Heiligenkalender
28. Februar
Der heilige Leander Erzbischof von Sevilla
Heroische Tugenden scheinen in der Familie, zu welcher Leander gehörte, erblich gewesen zu sein. Sein Vater Severian erlitt wegen des katholischen Glaubens standhaft schwere Verfolgungen: seine Mutter Theodora zog sich nach dem Tode des gatten in ein Kloster zurück und starb im Rufe der Heiligkeit: seine jüngeren Brüder Isidor und Fulgentius, deren Erziehung er geleitet hatte, sehr berühmte Bischöfe, und seine Schwester Florentina, eine Klosterfrau werden wie er in der ganzen Kirche als Heilige verehrt. Daß es dieser Familie auch nicht an Glanz des Adels fehlte, bezeugt der Umstand, daß der Vater Herzog von Chartagena in Spanien und dessen Schwester die Gemahlin Theoderich`s, des Königs der Goten, war.
Leander erhielt eine treffliche Erziehung und gelehrte Bildung im Kloster zu Sevilla, wo er – verzichtend auf die glänzenden Ehrenstellen, zu denen sein Adel und seine Gelehrsamkeit ihn berechtigten – sich vorbehaltlos dem Dienste Gottes weihte und das ärmlich Ordenskleid des hl. Benedikt nahm. Mehrere Jahre schenkte ihm die göttliche Vorsehung, in der klösterlichen Einsamkeit sich durch tägliche Selbstverleugnung, durch eifriges Gebet und anhaltendes Studium auf eine hohe Stufe der Vollkommenheit empor zu arbeiten. So sehr sich seine Demut anstrengte, die seltenen Vorzüge seines Geistes und Herzens verborgen zu halten, so strahlte ihr Glanz dennoch weit hinaus über die klösterlichen Mauern und veranlaßte das Volk, ihn einstimmig auf den erledigten Bischofsstuhl von Sevilla zu erheben, zum größten Segen für ganz Spanien auf Jahrhunderte lang. Mit zitterndem Herzen vertauschte Leander die geringe Zelle mit dem bischöflichen Palast, in welchem er jedoch die abgetötete Lebensweise des Mönches in Nichts änderte. Das Hauptziel seines bischöflichen Strebens war die Erhaltung und Verbreitung des katholischen Glaubens. Denn die Goten, welche schon seit 150 Jahren Spanien beherrschten, huldigten der Ketzerei des Arianismus, hassten die Katholiken und erzielten durch ihre Gewalttätigkeit wüste Unordnung und zahlreichen Abfall. Leander erhob mit durchschlagender Macht seine beredte Stimme, befestigte die Rechtgläubigen in ihrer Glaubenstreue und gewann in kühnem Kampf mit den Goten selbst viele Irrende für die katholische Wahrheit. Die erfreulichste Beute war Hermenegild, der Kronprinz des Königs Leovigild. Darüber geriet der König in solchen Zorn, daß er den Leander mit den übrigen Bischöfen aus dem Reiche verbannte, mit verschärfter Härte die Katholiken unterdrückte und den Hermenegild einkerkerte, um ihn zum Abfall zu zwingen. Doch dieser blieb standhaft gegenüber den Drohungen, Schmeicheleien und Verführungskünsten des Vaters, der ihn im Gefängnis zu ermorden befahl, weil er sich entschieden geweigert, aus der Hand eines arianischen Bischofs die heilige Kommunion zu empfangen.
