Heiligenkalender
19. August
Der heilige Ludwig, Bischof von Toulouse
Ludwig, 1274 geboren, war der zweite Sohn Karl`s II., Königs von Neapel und Sizilien, und der Maria, einer Tochter Stephan`s V., Königs von Ungarn; er war blutsverwandt von Seite des Vaters mit dem hl. Ludwig, König von Frankreich, von Seite der Mutter mit der hl. Elisabeth, Landgräfin von Thüringen. Der Prinz war sehr ernst und fromm, und die vortreffliche Mutter ließ es nicht an treuer und kluger Sorge fehlen sein religiöses Gemüt in Liebe zu Jesus und Maria zu entzünden. Schon im siebenten Jahr übte Ludwig verschiedene Bußwerke, um den Versuchungen wider die Tugend der Reinigkeit zuvor zu kommen und betete jeden Tag inständigst zur lieben Mutter Gottes, daß sie ihm seine Jungfräulichkeit ganz unversehrt bewahren helfe.
Ludwig`s Vater war im Kriege gegen Spanien sehr unglücklich; er wurde gefangen und erst nach vier Jahren wieder frei gelassen unter sehr harten Bedingungen: er mußte ein hohes Lösegeld zahlen, seine drei Söhne und sechzig Erstgeborene der vornehmsten Familien als Geiseln stellen bis zur Erfüllung aller Bedingungen. So kam Ludwig als vierzehnjähriger Prinz in die Gefangenschaft nach Barcelona; aber dieses Joch und diese Bürde war ihm um Jesu willen so leicht, daß er sich noch andere Bußwerke auferlegte: täglich betete er mehrere Stunden, täglich betrachtete er das Leiden Jesu und die Tugenden der seligsten Jungfrau Maria, täglich beichtete er, um mit reinem Herzen an dem heiligen Messopfer teilzunehmen; in der Nacht stand er mit zwei Franziskanern, welche seine Lehrer in der Philosophie und Theologie waren, zum Gebet und Lob Gottes auf und mehrere Tage in der Woche fastete er streng. In einer gefährlichen Krankheit, welche ihn die Eitelkeit der Welt und die Vergänglichkeit des Irdischen noch mehr verachten lehrte, gelobte er, in den Orden der Franziskaner zu treten, wenn er gesund werde. Gleich nach der Genesung wollte er sein Gelübde erfüllen, aber der Orden wollte ihn noch nicht aufnehmen aus Rücksicht auf den königlichen Vater.
Nach siebenjähriger Gefangenschaft war Ludwig frei. Nun sollte er die Schwester des Königs von Aragonien heiraten, aber erschlug es rund ab. Inzwischen starb sein älterer Bruder Karl, und ihm fiel das recht auf die Krone von Neapel zu; aber er verzichtete darauf zu Gunsten des jüngeren Bruders Robert; denn er wollte Ordensmann werden. Nach langem Bitten erlaubte ihm endlich der Vater Priester zu werden; Papst Bonifaz VIII. ernannte ihn sogleich zum Bischof von Toulouse. Ludwig wehrte sich auf`s äußerste gegen diese Würde und willigte zuletzt nur ein unter der Bedingung, daß er vorher noch dürfe Franziskaner werden. Am Weihnachtsfeste 1296 legte er die Ordensgelübde ab und empfing bald darauf die Bischofsweihe, erst zweiundzwanzig Jahre alt. Groß war der Jubel des Volkes von Toulouse, als der neue Bischof, der Königssohn im Habit eines Bettelmönches, in die Domkirche einzog.
Des neuen Bischofs erstes Geschäft war, daß er die Spitäler und Armenhäuser besuchte, die Übelstände beseitigte und den Bedürfnissen abhalf. Drei Vierteile seines Einkommens bestimmte er für die Armen, täglich speiste er deren fünfundzwanzig an seinem Tisch und bediente sie kniend, jeden Sonntag wusch er den drei Ärmsten die Füße. Er bereiste die ganze Diözese und ließ überall rührende Denkmale seiner väterlichen Liebe, königlichen Freigebigkeit und erleuchteten Frömmigkeit zurück. Alles stand sein Herz offen, er war traurig mit den Trauernden und fröhlich mit den Fröhlichen. Bei allen seinen mühevollen Arbeiten, durch welche er auch viele Juden und Ungläubige bekehrte, ließ er doch nicht im mindesten von seinen strengen Bußübungen ab. Aber so aufrichtig ihm das Volk Liebe und Zutrauen entgegen brachte, so freudig es ihm gehorchte, so dankbar es ihn ehrte; unverändert blieb sein einziger Wunsch, die bischöfliche Würde niederlegen zu dürfen.
Was aber die Menschen ihm nicht bewilligten, das gewährte ihm Gott. Er besuchte seine Schwester in Spanien und wurde auf der Rückreise von einem tödlichen Fieber befallen. Auf der bloßen Erde kniend empfing er mit Tränen in den Augen die heiligen Sterbe-Sakramente, und so verweilte er lange in inbrünstigem Gebet. Aus seinem Angesicht leuchtete himmlischer Friede, und er bekannte: „Ich sterbe gerne und freue mich wie Einer, der nach langer Schifffahrt auf diesem tückischen und stürmischen Weltmeer das sichere Ufer in der Nähe und über demselben die süße Heimat sieht: Gott sei gepriesen, daß ich durch den Tod von der schweren Bürde des bischöflichen Amtes, die meine Schultern nicht zu tragen vermögen, befreit werde.“ In seinen letzten Augenblicken betete er oft und innig den englischen Gruß und gab auf die Frage, warum er denselben so oft wiederhole, die schöne Antwort: „Ich werde bald sterben, und die gnadenvolle Mutter Maria wird mir dieses letzte und wichtigste Geschäft noch gut vollbringen helfen.“ Er schloß seine Augen am heutigen Tage 1297, 23 1/2 Jahre alt, und wurde seinem testamentarischen Wunsch gemäß bei den Franziskanern in Marseille beerdigt. Unter den vielen, auf seine Fürbitte im Leben und nach dem Tode geschehenen Wundern werden mehrere Toten-Erweckungen aufgezählt. Papst Johannes XXII. Setzte ihn schon nach zwanzig Jahren in das Verzeichnis der Heiligen. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 612 – S. 613