Die Andacht und Liebe des Heiligen zur Mutter Maria
Die Wunder des heiligen Joseph von Copertino
Am Vorabend des Weihnachtsfestes hatte er (siehe den Beitrag an seinem Heiligentag) einst einige Hirten mit ihren Flöten und Sackpfeifen eingeladen, um in der Christnacht ihm die Geburt Jesu feiern zu helfen. In der Nacht nun, als er sich mit ihnen in der Kirche versammelt und am Hochaltar eine Menge Kerzen angezündet hatte und nun die Pfeifenmusik zur Ehre des Jesukindes angestimmt wurde, da begann er allgemach vor Freude zu hüpfen und zu tanzen; stieß dann ein gewaltsames Stöhnen aus der Brust, und flog mit starkem Geschrei gleich einem Vogel durch die Luft aus der Mitte der Kirche bis zum Hochaltar und umfaßte in schwebender Stellung den Tabernakel des allerheiligsten Sakramentes ungefähr eine Viertelstunde lang, wobei noch besonders wunderbar war, daß er keine Kerze berührte, noch auch sein Kleid von den Lichtem verbrannt wurde, über und zwischen welchen er schwebte. –
Zwischen Copertino und Grotella wollte Joseph einen dort liegenden kleinen Hügel zum Kalvarienberge einrichten und hatte zu diesem Zwecke schon zwei Kreuze errichtet. Als er nun eines Tages von Ferne sah, wie zehn fromme Leute ein drittes, viel höheres daselbst aufstellen wollten und wegen der großen Last desselben sich zwar große, aber vergebliche Mühe machten, da flog er plötzlich von der Pforte des Klosters aus bis auf jenen Platz und trug allein jenes schwere Kreuz bis auf jenen Hügel gleich einem leichten Strohhalme, und stellte es in der dazu bereiteten Grube aufrecht. Bei diesem Kreuze pflegte er nachher oft zu beten, wobei es dann nicht selten geschah, daß er sich zehn bis zwölf Schritte weit von der Erde erhob und auf der Spitze des mittleren Kreuzes in süßen Verzückungen kniete oder auf der Spitze eines Nagels schwebte.
Dem heiligen Joseph von Copertino gehorchten die Tiere
Weil sich Joseph um Jesu willen Allem entäußert hatte, so daß er mit dem heiligen Vater Franziskus sagen konnte: „Mein Gott und Alles!“, weil er durch die erstaunlichsten Bußwerke seinen Leib ganz unter die Herrschaft des Geistes und seinen Geist durch den pünktlichsten, kindlichen Gehorsam durch die größte Verdemütigung und durch vollständige Hingabe unter die liebevolle Herrschaft Gottes gebracht und gestellt hatte, so gehorchten ihm auch die unvernünftigen Tiere. Einem Flachsfinken sprach er öfters zu: „Lobe Gott!“ und sogleich fing der Vogel zu singen an und hörte nicht auf, bis es der Heilige erlaubte. Einem Distelfinken hatte er die Worte sprechen gelehrt: „Jesus! Maria! Bruder Joseph bete deine Tagzeiten.“ Da sah er einst, wie ein Raubvogel das Vögelein ergriff und tötete. Rasch rief er den entfliehenden Mörder zu sich. Der Raubvogel kam auch wirklich und setzte sich mit dem Zeichen der Furcht und Reue auf den Käfig. Da gab der Heilige ihm einen Verweis und sprach: „Du Bösewicht, du hast mir meinen Finken getötet und hast also auch verdient, von mir getötet zu werden.“ Darauf schlägt er ihn gelinde mit der Hand und sprach: „Mach dich fort; ich verzeihe es dir, aber tue so etwas nicht mehr.“ Und das Tier entfernte sich. Beim Kloster Grotella sah er einst zwei Hasen. Er warnte sie und sprach: „Entfernt euch nur nicht von der Kirche der seligsten Jungfrau, denn es stellen euch viele Jäger nach.“ Da sich nun doch ein Hase weiter vom Kloster entfernt hatte, setzten ihm die Jäger nach. Er flüchtete sich durch die Kirche und durch`s Kloster bis in die Arme des Heiligen, der ihm einen Verweis gab und sprach: „habe ich dir nicht gesagt, du solltest dich nicht weit von der Kirche wagen, weil man dir die Haut abziehen würde?“ Er ließ ihn darauf ins Freie. Der andere Hase aber wurde von den Hunden des Markgrafen von Copertino verfolgt und suchte sein Heil unter dem Kleid des Heiligen. Als nun der Markgraf nahe kam und ihn fragte, ob er nicht einen flüchtigen Hasen gesehen, antwortete er: „Siehe hier ist er; tue ihm aber nichts zu Leide.“ Das bange Tier ging still davon und verkroch sich, ohne daß sich einer der Hunde geregt hätte, zum Staunen des Markgrafen, der Zeuge des Wunders gewesen.