Furchtbar gärte der Hass und die Aufregung zwischen den Katholiken und Arianern, Leander war nach Konstantinopel zum Kaiser gereist, ihn um Hilfe und Vermittlung für seine bedrängten Glaubensgenossen zu bitten, und verbreitete von ihm verfaßte Schriften zur Bekehrung der Arianer im ganzen Lande. Damals schloß er die so innige Freundschaft mit dem päpstlichen Gesandten, welcher einige Jahre später unter dem Namen „Gregor der Große“ auf dem Stuhle des hl. Petrus die katholische Welt mit Bewunderung erfüllt hat. Inzwischen erkannte König Leovigild, geängstigt von bitteren Vorwürfen des Gewissens und von dem blutigen Schatten des gemordeten Sohnes, seine grausamen Missgriffe, bereute seine Ungerechtigkeiten, gab den Katholiken die geraubten Kirchen und Güter zurück, erlaubte den vertriebenen Bischöfen und Priestern freie Heimkehr und versöhnte nach Kräften die entzweiten Gemüter. Als er bald darauf in eine tödliche Krankheit fiel, beschied er Leander an sein Sterbebett, empfahl ihm seinen Sohn und Thronfolger Reccared, und bat ihn unter Tränen, demselben der gute Freund zu werden, der er dem Hermenegild gewesen war. Ob es dem hl. Bischof gelungen, den sterbenden König mit der heiligen Kirche auszusöhnen, ist nicht gewiß; aber das ist gewiß, daß unter seiner Leitung der junge Reccared ein ausgezeichneter Regent und eifriger Katholik wurde. Schon zehn Monate nach seiner Thronbesteigung berief der neue König die arianischen und katholischen Bischöfe und die Großen des Reiches nach Toledo und legte ihnen die Beweggründe, warum er und sein ganzes Haus zur katholischen Kirche übergetreten sei, mit lichtvoller Klarheit vor. Die meisten arianischen Fürsten und Geistlichen mit dem Volke folgten seinem Beispiel.
Die Seele dieses großen Werkes war Leander, welcher mit wunderbarer Weisheit und Umsicht Gesetze und Anordnungen machte, um die mit dem Arianismus eingeschleppten Missbräuche und Laster zu entfernen, die Sitten der Priester und Alien zu veredeln, die Feier des öffentlichen Gottesdienstes zu verschönern und die allgemeine Bildung zu fördern. Ihm gebührt das unsterbliche Verdienst, daß ohne Gewalt und Zwang, nur durch innere Überzeugung und durch die Macht seines Ansehens und seiner Heiligkeit die Bekehrung einer so mächtigen Nation bewirkte und den Arianismus ganz vernichtete, welcher der Kirche Jesu Christi während fast dreihundert Jahren unbeschreiblichen Schaden und namenlose Leiden verursacht hatte.
Groß war die Freude des heiligen Papstes Gregor des Großen über die herrlichen Triumphe, welche sein innigst geliebter Freund Leander in Spanien feierte, er schickte ihm das erzbischöfliche Pallium und widmete ihm seine schriftliche Erklärung des Buches Job; in seinem Begleitschreiben drückte er seine besondere Verehrung gegen ihn aus mit den Worten: „Ich schicke dir das Pallium… bei diesem Anlass sollte ich dir auch Regeln zu einem heiligen Lebenswandel geben: allein ich bin glücklich darüber schweigen zu dürfen, weil du meinen Worten durch deine Werke zuvor gekommen bist.“ Gewiß ein herrliches Lob aus dem Munde des so würdigen Statthalters Jesu Christi! – Nach einer beständigen Überlieferung der Spanier hat dieser Papst dem hoch geschätzten Leander das kostbare Muttergottes-Bild geschenkt, welches der hl. Evangelist Lukas gemalt haben soll, und welches heute noch in Guadalupe hoch verehrt wird.
Der Erzbischof, dem Leibe nach von Alter und Gichtschmerzen gebrochen, dem Geiste nach noch kräftig und lebhaft, arbeitete eifrig fort an der Befestigung der herrlich aufblühenden Kirche Spaniens, bis der himmlische Hausvater dem 80jährigen Arbeiter in seinem Weinberg den verheißenen großen Lohn ausbezahlte 597. Die Christenheit hat ihm den wohl verdienten Ehrentitel „Kirchenlehrer“ dankbar zuerkannt. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 148 – S. 150