Heiligenkalender
3. August
Der heilige Petrus von Anagni Bischof
Petrus, aus fürstlicher Familie zu Salerno geboren, erhielt von seinem Oheim, dem Abt des dortigen Benediktiner-Klosters, eine ausgezeichnete religiöse und wissenschaftliche Erziehung. Voll des Verlangens, nur Gott zu dienen und ihm allein zu gefallen, verzichtete er auf sein reiches Erbe, auf glänzende Ehrenstellen, und bat um das Ordenskleid des hl. Benedikt. Eine alte Handschrift schildert den jungen Mönch mit folgenden Worten: „Er war ein Sohn der Wahrheit, ein ausgezeichneter Verehrer des Glaubens, liebenswürdig im Umgang, pünktlich im Gehorsam, ein Engel an Reinheit des Leibes und der Seele, ein Job in der Geduld und ein Held im Tragen des Joches Christi.“
Der Kardinal Hildebrand, der später als Gregor VII. den päpstlichen Stuhl verherrlicht hat, lernte zu Salerno den Mönch Petrus wegen seiner Gelehrsamkeit und Frömmigkeit schätzen, nahm ihn mit sich nach Rom, und ernannte ihn nach Erprobung seiner Tüchtigkeit zum Bischof von Anagni. Petrus wendete alle erlaubten Mittel und Wege an, um diese hohe Würde abzulehnen, aber umsonst; er musste die Bischofsweihe empfangen und das Hirtenamt antreten. Als er nach einiger Zeit die jammervolle Unordnung bemerkte, welche in seiner Diözese herrschte, wollte er abdanken und ließ sich nur durch inständiges Bitten hoher Prälaten zum Ausharren bewegen, welche ihn zum Vertrauen auf Gott und auf die Fürbitte des hl. Märtyrers Magnus, eines früheren Bischofs von Anagni, dessen Gebeine in der Kathedrale ruhten, ermunterten.
Petrus zweifelte, ob die Reliquien des hl. Magnus sich wirklich in der Domkirche befänden, weil Niemand den Ort, wo sie ruhen sollten, anzugeben wußte. Da fügte es Gott, daß ein Bürger, dessen Frau von einer unheilbaren Gicht gelähmt war, dem hoch verehrten Bischof sich zu Füßen warf mit der Bitte, er möchte doch seiner Gemahlin von Gott die Gesundheit erflehen. Petrus erwiderte mit herzlicher Teilnahme: „Meine Unwürdigkeit vermag solches nicht; weil aber in unserer Kirche, wie man sagt, der heilige Leib meines Vorgängers Magnus ruht, so bete du mit deiner Frau an der mutmaßlichen Stätte seines Grabes, und ich will auch für sie beten.“ Am folgenden Tage schon war die Frau gesund und Petrus von seinem Zweifel befreit; nur wußte er noch nicht genau die Stelle, wo die heiligen Reliquien lagen. Aber bald darauf, als Petrus in gewohnter Weise während der Nacht in der Kirche dem Gebet oblag, erschien ihm der hl. Magnus selbst und sprach: „Mein Bruder, der Papst wird dich in kirchlichen Angelegenheiten zum griechischen Kaiser Michael senden. Wenn du dieses Geschäft glücklich beendet und den kranken Kaiser durch deine Segen geheilt haben wirst, so wirst du zum Bau der neuen Kirche (der Dom zu Anagni war sehr baufällig, und Petrus wünschte sehnlichst ein würdigeres Gotteshaus) Alles erhalten. Harre männlich aus in den Mühsalen und widerstehe tapfer dem Feinde alles Guten: baue die Kirche zu Ehren der hoch gebenedeiten Jungfrau Maria und aller Heiligen; durch dich wird die Diözese sich wieder erheben und der alte Ruhm von Anagni neu aufblühen.“ Alles dieses ging in Erfüllung.
Bei der Grundsteinlegung zum neuen Dom wurde der Marmorsarg mit dem unversehrten Leib des hl. Magnus aufgefunden, und die Freude über dieses glückliche Ereignis förderte mächtig den Fortschritt des begonnenen Werkes. Da entstand eine Hungersnot, und der gute Hirt teilte seinen ganzen Geldvorrat an die Notleidenden aus, so daß er den Kirchenbau nicht fortsetzen konnte. Diesen Umstand benützten verleumderische Zungen, den Bischof der Verschwendung, ja sogar des Diebstahls zu beschuldigen; aber Petrus ertrug Alles mit himmlischer Geduld.
Auf den Wunsch des Papstes machte der Heilige den ersten Kreuzzug in das gelobte Land mit, leistete dem christlichen Heere große Dienste und war Augenzeuge der Eroberung Jerusalems. Auf dem Rückzug erhielt er vom griechischen Kaiser Alexius Geld und andere Kostbarkeiten zum Geschenk, womit er dann den Kirchenbau zu allgemeiner Freude vollenden konnte. Mit der aufopferndsten Liebe arbeitete nun Petrus an der geistigen Erneuerung seiner Herde, sorgte für die Armen und Kranken wie eine Mutter, und erwarb sich durch seinen heiligen Lebenswandel eine solche Hochachtung, daß man allgemein dafür hielt, Niemand könne recht leben oder gut sterben, wer seine Ermahnungen nicht genau befolge.
Nachdem Petrus 43 Jahre in der Diözese gearbeitet, und sie zu frischem Tugendleben erweckt hatte, sank er müde auf das Sterbebett und hauchte, umgeben von seinen weinenden Mitarbeitern, seine hl. Seele in die Hände Gottes am 3. August 1105. Sehr viele Wunder geschahen an seinem Grab. In einer zahlreichen Gesellschaft, in welcher von den vielen Gebets-Erhörungen des Heiligen gesprochen wurde, hob ein frecher Spötter seinen Finger in die Höhe und rief: „Wenn Petrus heilig ist und die erzählten Wunder wahr sind, so soll er mir den Finger krümmen, wenn er es zu tun im Stande ist.“ Sogleich fühlte er einen rasenden Schmerz im ganzen Arm, und konnte weder den Finger noch den Arm mehr bewegen; wie ein Verzweifelnder schrie und heulte er: Man redete ihm zu, er solle seinen Spott bereuen, führte ihn zum Grabe des heiligen Bischofs und betete mit ihm um Gnade. Die Steifheit des Fingers und des Armes hörte ganz auf; aber lebenslänglich fühlte er einen leichten Schmerz, zur Erinnerung an seine Sünde und Heil seiner Seele. – Schon vier Jahre nach dem Tode wurde Petrus von Anagni von dem Papst Paschalis II. heilig gesprochen. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 577-578