Der heilige Joseph von Copertino flog mehrmals durch die Luft
Doch es ist Zeit, von der Andacht und Liebe des Heiligen zur gebenedeiten Gottesmutter zu reden. –
Von seiner Kindheit an hatte er sie schon zärtlich geliebt und nannte sie schon damals nie anders als: „Meine Mutter!“ In kindlicher Einfalt schmückte er ihre Bilder und Altäre mit Lilien, Rosen und anderen Blumen. Doch opferte er ihr vor allem sein reines unschuldiges Herz…
Und gewiß, daß das Herz Josephs gänzlich Maria eigen war, erkennen wir teils aus jenen süßen Reden, womit er sie seine Beschützerin, Herrscherin, Fürsprecherin, Mutter, Braut, Helferin, nannte, teils aus jenen einfältigen frommen Liedern, womit er Maria häufig lobte, vorzüglich aber aus den öfteren Verzückungen, in welche er kam, so oft er ihr Bildnis erblickte, ihr Lob singen oder nur ihren Namen nennen hörte. Fast unzählige Male wurde er in die Luft erhoben beim Beten der lauretanischen Litanei, wie er denn dabei einmal über die sechs Ordensbrüder hinweg flog, welche, paarweise hintereinander sitzend, die Litanei mit ihm beteten. –
Als er in der Stadt Neapel sich befand, wo er sich wegen seiner Verzückungen vor dem Inquisitions-Gericht stellen musste, aber sein wunderbares Leben nach strenger Untersuchung für erprobt erklärt wurde, las er auf Befehl des Inquisitions-Richters in der Kirche des heil. Gregor die Messe. Danach zog er sich in einen Winkel zurück und betete. Plötzlich aber schwang er sich auf den Altar, stand dort aufrecht mit ausgestreckten Armen dergestalt zwischen den Blumen und brennenden Kerzen, daß die Klosterfrauen voller Schrecken riefen: „Er verbrennt sich! Er verbrennt sich! Allein nichts weniger; denn bald darauf flog er mit gleichem Geschrei, womit er hingeflogen war, unverletzt zurück zur Mitte der Kirche, wo er mit gebogenen Knien umher hüpfte und sang: „O selige Jungfrau! O selige Jungfrau!“ –
Viele Male flog der Heilige zum Bildnis der unbefleckten Jungfrau Maria
Als sich Joseph im Kloster zu Assisi befand, wollte ihn die Gemahlin des spanischen Gesandten zu Rom sehen und sprechen. Der Obere des Klosters beschied sie in die Kirche und befahl auch Joseph dahin zu gehen, weil ihn die Gemahlin des Gesandten erwarte. Er antwortete: Ich will gehorsam sein, weiß aber nicht, ob ich mit derselben werde sprechen können.“ Und in der Tat, sobald er beim Eintritt in die Kirche das Bildnis der unbefleckten Jungfrau erblickte, war es ihm unmöglich, sich zurück zu halten und flog über die Häupter aller Anwesenden zu den Füßen des Bildes, und nachdem er dort eine weile in Demut gekniet oder vielmehr geschwebt hatte, machte er denselben Rückweg auf dieselbe Weise im Fluge und eilte darauf gleich zu seiner Zelle.
