Von der Vortrefflichkeit des englischen Grußes
Den Eindruck, welchen dieses gar liebliche Lebensbild des königlichen Prinzen, barfüßigen Bettelmönches und hl. Bischofs Ludwig auf dein Herz gemacht hat, magst du zusammen fassen in die Worte der heiligen Schrift: „O wie schön ist ein keusches Geschlecht, umstrahlt vom Glanz der Tugend!“ Gerade die makellose Keuschheit ist es, was diesem früh vollendeten Heiligen eine so hervorragende Schönheit verleiht. Der Glanz seiner Reinigtest und die zarte Furcht vor der geringsten Trübung derselben war die Frucht seiner Andacht zu Maria und vorzüglich zum englischen Gruß. Und mit Recht; denn der englische Gruß ist ein sehr vortreffliches Gebet aus zwei Gründen:
1. Wegen seines Ursprunges.
Auf Erden haben diesen Gruß zum ersten Male die Lippen des Erzengels Gabriel gesprochen (siehe 25. März); der Himmelsbote aber hat diesen Gruß an die Reinste der Jungfrauen, an die Gebenedeite unter den Weibern nicht selbst erfunden, sondern vernommen aus dem Munde der hochheiligen Dreifaltigkeit; und der heilige Geist, der göttliche Bräutigam der „Gnadenvollen“, hat diesen Gruß durch die hl. Elisabeth und durch die heilige unfehlbare Kirche katholische Kirche zum Dank- und Bittgebet für alle ihre Kinder ergänzt. Die heiligste Dreifaltigkeit hat mit diesem Gruß das größte und segensreichste aller Wunderwerke, die Menschwerdung der zweiten göttlichen Person verbunden und zugleich der seligsten Jungfrau ihr allerhöchstes Wohlgefallen an ihrer unbefleckten Jungfräulichkeit ausgesprochen. Die Empfindungen, mit denen Maria diesen göttlichen Gruß anhört, erklärte sie einmal der hl. Mechtildis in folgender Weise. Mechtildis hatte den Wunsch ausgesprochen: „O allersüßeste Königin des Himmels, wenn ich dich nur ehren könnte mit einem so schönen Gruß, wie noch kein menschliches Herz einen solchen erdacht hat, das täte ich am liebsten!“ Alsbald erschien Maria ihrer lieben Tochter und sprach: „Über den englischen Gruß ist noch kein Mensch hinaus gekommen, und Niemand kann mich süßer grüßen als derjenige, welcher mich grüßt mit der Ehrerbietung, mit der mich gegrüßt hat Gott der Vater, der Sohn und der heilige Geist. Denn die Freude und Seligkeit, die ich verkoste bei der Erinnerung an das Geheimnis, welches die heilige Dreifaltigkeit in mir vollbracht hat, indem sie die Wesenheit meines Fleisches mit der göttlichen Natur in Einer Person vereinigte, vermag kein Mensch zu erfassen.“
2. Der englische Gruß ist ferner ein gar vortreffliches Gebet wegen seiner Früchte.
Bekannt ist die Überzeugung des hl. Bernhard: „So oft wir Maria mit dem englischen Gruß begrüßen, so oft erwidert sie unsern Gruß mit ihren mütterlichen Gnaden.“ Der große hl. Thomas von Aquin hat schon als kleines Kind den englischen Gruß gebetet und auf ein Stücklein Papier geschrieben bei sich getragen, und er fühlte lebenslänglich keine unkeuschen Begierden oder Empfindungen. Der hl. Aloysius lernte von seiner Mutter zuerst den englischen Gruß; er betete ihn sehr eifrig, und wenn er als schwaches Knäblein die Stiegen hinauf und herab rutschte, betete er ihn auf jedem tritt. Aloysius war und blieb ein „Engel im Fleische“. Die hl. Katharina von Siena betete vor jeder Arbeit, bei jedem Ausgang aus dem Zimmer, bei jedem Anblick des Muttergottes-Bildes den englischen grüß und – sie leuchtet unter den Heiligen vorzüglich durch den Glanz ihrer unversehrten Jungfrauschaft. Wer hatte öfter den englischen Gruß Gebete, als der hl. Alphons von Liguori? Und die katholische Welt bewundert seine Keuschheit, seine Wissenschaft und seinen Reichtum an guten Werken. Die hl. Stephanie von Soncino, Dominikanerin, betete schon als Kind das „Ave Maria“ täglich zweihundert Mal und gelobte bereits in ihrem siebenten Jahre ewige Keuschheit. Dem frommen Kind erschien Jesus Christus selbst, begleitet von seiner gebenedeiten Mutter, dem hl. Dominikus, dem hl. Thomas von Aquin und der hl. Katharina; Er erwies ihr die Ehre, sie zu seiner Braut zu erwählen, und gab ihr zum Unterpfand einen Ring von großem Wert und Schönheit. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 613 – S. 614