Heiligenkalender
16. Dezember
Die heilige Adelheid deutsche Kaiserin
Adelheid ist der Name der in Anbetracht ihrer Schicksale, ihrer Regierung, ihrer Tugenden und Verdienste um Staat und Kirche größten und berühmtesten deutschen Fürstin. Sie war die Tochter Rudolf II., Königs von Burgund, und der Herzogin Bertha von Schwaben und erhielt nach dem frühen Tode des Vaters von der frommen Mutter eine ausgezeichnete Erziehung.
Mit sechzehn Jahren wurde Adelheid, wegen ihrer reizenden Schönheit und noch mehr wegen ihrer engelgleichen Unschuld sehr liebenswürdig, mit Lothar, dem König von Italien, vermählt. In das süße Glück ihrer Ehe mischte nach drei Jahren schon die Frevlerhand des mächtigen Markgrafen Berengar von Ivrea das tödliche Gift, welches ihrem edlen Gemahl das junge Leben zerstörte und ihr die Krone Italiens raubte. Doch die in Gott gefestigte Frömmigkeit hielt die junge Witwe aufrecht und half ihr beten: „Vater im Himmel, dein Wille geschehe!“
Berengar setzte zu Pavia ihre Krone auf sein Haupt und stellte an sie das Ansinnen, die Gattin seines Sohnes Adelbert zu werden. Mit Abscheu wies sie diesen Antrag von sich; dafür setzte sie Berengar in einem Schloß am Gardasee gefangen und mißhandelte sie wie eine Verbrecherin. Der Sturz vom glänzenden Königsthron in die dunkle Kerkerzelle war ein sehr schmerzlicher: aber Adelheid küßte in Demut die Hand Gottes, von der sie getroffen worden, weil sie gewiß wußte, daß diese Hand auch den Schlüssel zu ihrem Kerker habe und ihn zur rechten zeit aufschließen werde. Martin, Adelheid`s treuer Kaplan, fand Mittel, durch die Flucht sie auf das sichere Bergschloß Canossa zu retten; Berengar belagerte und bestürmte vergeblich die unbezwingliche Festung.
Inzwischen hatte Kaiser Otto I., dieser edelmütige Beschützer aller Bedrängten, die Trauerkunde von Adelheid`s Mißhandlungen vernommen; sogleich lud er die Fürsten zur Heeresfolge ein, trug das Racheschwert wider Berengar nach Italien, empfing zu Pavia von Adelheid den herzlichsten Dank für ihre Befreiung und – heiratete die Befreite, nachdem er ihr die Krone dieses Landes aufgesetzt hatte. Unbeschreiblich war der Jubel des Volkes, womit es seiner schönen, durch Leiden verklärten, wunderbar aus dem Kerker auf den Thron wieder erhobenen Königin huldigte; aber Adelheid blieb demütig in ihrem Triumph. Im folgenden Jahre kam sie mit ihrem Gemahl nach Deutschland und wurde überall wie ein Engel des Himmels begrüßt.
Ihre glückliche Ehe segnete Gott mit vier Kindern, von denen nur der jüngste Sohn, Otto II., am Leben blieb, dessen erste Jugendjahre sie mit frommer Liebe leitete, dessen weitere Ausbildung dann dem ausgezeichneten Erzbischof Bruno von Köln anvertraute. Ihre ganze Zeit war dem Gebet und Wohltun gewidmet; gegen sich selbst sparsam, streng und bußfertig, kannte ihre Güte gegen Arme, Kranke, Bedrängte fast keine Grenzen; sie beschenkte die Kirchen und stiftete mehrere Klöster für Jünglinge und Jungfrauen, um wahre christliche Bildung zu fördern und Gottes Segen für ihre Familie und das ganze Reich zu erflehen.
Im Jahre 962 begleitete sie ihren Gemahl nach Italien und empfing mit ihm vom Papst Johann XII. die Kaiserkrone. Mit der höchsten Erdenwürde geehrt, blieb sie anspruchslos und demütig. Der Gemahl ließ sie an der Regierung des Reiches Anteil nehmen, weil sie einen wahrhaft fürstlichen Geist und Scharfblick besaß; sie benützte ihren Einfluß zum Schutz und Wohl der katholischen Kirche, zur Förderung der Bildung und zur Gründung wohltätiger Anstalten. Sie ist als Mitstifterin genannt in den schweizerischen Urkunden des Klosters St. Moritz im Wallis, des Klosters Maria Einsiedeln, des Klosters Peterlingen in Waadt, der bischöflichen Stifte Lausanne und Genf, noch öfter in denen Deutschlands und Italiens. Das schönste Denkmal ihrer Selbstverleugnung hat sie darin hinterlassen, daß sie zwei Töchter ihres größten Feindes Berengar an ihren Hof nahm und mit zartester Mutterliebe pflegte.