Als er nach Assisi kam, führte man ihn vor Allem in die Kirche. Kaum eingetreten erblickte er am Gewölbe ein Gemälde der allerseligsten Jungfrau , welches dem Bilde in der Kirche zu Grotella ähnlich war. Da schrie er auf: „Ach meine Mutter! Du bist mir nachgefolgt!“ und zugleich flog er hinauf zum Gewölbe und schwebte eine Weile vor dem Bilde, als wollte er es umfassen. –
Etwas Ähnliches geschah wenige Tage nachher. Da ihm nämlich durch den Ordens-Assistenten von dem P. Michael Angelo Catalani ein anderes dem Bilde zu Grotella ähnliches Bild gezeigt wurde, sah man ihn augenblicklich mit den Worten: „Ach, meine Mutter!“ sich erheben, und, sein Angesicht zu dem ihrigen hingewendet, eine lange Weile vor dem Bilde schweben. –
Einst kamen einige Maler ins Kloster und kündigten dem Heiligen an, daß sie in seiner Kapelle ein Bildnis der unbefleckten Empfängnis Mariä malen wollten. Sobald er dies hörte, brach er gleich unter heftiger Erschütterung aller Glieder in die Worte aus: „Was? Die Empfängnis Mariä? Die unbefleckte Empfängnis?“ und kaum hatte er diese Worte gesprochen, so kam er, zum großen Schrecken der Maler, ganz außer ich und stand mit ausgespannten Armen und zum Himmel erhobenen Augen über eine halbe Stunde in stummer und süßester Betrachtung dieses hohen Geheimnisses da. Noch besonders merkwürdig ist Folgendes: Zu Assisi sang man einst in der Noviziats-Kapelle die Vesper zum Lobe der unbefleckten Empfängnis Mariä. Auch Joseph war dabei zugegen. Nach derselben bat er den Pater Custos, mit ihm die Worte: „Schöne Maria!“ zu wiederholen. Und indem nun beide diese Worte anstimmten, ergriff Joseph den Pater Custos ganz sanft und führte ihn unter fortwährendem Gesang: „Schöne Maria! Schöne Maria!“ in den Lüften umher. – In dieser Liebe sah man ihn auch einst unter seiner Messe sich hoch in die Luft erheben und hörte ihn dabei mit heißen Tränen und kläglicher Stimme ausrufen: „Lobet sie, ihr heiligen Engel mit euren Lobliedern; ich brenne zwar gänzlich; aber ich kann sie nicht würdig loben.“
Er suchte die Menschen zur Liebe und Verehrung Mariä zu entflammen
Es war ihm aber nicht genug, selbst Maria zu loben und alle Engel und Heilige zu ihrem Lobe aufzufordern; er suchte auch die Menschen zur Liebe und Verehrung Mariä zu entflammen. –
Als er im Kloster zu Grotella lebte, kamen einst einige Bürger aus Copertino, ihn zu besuchen. Er fragte sie: „Warum seid ihr hierher gekommen? Vielleicht um meine Herrscherin zu besuchen? Und da sie dies bejahten, fragte er weiter: „Was habet ihr derselben mitgebracht?“ Darauf erwiderten jene: „Die Tagzeiten und den Rosenkranz.“ Allein er merkte wohl, daß sie aus bloßem Vorwitz gekommen seien, und redete sie in vollem Eifer an: „Was Tagzeiten, was Rosenkranz? meine Herrscherin will das Herz und den Willen haben!“ Durch diese feurigen Worte erweckte er in seinen Gästen eine besondere Liebe zu Maria. Darauf forderte er sie auf, nieder zu knien und betete mit ihnen die Litanei zur Mutter Gottes. Letzteres pflegte er immer zu tun mit denen, welche zu ihm kamen. Solche ermahnte er denn auch öfters zu Maria zu sprechen: „Refugium peccatorum, Mater Dei memento mei!“ „Zuflucht der Sünder! Mutter Gottes, gedenke mein!“ Denn dies war sein liebstes Schußgebetlein und er beteuerte zugleich, daß der seligstenJungfrau keine Benennung wohlgefälliger sei, als: „Du Zuflucht der Sünder!“ Zum Lobe dieser seiner Mutter rief er in Ermanglung der Menschen sogar die unvernünftigen Tiere zusammen, wovon sich ein schönes und höchst wunderbares Beispiel zu Grotella begeben hat. Am Samstag pflegte Joseph daselbst bei der marianischen Kapelle die Hirten der Umgegend zu versammeln und mit ihnen die Litanei zur Mutter Gottes zu beten. Eines Samstags, als die Hirten wegen der Ernte im Felde zu sehr beschäftiget waren und also nicht an jener Kapelle zur bestimmten Stunde sich einfanden, rief Joseph den in der Gegend umyerweidenden Schafen zu: „So kommet denn ihr hierher, die Mutter meines und eures Gottes zu loben!“ Und siehe Wunder! Auf diesen Ruf kommen sie eiligst von nahen und fernen Hürden und Weiden zahlreich und munter daher gehüpft, ohne auf die Stimme der ihnen nacheilenden und sie zurückrufenden Hirtenknaben zu hören und versammelten sich sofort wundersam um den Heiligen an der Mutter-Gottes-Kapelle. Nun begann Joseph die Litanei und betete vor: „Heilige Maria! Heilige Gottesgebärerin!“ u.s.w. Und die Schäflein antworteten jedesmal durch ein sittsames und ehrerbietiges „Bä“ und setzten dieses fort bis zum Ende der Litanei. Am Schluss erteilte ihnen der Heilige den Segen und entließ sie; und die Tierlein eilten mit munteren Sprüngen zu ihren Weiden und Hürden zurück.
