Heiligenkalender
30. August
Die heilige Rosa von Lima Jungfrau
Ein erbauliches Beispiel der Heiligkeit gab Gott am Ende des 16. und im Anfang des 17. Jahrhunderts den Christen an der heiligen Rosa von Lima, deren Gedächtnis die katholische Kirche am heutigen Tage begeht. Sie kam in der Hauptstadt Lima im Königreich Peru in Amerika den 20. April 1586 zur Welt. In der heiligen Taufe bekam sie den Namen Isabella; man nannte sie aber schon in der Wiege Rosa, weil die Mutter über ihrer Wiege einmal eine liebliche Rose erblickte, die alsbald wieder verschwand. Den Zunamen von St. Maria nahm sie auf den Befehl der göttlichen Mutter an. Schon in ihrer Kindheit führte sie durch Befolgung der Eingebungen der Gnade, die sie von der Wahrheit des christlichen Unterrichts überzeugte, ein heiliges Leben. Sie hatte das Leben der heiligen Katharina von Siena gelesen und faßte nun den Entschluß, ihr als einem Vorbild in allem nachzufolgen. Deshalb trat auch Rosa, wie einst Katharina, in den dritten Orden des heiligen Dominikus.
Als sie einmal mit ihrem kleinen Bruder spielte, und ihre schönen Haare verunreinigt wurden, zeigte sie Unwillen. Da sprach ihr Bruder: „Darüber sollst du nicht zürnen. Die Haare können einer Jungfrau leicht Veranlassung zur Sünde werden.“ Diese Worte bewirkten, daß sie von diesem Augenblick an alles vermied, wodurch sie Menschen hätte gefallen können. Ihrem Seelenbräutigam Jesus suchte sie zu gefallen und ihm gelobte sie ihre Reinigkeit. Zur Bewahrung derselben lebte sie in strenger innerer und äußerer Abtötung. Sie fastete wöchentlich dreimal bei Wasser und Brot, genoß die übrigen Tage nur einfache Speisen und war immer beschäftigt. Ihren Willen tötete sie ab durch Gehorsam gegen ihre Eltern, und auch die geringste Arbeit verrichtete sie auf den leisesten Wink mit der größten Bereitwilligkeit. Ebenso gehorsam zeigte sie sich, als sie auf Befehl des Beichtvaters vom Geißeln abstand, das sie zur Abtötung öfters und strenge geübt hatte.
Die Einsamkeit liebte sie über alles, damit sie desto ruhiger ihrem Gebet obliegen könnte. Zu diesem Ende begehrte sie von ihren Eltern die Erlaubnis, eine kleine Zelle für sich in einem Winkel des Gartens zu errichten. Diese war nur 4 Fuß breit und 5 Fuß lang. In dieser lebte sie bei ihrer Handarbeit vergnügter, als andere i einem königlichen Palast. O! Wie viele Gnaden erlangte sie von dem Himmel an diesem Orte! Oft wurde sie daselbst von der heiligen Katharina von Siena, von ihrem hl. Schutzengel, von der seligsten Jungfrau und von Christus dem Herrn selbst besucht. Auch außer dieser Zelle wurde sie mit solchen Erscheinungen begnadigt. Eine der vorzüglichsten Erscheinungen hatte sie an dem Palmsonntag in der Kapelle des heiligen Rosenkranzes vor dem Bilde der seligsten Jungfrau Maria. Rosa sah dieses Bild an und bemerkte, daß sowohl die jungfräuliche Mutter als das göttliche Kind sich gegen sie sehr liebreich bezeigten; sie hörte aus dem Munde des göttlichen Kindes diese deutlichen Worte: „Rosa! Du sollst meine Braut sein.“ Sie erstaunte darüber und antwortete mit den Worten, die einst die seligste Jungfrau zu dem Engel gesprochen: „Siehe, ich bin die Dienerin des Herrn; mir geschehe nach deinem Worte.“ Nach diesem sprach die göttliche Mutter zu ihr: „Bedenke wohl, meine Rosa! Welche große Gnade mein Sohn dir erwiesen hat.“
Diese außerordentlichen Gnaden nahmen ihr weder die kindliche Einfalt, noch machten sie Rosa selbstgefällig, sondern stärkten sie nur in ihrem tugendhaften Wandel vor Gott, besonders in ihren äußeren und inneren Leiden. Durch ihre eingezogene Lebensweise während 15 Jahren zog sie sich viele Verfolgungen von weltlich gesinnten Menschen zu, die sie mit schweigender Geduld ertrug. Noch schwerer waren die inneren Leiden zur Reinigung von aller Anhänglichkeit an die großen Tröstungen der Gnade. 15 Jahre lang wurde sie aus Zulassung Gottes täglich wenigstens einige Stunden lang mit so schrecklichen teuflischen Vorstellungen geplagt, daß sie öfters glaubte, sie befinde sich mitten in den höllischen Peinen. Sie konnte fast weder an Gott, noch an die von ihm empfangenen Wohltaten denken. Weder das Gebet, noch die Lesung in geistlichen Büchern brachte ihr einen Trost. Oft kam ihr vor, als wenn sie von Gott völlig verlassen wäre. Auf diese Weise wollte Gott, wie er es bei verschiedenen anderen Heiligen getan, auch ihre Tugend läutern und prüfen. Die Krankheiten des Leibes nahmen ihre Geduld im höchsten Grade in Anspruch, indem sich bisweilen zwei oder drei derselben vereinigten, und ihr entsetzliche Schmerzen verursachten.