Im Jahre 973 riß der Tod von ihrem Herzen den besten Gemahl, Otto den Großen: ihr Sohn Otto II. bestieg den Thron. Dem erst zwanzigjährigen Fürsten war die regierungstüchtige Mutter eine sehr liebe, unentbehrliche Ratgeberin. So lange er ihren Ansichten folgte, war seine Regierung in allem glücklich und gesegnet; als er aber die griechische Prinzessin Theophania ehelichte, kamen mit diesem herrschsüchtigen Weib böse Tage des Unglücks. Die eitle Griechin und niederträchtige Schmeichler, denen die sittenstrenge, gottesfürchtige Adelheid verhaßt war, betörten mit böswilligen Einflüsterungen des Sohnes Herz so sehr, daß er seiner kindlichen Liebe und Pflicht vergaß, die Mutter kränkte, mißhandelte und vom Hof verstieß.
Adelheid`s Herz, von dem bittersten Schmerz getroffen, der eine liebende Mutter verwunden kann, wollte brechen; aber sie seufzte zum Himmel: „O Gott, Du kennst meine Liebe, Du verstoßest mich nicht! – Du hast dies über mich verhängt, damit ich über meinem Kind Dich, meinen Vater, nicht vergesse!“ und fand bei ihrem Bruder Konrad in Burgund die herzliche Aufnahme.
Ganz Deutschland trauerte über den Verlust seiner Mutter; alles Glück war mit ihr gewichen. Otto II. verlor alle Achtung, Theophania wurde gehaßt. Abfall folgte auf Abfall, das ganze Reich kam in Verwirrung. Da trat der Abt Majolus von Cluny vor den jungen Kaiser, klagte ihn freimütig des Verbrechens und des Ärgernisses an, daß er, da er als Regent am wenigstens die Gebote Gottes verletzen dürfe, so schändlich die Ehrfurcht gegen seine hl. Mutter verletze, und drohte ihm mit dem Zorne des Allerhöchsten, den er nur durch Buße versöhnen könne. Otto II. bereute schmerzlich seine Sünde, bat die gekränkte Mutter in öffentlicher Zusammenkunft um Verzeihung und übertrug ihr die Regierung des Königreichs Italien.
Aber schon nach drei Jahren füllten sich ihre Augen wieder mit Tränen des Leides am Grabe ihres erst 29-jährigen Sohnes, dessen Reue eine so trostvolle gewesen war. Theophania übernahm für ihren noch minderjährigen Sohn Otto III. die Regierung; fand aber wegen ihres Stolzes beim Volk weder Liebe noch Achtung und machte sich durch ihre ärgerliche Feindseligkeit gegen Adelheid verhaßt; sie ging so weit, daß sie ihren Schmeichlern das Wort gab: „Wenn ich noch ein Jahr lebe, soll Adelheid auf der ganzen Welt nicht mehr über so viel zu gebieten haben, als man mit einer Hand umspannen kann.“ Noch in demselben Jahr machte Theophania eine Reise nach Italien, starb plötzlich und – hatte nun selbst nicht mehr über eine Spanne Land zu gebieten. Otto III. und die Großen des Reiches baten nun Adelheid, die Regierung zu führen. Sie tat es mit gänzlicher Selbstaufopferung bis zur Volljährigkeit ihres Enkels und verewigte ihre Tage durch herrliche Werke der Weisheit und Frömmigkeit. Dann zog sie sich von den öffentlichen Reichsgeschäften zurück, um sich auf den baldigen Tod vorzubereiten. Bevor sie in den ewigen Frieden einging, unternahm sie noch die mühevolle Reise in ihre Heimat Burgund, um zwischen ihrem Neffen Rudolf III. und den aufrührerischen Großen des Landes den Frieden glücklich zu vermitteln. Auf dem Rückweg erreichte sie das ersehnte Ziel ihres tatenreichen, heiligen Lebens in dem von ihr gestifteten Kloster Selz, sechs Meilen von Straßburg, am 16. Dezember 999, und Gott ehrte ihr Grab durch große Wundern. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 938 – S. 940