Über den praktischen Indifferentismus

II. Über den praktischen Indifferentismus.

Täuschet euch nicht! Gott lässt seiner nicht spotten, Gal., c. VI. v. 7.

Der religiöse Indifferentismus, wie wir ihn das letzte Mal betrachtet haben, ist ein offenes Brandmal der tiefsten Schmach für den vernünftigen Menschen, weil er keine vernünftige Grundlage hat, weil er gegen alle Vernunft ankämpft, weil er den Menschen selbst als ein zweckloses Wesen, somit als ein Unwesen, als das Ungeheuer hinstellt, das in der ganzen Schöpfung nicht seinesgleichen findet.

Der religiöse Indifferentismus ist aber zugleich auch ein sakrilegisches Verbrechen, weil er die Kirche, die Religion, den Glauben und Gott selbst auf die entehrendste Weise verachtet. Das ist der religiöse Indifferentismus, wie er im Gedanken des Geistes liegt, und im lebendigen Worte des Mundes, oder im toten Buchstaben der Feder und der Presse sich ausdrückt, das ist der theoretische Indifferentismus.

Wie aber die Theorie, so ist auch die Praxis; wie die Grundsätze, so das Leben. Darum sehen wir auch, wie der verheerende Strom dieses theoretischen Indifferentismus unserer Zeit in immer steigender Höhe und Breite mit reißender Schnelligkeit in das Leben selbst sich ergießt, alle Gefilde der Kirche und des Staates überschwemmt und verwüstet, und alles mit den Trümmern seiner Zerstörung bedeckt; mit frevelhaften Verbrechen gegen Gott, gegen die Religion, gegen die Kirche, und eben dadurch mit immer drohender sich auftürmenden Ruinen im Völkerleben, im Gemeindeleben, im Familienleben, im Leben des einzelnen Menschen.

Und der Indifferentist stellt sich hin an diese Ruinen, und schaut sich dieselben an wie notwendige Schicksalswechsel, ohne Sinn und Gefühl, ohne Verstand und Glauben für Verdienst und Schuld, für Belohnung und Strafe, für das vergeltende Walten eines höheren Wesens in einer höheren Ordnung der Dinge; gleichgültig im Verbrechen, gleichgültig in der Strafe, gleichgültig im eigenen und fremden Verderben, gegenüber seinem Gott, der Religion, der Kirche und der bürgerlichen Gesellschaft.

Das ist nun der praktische Indifferentismus: ein tiefstes Versunkensein, eine leichenartige Unempfindlichkeit, eine todeskalte Gleichgültigkeit des Geistes bei einem durch und durch sündhaften Leben.

Die vier Sätze des Indifferentisten

Das Leben des Indifferentisten in Worte gefasst, liegt in folgenden vier Sätzen:

– Ich sündige gegen Gott, so viel ich will; er straft mich nicht.

– Ich sündige gegen die Religion, so viel ich will; dies sind keine Sünden.

– Ich sündige gegen die Kirche, so viel ich will; ihre Gebote sind Menschensatzungen.

– Überhaupt ist, was man Sünde nennt, höchstens eine Kleinigkeit, eine ganz natürliche Schwachheit.

Hierauf antworte ich heute mit dem Wort des Völkerapostels: Täuschet euch nicht! Gott lässt seiner nicht spotten!

Und die Wahrheit dieses Wortes will ich nun aus der Vernunft, aus dem Glauben und aus der Geschichte nachweisen.

O Herz meines Gottes, Herz der Erbarmung und Liebe, Herz Jesu, begleite dein Wort mit dem Segen deiner Gnade! Ich beginne etc.

Erster Satz des Indifferentisten

Ich sündige gegen Gott so viel ich will, er straft mich nicht.

Denn was mag sich wohl das unendliche Wesen um das Tun und Lassen eines Menschen kümmern, der heute blüht und morgen verwelkt, wie die Blumen des Feldes, und dessen Leben ohnehin für Gott von gar keinem, weder guten, noch schlimmen Einfluss sein kann. So spricht das Leben des Indifferentisten.