In den drei letzten Jahren ihres Lebens war sie fast an allen Gliedern lahm. Dennoch zeigte sie in diesen und in den inneren Leiden stets eine unüberwindliche Geduld. Niemals hörte man aus ihrem Munde ein einziges Klagewort; wohl aber hörte man, wie sie noch mehr um Christi willen zu leiden verlangte. Zur gleichen Geduld munterte sie andere Kranke auf und stand ihnen, so lang sie gesund war, liebevoll bei. Durch geistliche Gespräche suchte sie dieselben zu trösten, und wo es die Umstände erforderten, zu einem seligen Tode vorzubereiten; denn ihre einzige Freude war, von Gott zu reden und andere zu Gott zu führen. Einst überfiel sie eine große Angst wegen der ewigen Gnadenwahl und ihrer zukünftigen Seligkeit. Christus der Herr aber erschien ihr und sprach: „Meine Tochter! Ich verdamme niemand als denjenigen, der da verdammt werden will.“ Zu gleicher Zeit versicherte er sie: 1. daß sie würde selig werden; 2. daß sie niemals durch eine schwere Sünde würde aus der göttlichen Gnade fallen; 3. daß ihr der göttliche Beistand in keiner Not oder Gefahr mangeln würde. Am Morgen, wenn sie die Türe ihrer Klause öffnete, lud Rosa alle Geschöpfe zum Lobe Gottes ein. Die Bäume neigten ihre Wipfel, die Blumen öffneten ihre Kelche, und die Vögelein fingen wunderlieblich zu singen an.
Ihr heiliges Ende erfolgte im 32. Jahre ihres Alters. Gott offenbarte ihr den Tag und die Stunde. Nach andächtigst empfangenen heiligen Sakramenten bat sie alle Anwesenden um Verzeihung wegen der von ihr begangenen Fehler, ermahnte alle zur Liebe gegen Gott; und je mehr sich die Stunde des Todes näherte, desto mehr Freude bezeigte sie. Kurz vor ihrem Ende geriet sie in eine Verzückung, und nachdem sie sich wieder erholt hatte, sprach sie zu ihrem Beichtvater: „O welch hohe und vortrefflliche Dinge hätte ich euch zu erzählen von der Süßigkeit Gottes, von der himmlischen, freudenvollen Wohnung Gottes! Ich gehe jetzt mit Freuden, jenes holdselige Angesicht anzuschauen, welches ich in der ganzen Zeit meiner Pilgerschaft gesucht habe.“ Hierauf begehrte sie von ihrem Bruder, er möchte ihr doch das Hauptkissen, welches man ihr untergelegt hatte hinweg nehmen; damit sie auf den bloßen Brettern, wie Christus an dem heiligen Kreuz, sterben könnte. Sobald dieses geschehen war, rief sie dreimal ,it lauter Stimme. „Jesus! Jesus, sei mit mir!“ und gab ihren Geist auf den 26. August im Jahre 1617. Im Jahre 1671 wurde sie vom Papst Klemens X. den Heiligen beigezählt (als die erste aus Amerika), und der 30. August zu ihrem Verehrungstag bestimmt. –
aus: Wilhelm Auer, Kapuzinerordenspriester, Goldene Legende Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres, 1902, S. 688-690