Der Heilige wurde auch wunderbar belohnt
Josephs Liebe zu Maria und sein Vertrauen auf ihre Fürbitte ward auch wunderbar belohnt. Öfters hat er bloß durch das Beten der Litanei die Besessenen vom bösen Geiste befreit und die Gebärenden glücklich aus aller Gefahr gerettet, häufig heftige Feindschaften ausgesöhnt durch die Zuspräche: „Wohlan! Fort zur Mutter, zur Mutter!“ Eine blinde Frau kam zu Joseph um Hilfe. Der Heilige rührte sie an und sprach: „Die Muttergottes wird dich heilen.“ Und sie erhielt ihr Gesicht wieder. – An dem Tage, wo seine drei Kreuze, welche er nahe bei Grotella aufgerichtet hatte, eingeweiht werden sollten, fiel eine so große Sonnenhitze ein, daß der bischöfliche Generalvikar von Narde Bedenken trug, die heilige Handlung mit der gewöhnlichen Feierlichkeit vorzunehmen. Joseph aber redete ihm zu und sprach: „Meine Mutter wird nicht zulassen, daß dir durch die Hitze Leid geschehe.“ Durch diese Worte ließ sich Jener bewegen und empfand, obwohl er mit einer schweren Chorkappe bekleidet bei vierthalb Stunden der größten Hitze ausgesetzt war, nicht die mindeste Beschwernis.
Auch seine leibliche Mutter nahm zuweilen Zuflucht zu ihrem Sohne Joseph. Allein seine Antwort war: „Meine Mutter ist Maria; ich habe nichts, weil ich arm bin; befiehl dich Maria; sie wird dir beistehen;“ und hiermit fand sie sich in der Tat wunderbarlich allezeit geholfen. –
Ein Priester war am ganzen Körper mit schweren Wunden bedeckt. Joseph, der ihn einmal besuchte, sprach zu ihm: „Fürchte dich nicht! Wie lange ist es, daß du nicht mehr nach Grotella gekommen bist, deine Mutter zu besuchen?“ Und da er antwortete: „Siehst du nicht, wie es mit mir steht, der ich mich nicht bewegen kann?“ so verband ihm der Diener Gottes seine Wunden, bestrich sie mit seinen Händen, und sprach: „Hast du denn kein Vertrauen auf deine Mutter?“ Da bemerkte der Priester, daß seine Wunden ausgetrocknet, und er vollkommen genesen sei. –
Ein anderer Priester hatte eine Furcht, eine gewisse Gnade von Maria zu erbitten. Joseph, der dessen Wunsch kannte, munterte ihn auf, indem er sagte: „Begehre von ihr; bitte sie, so wird’s dir gestattet.“ Er that es, und wurde erhört. – Einst kam er zu einem Kranken, der dem Tode nahe war. Er öffnete ihm den Mund und goss ihm irgend ein Getränk ein und fragte: „Wird es jetzt besser mit dir?“ Der Kranke erwiderte: „Überaus wohl.“ „Wohlan“, sagte Joseph, „so sage Niemand etwas von mir, sondern sage, du seist von der Mutter, deiner und meiner Mutter, gesund gemacht worden.“ Einst brachte man zu dem Heiligen einen ganz wahnsinnigen und rasenden Ritter, auf einem Sessel festgebunden, und bat ihn, daß er um seine Genesung zu Gott beten möge. Joseph löste die Banden auf, zwang ihn in der Kapelle nieder zu knien, legte dann seine Hand auf dessen Haupt und sprach: „Herr Balthasar, zweifle nicht, empfiehl dich Gott und seiner heiligen Mutter!“ Darauf ergriff er ihn bei den Haaren und zog ihn unter dem gewöhnlichen Geschrei mit sich hinauf in die Luft, hielt ihn dort zum Erstaunen und Schrecken aller Gegenwärtigen eine kleine Weile fest und ließ ihn dann völlig geheilt wieder zu Boden. –
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben heiligen und gottseligen Dienern Unserer Lieben Frau, Zweiter Teil 1860, S.2107 – S. 2112