Die Verfolgung insbesondere der Jesuiten
Um die Kirche zu stürzen, glaubten die Feinde Gottes ganz richtig, daß der Anfang mit der Geistlichkeit und zwar zuallererst mit den Ordensgeistlichen zu machen sei. Friedrich II., König von Preußen, der mit jenen gottlosen Philosophen in engster Verbindung stand, hatte selbst dem Voltaire diesen Rat erteilt und zugleich angegeben, wie er leicht auszuführen wäre. „Sind einmal die Klöster, diese Asyle des Fanatismus (der Religion), zerstört“, schrieb er ihm, „dann erkaltet nach und nach der religiöse Eifer beim Volke, und man darf sich mit Erfolg an die übrigen Geistlichen und selbst an die Bischöfe machen; diese sind nach dem Falle der Ordensleute nur kleine Buben, mit welchen die Monarchen nach Gefallen umspringen können.“ Das Mittel dahin zu gelangen, sei, den Regierungen vorzustellen, wie die Aufhebung der reichen Klöster, Stifter und Abteien das einzige Mittel wäre, die übergroßen Staatsschulden zu decken. „Die Lockspeise“, so fügte er bei, „welche reiche Abteien und gut fundierte Klöster darbieten, ist verführerisch.“-
Vor allem lag es den Wühlern am Herzen, den Orden der Jesuiten zu beseitigen; solange dieser bestände, urteilten sie, wäre an das Gelingen ihres Planes nicht zu denken, schon aus dem Grunde, weil fast in allen christlichen Königreichen die Erziehung der Jugend in ihren Händen lag; denn wer die Jugend hat, der hat die künftige Generation. Daher schrieb d`Alembert an Voltaire: „Sind dieses Jahr die Jesuiten eines gewaltsamen Todes gestorben, so sehe ich im folgenden Jahre die Toleranz begründet, die Priester verheiratet, die Beichte abgeschafft und den Fanatismus zugrunde gerichtet, ohne daß man es gewahr wird.“ Ebenso schrieb Voltaire selbst (1761) an den schamlosen Helvetius: Haben wir einmal die Jesuiten vernichtet, so haben wir alsdann mit der Infamen (der christlichen Religion) gutes und leichtes Spiel.“ (1) Auf die Gesellschaft Jesu entluden sich wie ganze Wolken die giftigen Pfeile des Witzes und der Verleumdung. Außer zahllosen Schriften, deren Verfasser reichlich bezahlt wurden, kamen die schändlichsten Gemälde und Kupferstiche in Umlauf. Dabei leisteten die Jansenisten, welche in den Jesuiten die immer schlagfertigen Gegner ihrer falschen Lehre hassten, jenen Philosophen die besten Dienste. (2)
In Portugal, diesem echt katholischen Land, sollte die Verfolgung beginnen und damit den andern katholischen Reichen das Signal gegeben werden. Hier fand sich der rechte Mann zur Ausführung. Es war der Minister Carvalho, Marquis von Pombal, ein Mann, der zur Befriedigung seiner Herrschsucht und Rachgier vor keinem auch noch so großen Verbrechen zurückschreckte, der das portugiesische Volk in den größten Jammer stürzte, während dessen Schreckens-Herrschaft mehr als 9000 schuldlose Menschen darunter die ansehnlichsten Familien, meist durch grausame Haft ihr Leben einbüßten, kurz ein Mann, dem alle Mittel gut waren zur Erreichung seiner Zwecke. Schon war es ihm gelungen, als 1750 Portugal einige Besitzungen in Paraguay durch Tausch erwarb, die dortigen Jesuiten mit barbarischer Grausamkeit von ihren teuren Indianern wegzureißen. Bald fand er Gelegenheit, sie aus ganz Portugal und allen portugiesischen Besitzungen zu vertreiben. Als 1758 auf den schwachen König Joseph Manuel ein Mordanschlag gemacht wurde, beschuldigte Pombal die Jesuiten trotz ihrer weltbekannten Unbescholtenheit der Teilnahme, ließ alle ihre Häuser mit Soldaten umstellen und aufs genaueste untersuchen, konnte aber durchaus nichts Verdächtiges finden. Nichts desto weniger wurde das Verdammungs-Urteil gegen sie ausgesprochen; man erklärte die Mitglieder für Rebellen, Verräter und Feinde des Königs, verwies die des Landes und verbot allen Untertanen bei Todesstrafe, sie aufzunehmen. Die Vollstreckung des Urteils geschah mit unmenschlicher Härte. Wie schwere Verbrecher wurden die Mitglieder von Kerker zu Kerker geschleppt, dann auf Schiffe gepackt und an den Küsten des Kirchenstaates hilflos ausgesetzt; 124 behielt man in grauenhaften, unterirdischen Gefängnissen zurück.