Täuschet euch nicht! Gott lässt seiner nicht spotten! Denn Gott kann gegen das Wahre und Falsche, gegen das Recht und Unrecht, gegen das Gute und Böse, gegen das Ja und Nein nicht gleichgültig sein, und so sich selber verleugnen, wie der Indifferentist; sondern die ewige Wahrheit muss jede Lüge, die ewige Gerechtigkeit muss jedes Unrecht, die ewige Heiligkeit muss jedes Böse, die ewige Vollkommenheit muss jeden Widerspruch notwendig ewig hassen, und ewig strafen, wenn nicht der Barmherzigkeit zur bestimmten Zeit, am bestimmten Ort und auf die bestimmte Weise wahre Buße entgegenkommt. Ebenso müssen diese Vollkommenheiten Gottes das Wahre, das Recht, das Gute, die Ähnlichkeit und Gleichförmlichkeit mit ihnen notwendig lieben, aufrecht erhalten, schützen, fördern, vollenden und belohnen.

Das fordert die Natur und das Wesen dieser Vollkommenheiten Gottes, und Gottes allwissende, fürsorgende, alles regierende Allmacht muss alle Anforderungen derselben im festgesetzten Augenblick in der Tat selbst verwirklichen. So wahr also Gott die unendliche Wahrheit, Gerechtigkeit, Heiligkeit, Vollkommenheit und Allmacht ist, ebenso wahr muss und wird jeder nicht rechtmäßig gesühnte Frevel gegen Gott gestraft werden. Das sagt uns nicht nur der Glaube, sondern auch die gesunde Vernunft.

Gott musste sich bei der Schöpfung des freien Menschen notwendig einen Zweck gesetzt haben, denn ohne Zweck zu handeln ist die Sache der Toren, und dieser Zweck kann letztlich kein anderer sein, als neben der Beseligung des Menschen Gottes Verherrlichung, weil sich sonst Gott als letztes Ziel und Ende aller Wesen selbst aufgeben würde. Diesen Zweck aber muss Gott notwendig erreichen, weil er sonst ein unnützes, zweckloses Werk vollbracht hätte, was seiner Weisheit und Allmacht widerspricht.

Es steht also dem freien Menschen nicht frei, ob er Gott verherrlichen wolle oder nicht, sondern nur, ob er Gottes Liebe durch Unschuld, oder Gottes Erbarmung durch Buße, oder Gottes heilige Gerechtigkeit durch Strafe verherrlichen werde. Verschmäht er die Liebe und Erbarmung, so muss er von der Gerechtigkeit gestraft werden. Auch dies sagt uns der Glaube und die Vernunft. Das sagt uns aber auch die Geschichte.

Judas hat gegen Gott gefrevelt, und Christus an seine Feinde verkauft und verraten. Er überlebte nicht die Wirkung seiner Tat; er erhängte sich selbst und stürzte in den Abgrund. Und Judas war ein Apostel!

Pilatus hat gegen Gott gefrevelt, und aus feiger Menschenfurcht Christus zum Tode verurteilt. Er starb im Elend als Selbstmörder. Und Pilatus war ein hoher Staatsbeamter!

Herodes hat gegen Gott gefrevelt, und dem Jesuskind nach dem Leben gestrebt. Er ist bei lebendigem Leib ein Fraß der Würmer geworden. Herodes Antipas hat gegen Gott gefrevelt, und Christus in seinen Leiden mit seinem Kriegsheer verspottet. Er verlor Thron und Herrschaft, und starb in der Verbannung als Selbstmörder. Und beide Herodes waren Könige!

Jerusalem hat gegen Gott gefrevelt, und Christus aus seiner Mitte hinausgestoßen. Es wurde vom Feinde geschleift, dass kein Stein auf dem anderen geblieben. Und Jerusalem war die Lieblingsstadt Gottes!

