Heiligenkalender
4. Juli
Der heilige Ulrich Bischof von Augsburg
Seit bald tausend Jahren glänzt im Himmel unter den großen Bischöfen und Fürsten der hl. Ulrich von Augsburg, der auf Erden die Perle der deutschen Lande und der Ruhm des deutschen Namens war. Er war ein Sohn des Grafen Hupold von Kyburg und Dillingen und der Dietburga, Tochter des Herzogs von Schwaben. Der schwächliche, aber sehr talentvolle Knabe erhielt im Kloster St. Gallen eine tief religiöse Ausbildung. Dort lernte er die gottselige Klausnerin Wiborada beim St. Georgskirchlein schätzen und sich ihrer himmlischen Gespräche erfreuen.
Bei der ersten Prüfung über die Standeswahl, ob er solle Welt- oder Ordenspriester werden, prophezeite ihm Wiborada, daß ihn Gottes Wille nicht zum Mönch in St. Gallen bestimmt habe, sondern zum Bischof an einem Ort gegen Aufgang, wo ein Fluss (Lech) zwei Länder scheide.
Ulrich kehrte ins elterliche Haus zurück uns stellte sich seinem Bischof, dem trefflichen Adelbero von Augsburg, zur Verfügung. Dieser erkannte bald Herz und Geist seines Schülers, weihte ihn freudig zum Priester und wählte ihn zum Domherrn trotz seiner Jugend. Voll des heiligen Eifers widmete Ulrich alle Zeit seinem Amt, dem Studium, dem Gebet und den Armen. Zur Stärkung im christlichen Glauben und Leben wallfahrtete er nach Rom zu den Gräbern der heiligen Apostelfürsten und in die Katakomben der großen Märtyrer. Bei seiner Rückkehr fand er den hoch verehrten Adelbero schon im Grabe und des geistesträgen Hilkin an dessen Stelle. Aus zarter Gewissenhaftigkeit, weil er Hilkin`s Amtsführung nicht billigen konnte, legte er seine Stelle als Kämmerer nieder, blieb nur noch im Chordienst und verwaltete die väterlichen Güter zum süßen Trost der geliebten Mutter, die Witwe geworden war. Jedoch nach wenigen Jahren starb Hilkin, und Kaiser Heinrich I. wählte den 34 Jahre alten Ulrich zum Bischof von Augsburg. Die Diözese bedurfte gar sehr dieses barmherzigen Samaritans, denn die die Ungarn hatten sie auf ihrem gräßlichen Raub- und Mordzuge durch Deutschland ausgeplündert, schwer geschädigt und in jammervollem Elend zurück gelassen Ulrich weinte mit den Weinenden, goss die ganze Fülle seines Vaterherzens in die brennendenWunden und leerte seinen Vorrat, um sie zu heilen.
Nach den damaligen Staatsverhältnissen mussten die Bischöfe, die zugleich weltliche Fürsten ihrer Sprengel waren, am Hoflager des Kaisers gewisse Dienste und Ämter versehen, persönliche Heeresfolge mit ihren Truppen leisten und deshalb oft von ihrer Herde sich entfernen. Auch Ulrich unterzog sich dieser Dienstpflicht; doch das heilige Verlangen, mehr Bischof als Fürst zu sein, und die Liebe zu seiner Kirche machte ihn erfinderisch; er bewirkte, daß der Kaiser ihn vom Hof- und Kriegsdienst entließ und seinen Schwestersohn als Stellvertreter annahm. Nun gehörte er ganz seinem Volk und arbeitete mit Riesenkraft an dessen zeitlicher und geistiger Wohlfahrt, indem er die Ruinen des Krieges entfernte, Schulen gründete, die Armenpflege ordnete, Kirchen erbaute, Klöster stiftete, die Schönheit des Gottesdienstes förderte, die Treue in der Sonntags-Heiligung erwirkte, die Priester zur Wissenschaft und Frömmigkeit, das Volk zu christlicher Friedfertigkeit und häuslicher Sittlichkeit aneiferte. In Allem aber war er selbst das lebendige Vorbild und anziehende Beispiel. Täglich betete und sang er im Chor, feierte zwei- und dreimal das heilige Messopfer mit seraphischer Andacht, fastete streng, schlief nur wenige Stunden auf Stroh, war sehr gastfreundlich gegen Fremde und unermüdlich freigebig gegen Bedrängnisse, machte geisterfrischende Wallfahrten und war mit dem heiligen Konrad im Jahre 948 Zeuge den wunderbaren Einweihung der Gnadenkapelle in Maria Einsiedeln.
Den herrlichen Friedensblüten, die Ulrich`s weiser und frommer Sinn rastlos gepflegt hatte, drohte bald gänzliche Verwüstung, indem die Ungarn wieder mordend und brennend vor den Mauern Augsburgs erschienen. In dieser Not leuchtete wunderbar des heiligen Bischofs Glaubens-Innigkeit und Vaterliebe. Er befahl alle Säuglinge der ganzen Stadt in der Domkirche vor dem Altar auf die kalten Steinplatten hinzu legen und vereinte mit dem erschütternden Gewimmer der Kleinen seine und seines Volkes Bitten und Tränen vor Gottes Barmherzigkeit. Plötzlich und ohne Schwertstreich zogen die Ungarn fort gegen das Elsaß hin.