Um durch ein schauerliches Schauspiel vor den Augen des Volkes seine Maßregeln zu rechtfertigen, ließ Pombal den 72jährigen P. Malgrida, der 30 Jahre lang als wundertätiger Apostel unter den Wilden Amerikas gewirkt hatte und bei hoch und niedrig im größten Ansehen stand, nach dreijähriger schrecklicher Kerkerhaft dem Gerichtshof der Inquisition übergeben. Präsident dieses Gerichtshofes war damals der gleich gesinnte Bruder Pombals und seine Mitglieder Pombals Kreaturen. Auf Grund zweier Schriften hin, welche der ehrwürdige Greis im Gefängnis abgefasst haben soll, von denen aber die Welt niemals etwas gesehen, ward derselbe als Ketzer und Gotteslästerer zum schmachvollsten Tod verurteilt. Er wurde (1761) gehängt, sein Leichnam verbrannt, und die Asche in den Tejo geworfen. Von diesem Urteil wider den berühmten Missionar, den selbst die Engländer den „Apostel von Brasilien“ nannten, sagte sogar Voltaire: „Das Übermaß von Lächerlichkeit und Unsinn sei darin mit jenem des Schrecklichen vereinigt worden.“ –
Auch Frankreich wurde ein Mordversuch auf den König gegen die Jesuiten ausgebeutet. Am 5. Januar 1757 verübte Franz Damiens diese Schandtat. Derselbe hatte früher bei den Jesuiten gedient, und trotz aller Gegenversicherungen des Mörders genügte das, um den Orden in üblen Ruf zu bringen. Da jedoch alle Anschuldigen und Verleumdungen nicht hinreichten, die Glieder des Ordens als strafbar hinzustellen, so nahm man zu einem andern Mittel seine Zuflucht.(3)
In Portugal hatte man die Heiligkeit des Ordens anerkannt, aber die Glieder als verbrecherisch dargestellt; in Frankreich nun, wo das Ansehen des Hl. Stuhles schon tief untergraben war, geschah das Umgekehrte. Das Parlament scheute sich nicht, zu erklären, daß das Institut, welches die Kirchenversammlung von Trient und eine Reihe von Päpsten gutgeheißen hatten, sei gottlos und billige alle Verbrechen; 1761 verordnete dasselbe die Schließung der Kollegien und verbot die Aufnahme von Novizen. Vergeblich verteidigte eine zahlreiche Versammlung französischer Bischöfe die Jesuiten; vergebens bemühte sich der ausgezeichnete Papst Klemens XIII. (1758-1769) aus allen Kräften, den Sturm, der Unheil drohend heraufzog, zu beschwören, stellte dem König vor, „daß nur die Feinde der Religion es auf die Vernichtung dieses Ordens abgesehen hätten, weil sie solches als notwendig für das Gelingen ihrer Verschwörung erachteten“, und erklärte die Dekrete der französischen Parlamente in einem Konsistorium für nichtig.