Das jüdische Volk hatte gegen Gott Jahrhunderte lang alle möglichen Frevel begangen, und zum Vollmaß den Gottesmord verübt unter dem entsetzlichen Schrei: Sein Blut komme über uns und unsere Kinder! (Matth. c. XXVII. v.25) Jetzt ist es unter alle Völker der Erde verbannt, ohne Königtum, ohne Vaterland, ohne Tempel, ohne Opfer, ohne Priestertum, und jedes einzelne Glied der immerwährende Beweis, wie Gott die Frevel gegen seine Majestät selbst an einem ganzen Volk straft.

Das Leben des Indifferentisten sagt:

Ich sündige gegen die Religion so viel ich will; dies sind keine Sünden, eben weil man in jeder Religion selig werden kann.

Täuschet euch nicht! Gott lässt seiner nicht spotten! Denn Gott hat die Wahrheiten der Religion, die Gesetze der Religion, die Heilsmittel der Religion, mit einem Worte: Gott hat den Einen vollen und werktätigen Glauben als das einzige und als das notwendige Mittel, zur Seligkeit zu gelangen, geoffenbart, und an die Festhaltung des Glaubens, an die Beobachtung aller seiner Gesetze, und an den wirklichen Gebrauch seiner Heilsmittel die Erlösung, die Rechtfertigung und das ewige Heil geknüpft mit den Worten: Wer nicht glaubt, der ist schon gerichtet (Joh. c. III.v. 18), der wird verdammt werden. (Mk. c. XVI.v. 16)

(So wenig also Gott gleichgültig sein kann gegen das ewige Heil oder Verderben des Menschen, ebenso wenig kann er gleichgültig zusehen, ob der Mensch dieses einzige Mittel des Heiles, die Religion achtet oder verachtet, gebraucht oder nicht gebraucht; sonst hätte Gott ja durch seine Offenbarung ein völlig unnützes und zweckloses Werk gestiftet, was sich mit seiner Weisheit und Heiligkeit unmöglich verträgt.)

So wahr also Gott die Religion als das einzige und darum unumgänglich notwendige Heilsmittel geoffenbart hat, ebenso wahr muss und wird jeder nicht rechtmäßig gesühnte Frevel gegen diese Religion notwendig gestraft werden. Das sagt uns nicht nur der Glaube, sondern auch die gesunde Vernunft. Das sagt uns aber die Geschichte:

Saul, der König von Israel, hat sich in das Opfer eingemischt, und er verlor deshalb für sich und sein ganzes Geschlecht Reich und Krone.

Balthasar, der König von Babylon, schwelgte aus den heiligen Gefäßen des Tempels, und in derselben Nacht noch wurde Babylon von den Medern und Persern überfallen und erobert und der König ermordet.

Die Philister hatten im Krieg mit Israel die hl. Bundeslade entführt, und eine wütende Pest tötete die Einwohner, und ein verheerendes Ungeziefer verwüstete die Felder und Dörfer ihres Landes. (I. Reg. c. V.)

Die Königsfamilien von Israel und Juda fielen eine nach der andern ab von der geoffenbarten Religion, und eine nach der andern, sie alle wurden ausgeschlossen vom Königtum, und fanden ihr Ende durch einen gewaltsamen Tod.

Dieses Volk selbst, vom Herrn auserwählt und so wunderbar geführt und beschützt, wurde, so oft es gegen die Wahrheiten, gegen die Gesetze der göttlichen Religion sich versündigte, und die Hügel Palästinas mit dem Götzendienst befleckte, mit Seuchen, mit Hungersnot, mit der Verwüstung des Landes und der Ortschaften von Feindeshand, und durch gewaltsame Wegführung in die Gefangenschaft gestraft. Die Geschichte dieses Volkes aber, seiner Könige und einzelner Mitglieder ist die Geschichte aller Völker, Fürstenfamilien und einzelner Menschen. Blind und taub und gefühllos gegen solche Gottesgerichte kann nur der Indifferentist sein.

Im Leben des Indifferentisten liest man weiter:

Ich sündige gegen die Kirche so viel ich will; ihre Gebote sind ja nur Menschensatzungen.