Aber leider zu bald kam ärgeres Unheil. Luitolf, Sohn des Kaisers Otto I. und Herzog von Schwaben, empörte sich wider den eigenen Vater. Arnulf, Herzog von Bayern, hielt zu ihm, fiel mit einem Heer in die Diözese Augsburg ein und belagerte den dem Kaiser eidtreuen Ulrich im Schloß Münchingen. Der Heilige betete Tag und Nacht auf den Knien und – als die Not auf`s Höchste stieg, erschien unvermutet sein Bruder Diepold, Graf von Dillingen, und sein Vetter Adalbert mit ihren rüstigen Mannen und verjagten den Arnulf. Der gerettete Bischof hatte bald die Freude, vereint mit Hartbert, dem Bischof von Chur, die Entzweiten, Vater und Sohn, auszusöhnen an dem Tage, an dem es bei Illertissen zur blutigen Schlacht kommen sollte.
Aber damit war nur das kleinere Unglück verhütet. Denn Luitolf`s Anhänger hatten schon die Ungarn um Hilfe angerufen. Diese stürmten bis zum Schwarzwald herauf und drohten Augsburg, wohin Tausende des jammernden Landvolkes sich geflüchtet hatten, den sichern Untergang. Da zeigte sich Ulrich wieder in der Rüstung Gottes; die Kirchen füllte er mit betenden Frauen, die Mauern besetzte er mit bewaffneten Bürgern; er selbst, mit der bischöflichenStola bekleidet, ritt an die gefährdetsten Posten, befehlend, leitend, ermunternd zu standhaftem Gottvertrauen. Die Wut des Ungarn-Feldherrn war so ergrimmt, daß er seine Leute mit Geißeln zum Sturm peitschte. Plötzlich schwieg das Getümmel der Schlacht, die Ungarn eilten dem Lechfeld zu: Kaiser Otto erschien mit starkem Heer in ihrem Rücken. Ulrich führte dem Kaiser seine Krieger zu: man rüstete sich zur Schlacht, und Ulrich befahl einen Fasttag zu halten. In der ersten Morgenröte des 10. August feierte der Heilige im Angesicht des Heeres die heilige Messe, reichte dem Kaiser und den Fürsten die heilige Kommunion und begeisterte Alle zum Gottvertrauen. Otto schwang sich auf das Roß, Ulrich mit dem Kreuz ritt ihm zur Seite; das Banner mit dem Bild des heiligen Michael flatterte in den Lüften, das Hurrah! zum Kampf donnerte durch die Reihen. Die Schlacht war mörderisch, das Blut floß in Strömen, den Wahlplatz deckten Leichenhaufen. Die Niederlage der Ungarn war so vollständig, daß sie nie mehr nach Deutschland sich wagten; aber die Wunden und Verluste der Sieger waren auch so schwer, daß nur eine freigebige Liebe, wie sie aus dem Herzen Ulrich`s aufflammte, Linderung und Trost bieten konnte. Nur Gott kennt die Tränen, die er getrocknet, die Not, die er gestillt, die Hilfe, die er geleistet. In dieser Zeit der Trübsal eilte er zur Gnadenmutter Maria nach Einsiedeln, um ihren beistand zu erflehen, und soll den dortigen Mönch Wolfgang mitgebracht haben, den die katholische Kirche als heiligen Bischof von Regensburg verehrt.
Als Greis von achtzig Jahren machte Ulrich noch eine Wallfahrt nach Rom und besuchte auf dem Rückweg den Kaiser Otto, daß er den trefflichen Adelbar als seinen Nachfolger anerkenne. Der Kaiser willigte ein, Ulrich legte den Hirtenstab nieder, zog das arme Gewand des hl. Benedikt an und lebte nur mehr dem Gebet; allein eine Synode zu Ingelheim mißbilligte diese Amtsübergabe. Da zeigte sich Ulrich`s Demut und Gehorsam in gleicher Vollkommenheit. Er vertauschte das Ordenskleid wieder mit dem bischöflichen Gewand und blieb Bischof, bis der Tod ihn für immer dispensierte. Im Gefühl des nahen Scheidens ließ er sich in die Kirche tragen, hörte die heilige Messe, befahl sein Hab und Gut dahin zu bringen – einige Chorkleider, etwas Tischzeug, zwei Mäntel und zehn Schillinge baren Geldes waren der ganze Besitz dieses hoch gestellten Bischofs und Reichsfürsten Deutschlands – und verteilte es unter die Armen. Auf Asche liegend schloß er am 4. Juli 973 im dreiundachtzigsten Altersjahr seine Augen. Ulrich war der erste, welcher zwanzig Jahre nach dem Tode schon von Papst Johannes XV., nach den jetzt in Rom üblichen Formen feierlich heilig gesprochen wurde. Denn bis dahin wurden ausgezeichnete Diener Gottes, für deren Heiligkeit Gott selbst durch Wunder Zeugnis abgelegt hatte, ohne Anfragen in Rom bloß auf Übereinstimmung der Geistlichkeit und des Volkes als Heilige verehrt.
Ulrich wird abgebildet als Bischof mit einem Fisch in der Hand, aus folgendem Grund: Konrad, Bischof von Konstanz, war auf Besuch in Augsburg. Die zwei innigen Freunde speisten am Abend eines Donnerstags mit einander und setzten ihre geistlichen Gespräche fort bis Freitag in der Frühe. Da kam ein Eilbote des Herzogs von Bayern. Ulrich erteilte ihm sogleich Bescheid und gab ihm vom Tisch ein Stück Fleisch mit auf den Weg, nicht bedenkend, daß es schon Freitag sei. Der Bote, ein Bösewicht, brachte dem Herzog den Bescheid und schimpfte weidlich: „Ulrich ist ein Heuchler, schwelgt ganze Nächte, ißt Fleisch an Fasttagen, hier ist mein Beweis.“ Er zog das empfangene Fleisch hervor; allein – es war ein Fisch. So rettete Gott durch ein Wunder die Ehre seines Dieners und beschämte den Verleumder. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 503 – S. 506