sahen, erkannten sie, daß Fridolin von Gott gesandt sein müsse, baten ihn um Verzeihung und behandelten ihn von nun an mit aller Ehrerbietung.
Da nun diese Hindernisse überwunden waren, baute Fridolin eine Kirche und errichtete ein Stift, in welches solche Personen eintraten, welche ein gottseliges Leben führen und für Ausbreitung der Religion wirken wollten. Fridolin war gleichsam das Herz und die Seele dieser Genossenschaft; er suchte durch Wort und Beispiel und Zucht in Allen, welche zum Kloster gehörten, den Geist der Frömmigkeit und Tugend immer mehr anzufachen, und sie dann selbst wieder zur Verbreitung des Christentums auszusenden. Und weil so viele Erbauung im Kloster und in der Kirche des hl. Fridolin zu finden war, wallfahrtete nicht nur viel Volk dahin, sondern es ließen sich manche auch häuslich dabei nieder; und so entstand allmählich der Ort Säckingen, welcher jetzt noch steht, und wo vorzugsweise der hl. Fridolin verehrt wird. Das Kloster, welche der hl. Fridolin hier stiftete, ist das erste, von welchem man im Schwabenland weiß. Es wurde gleichsam eine Pflanzschule, von wo aus das Christentum über den Schwarzwald und über andere Teile von Baden und Württemberg sich verbreitete, indem die Mönche vom Kloster auch als Prediger und Seelsorger weithin sich verbreiteten und das Christentum gründeten und beförderten.
Fridolin hat Großes und Unvergängliches gestiftet; weite Gegenden und zahllose Menschen haben es ihm zu verdanken, daß sie das höchste Gut auf Erden, den Schatz im Acker, das Christentum gefunden haben. Und heute noch, also nach 1300 Jahren, wird er vom Volk des badischen Oberlandes geliebt und verehrt. Du siehst aber aus dem, was ich vom Leben des hl. Fridolin erzählt habe, daß er Solches nur zu Stande gebracht hat durch viele Opfer, Widerwärtigkeit, Arbeit und Ausdauer. So verhält es sich aber an allen Orten und zu allen Zeiten, daß man nur durch Opfer, Anstrengung und Ausdauer etwas Rechtes zu Stande bringe kann. Selbst in weltlichen und sichtbaren Dingen gilt dieses. Schau einmal eine prachtvolle Domkirche an, und überlege, wie viel Nachdenken, Fleiß, Kosten und Anstrengung es gebraucht hat, bis ein solches Gebäude hergestellt war. Sei es auch, daß es deine Bestimmung nicht ist als Missionar oder sonst in einer wichtigen Stellung Großes in der Welt zu wirken, so ist das auch etwas Großes deine Seele zu heiligen und die ewige Seligkeit zu erlangen. Dieses kommt aber keineswegs von selbst, sondern kann nur durch Mühe und Opfer und Ausdauer errungen werden. Darum heißt man auch die angestrengte Arbeit, seine Seele zu vervollkommnen, Tugend; man muss etwas taugen, wenn man ein hohes Ziel erreichen will. Deine Seele ist gleichsam auch eine wilde Insel, der Wald und das Dorngestrüpp der weltlichen Gelüste und Gewohnheiten müssen ausgereutet werden; du findest bei diesem Geschäft auch manchen Widerstand von deinen bösen Begierden, von bösen Menschen und von Versuchungen des Teufels; und es soll auch eine Kirche gebaut werden, deine Seele soll selbst ein schöner Tempel werden, ausgeschmückt mit Andacht und Gott gefälligen Bestrebungen, damit Christus gern bei dir Wohnung nimmt. Es hat allerdings nicht jeder Mensch gleichviel zu überwinden, um ein wahrhafter Christ zu werden; aber ohne alle Anstrengung und Widerwärtigkeit kann es keiner erreichen. Du darfst daher sicher glauben, wenn du nicht schon mannigfach dich angestrengt hast und Mannigfaches gelitten hast, um dein Seelenheil zu schaffen, so hast du noch keine Tugend, und was du Gutes an dir zu haben scheinst, ist Temperament, Gewohnheit, Menschenrücksicht, eigener Vorteil, was vor Gott keinen Wert hat. Nur durch Arbeit erringt man das Heil seiner Seele: denn auch von den Gütern der Seele gilt das Wort des Allmächtigen: „Im Schweiß deines Angesichtes sollst du dein Brot verdienen.“ –
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 1 Januar bis März, 1872, S. 334 – S. 339