Die zahlreichen und gediegenen Verteidigungs-Schriften wurden verboten und verbrannt, 4000 Jesuiten, die ihrem Institut nicht abschwören wollten, wurden 1764 mit rücksichtsloser Härte des Landes verwiesen, ihre Güter eingezogen und teilweise verschleudert, an einigen orten die Kirchen sogar geplündert und entweiht. Gegenüber dem ungerechten Verfahren der französischen Regierung besaß Klemens XIII. den Mut, 1765 durch eine eigene Bulle das Institut der Gesellschaft Jesu noch feierlich zu bestätigen und zu erklären, „daß es im höchsten Grade sowohl in seinem Zweck als in seinen Mitteln Frömmigkeit und Heiligkeit atme.“
Die neue päpstliche Bestätigung hielt den spanischen Minister d`Aranda nicht ab, auch in Spanien die Vertreibung der Jesuiten durchzusetzen. Den Grundsätzen der französischen Freidenker huldigend, trug er kein Bedenken, durch die schändlichsten Umtriebe, namentlich durch unterschobene Briefe den König Karl III., der persönlich den Jesuiten geneigt war, aufs äußerste gegen sie zu erbittern. Mit königlicher Vollmacht ließ er im Jahre 1767 zu nächtlicher Zeit 6000 Jesuiten ergreifen und auf die in Bereitschaft stehenden Schiffe packen, wo sie die härtesten Entbehrungen und Leiden erduldeten, bis sie endlich auf der Insel Korsika gastliche Aufnahme erhielten. Unter Todesstrafe sollte fortan kein Jesuit den spanischen Boden mehr betreten. Zu gleicher Zeit und mit derselben Grausamkeit wurden die Väter des Ordens aus den spanischen Besitzungen Amerikas unter dem Herz zerreißenden Jammer der dortigen Christen hinweggeführt und ihren Leidensbrüdern nachgesendet. Neapel und Parma folgten bald mit ähnlicher Härte diesem Beispiel. –
Die Feinde der Jesuiten glaubten aber, sich ihres Sieges nicht vollkommen freuen zu dürfen, wenn sie nicht vom Papst selbst die förmliche Aufhebung des Ordens erhielten. Sie fühlten wohl die Ungereimtheit eines solchen Ansinnens an den Vater der ganzen Christenheit. D`Alembert selbst schrieb an den König von Preußen: „Es ist possierlich, einem Papst den Vorschlag zu machen, diese wackere Miliz zu vernichten; es ist dies der Vertrag der Wölfe mit den Schafen, wovon die erste Bedingung war, daß sie ihre Hunde von sich entfernten.“ Dennoch drangen die bourbonischen Höfe immer heftiger in den Papst Klemens XIV., der auf Klemens XIII. gefolgt war; sie drohten sogar mit Schisma, bis derselbe ihren ungestümen Forderungen nachgab und am 21. Juli 1773 durch ein Breve die Gesellschaft Jesu aufhob „zur Erhaltung des allgemeinen Friedens“. Mit einem musterhaften Gehorsam gegen das Oberhaupt der Kirche unterwarf sich der Orden, der damals mehr als 22000 Mitglieder zählte, dem Urteile seiner Vernichtung. Der letzte Ordensgeneral Laurentius Ricci starb 1775 im Gefängnis der Engelsburg unter feierlicher Beteuerung seiner und seines Ordens Unschuld; sein Leichnam wurde auf Befehl des Papstes Pius VI. (1775-1799) mit außerordentlicher Pracht zur Erde bestattet. (4)
(1) Merkwürdig sind die Worte eines unverdächtigen Zeitgenossen, des protestantischen Geschichtsschreibers Schoell (Cours d`histoire T. 44. p. 71): „Die Umsturzmänner, welche die Zerstörung der Monarchien beabsichtigten, wollten vor allem die Macht der Kirche zugrunde richten. Um dieses auszuführen, mussten sie dieselbe isolieren, indem sie ihr die Stütze jenes geistlichen Kriegsheeres entzogen, welches sich der Verteidigung des päpstlichen Thrones besonders gewidmet hatte, nämlich die Jesuiten. Dieses ist die wahre Ursache des Hasses, den man gegen diese Gesellschaft hegte. Daher gab auch der Haß und die Verfolgung dieses Ordens Anspruch auf das Recht, sich Philosoph zu nennen.“ Die Monarchen, die sich zur Verfolgung und Unterdrückung der Gesellschaft Jesu hergaben, waren also nur die willfährigen Werkzeuge in den Händen der Philosophen zur Zertrümmerung ihrer Throne.
(2) Eine treffliche Darstellung dieser Wühlereien gibt: Pilatus (Viktor Naumann), Der Jesuitismus. Regensburg 1905
(3) Wie wenig die Verleumdung Glauben fand, zeigen die Worte Voltaires in seinem Schreiben an Dailaville: „Ich würde die ganze Welt zum Vorteil der Jesuiten gegen mich aufbringen, wollte ich sie eines Verbrechens anklagen, in Ansehung dessen ganz Europa und Damiens selbst sie gerechtfertigt hat.“
(4) Eine quellenmäßige Darstellung der Aufhebung der Gesellschaft Jesu und deren Ursachen sieh bei Duhr, Jesuitenfabeln. Freiburg 1904 –
aus: J. Deharbe, Religionsgeschichte oder Beweis für die Göttlichkeit der christlichen Religion, 1907, S. 388 – S. 391