Täuschet euch nicht! Gott lässt seiner nicht spotten. Denn Jesus Christus hat den ganzen Schatz seines Erlösungswerkes für alle Menschen aller Orten und Zeiten in der heil. Kirche niedergelegt, und darum auch ihr seine Autorität, seine Vollgewalt, seine Sendung übertragen und vor der ganzen Welt erklärt: Wer euch hört, der hört mich, wer euch verachtet, der verachtet mich, wer aber mich verachtet, der verachtet den, der mich gesandt hat. (Luk. c. X. v. 16.) Und: Wenn jemand die Kirche nicht hört, so sei er dir wie ein Heide und öffentlicher Sünder. (Matth. c. XVIII. v. 17.)

Wer also gegen die Kirche sündigt, frevelt gegen Gott, dessen Kirche sie ist. Weil der Glaube und die Religion, das ganze Gotteswerk der Erlösung und des Heiles in der Kirche liegt; so muss Gott für die Kirche, wie für die Religion, wie für den Glauben, wie für sich selbst einstehen, und die verletzenden Frevel gegen dieselben bestrafen. Es ist auch ein großer Irrtum, und für einen Katholiken eine große Schmach, wenn er sagt: Kirchengebote sind Menschensatzungen, weil er dadurch an den Tag legt, dass er seine eigene Kirche gar nicht kennt.

Denn nehmen wir z. B. gerade jene Gebote, welche am öftesten und frevelhaftesten verletzt werden, das Fastengebot, und das der Sonntagsheiligung.

Das Fastengebot ist ein wahres Gottesgebot, und zwar das allererste Gebot, das Gott dem Menschen schon im Paradies gegeben hat. Das Fastengebot war im ganzen alten Bund von Gott selbst auf das Genaueste bestimmt, und von gewissen Gattungen der Speisen musste sich sein Volk das ganze Leben lang enthalten: Christus selbst hat von den Seinen im neuen Bund den Ausspruch getan: Wenn ihnen der Bräutigam (Christus) genommen sein wird, dann werden sie fasten. (Matth. c. IX. v. 15.) Die Apostel haben gefastet, die ersten Gläubigen haben gefastet, die ganze Kirche hat gefastet durch alle Jahrhunderte herauf bis auf diese Stunde.

Das von Gott gegebene Fastengebot ist also, wohl nach Umständen verschieden gestaltet, aber niemals aufgehoben worden. Wenn also die heilige Kirche, mit göttlicher Vollmacht ausgerüstet, und vom hl. Geist geleitet, die Beobachtung dieses Gebotes im bestimmten Maße fordert, kann man dieses Kirchengebot Menschensatzung nennen?

Ferner hat Christus für alle Menschen ohne Ausnahme das fürchterliche Wort gesprochen: Wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle auf gleiche Weise zu Grunde gehen. (Luk. c. XIII. v. 3.) Denn wir alle sind geborene Sünder und persönliche Sünder. Also ohne Buße kein Heil. Buße tun ist somit ein schwer verbindendes Gottes Gebot. Wer sagt uns nun, was für eine Buße, und wie viel Buße wir tun müssen, um dieses Gebot auch nur dem Wesen nach zu erfüllen? —

Wenn nun die Kirche Gottes die Erklärung gibt: Wollt ihr jenem Gebot der Buße wenigstens dem Wesen nach genügen, so müsst ihr wenigstens die Faste beobachten, die ich euch vorschreibe; ist das nun eine Menschensatzung, oder nicht vielmehr die mit göttlicher Vollmacht gegebene Erklärung eines Gottesgebotes selbst?

Im dritten Gebot Gottes wird befohlen, den Tag des Herrn zu heiligen. Wenn nun die Kirche mit göttlicher Machtvollkommenheit die Erklärung gibt: Um dieses Gebot Gottes wenigstens in der Hauptsache zu erfüllen, müsst ihr an diesen Tagen wenigstens von knechtlicher Arbeit abstehen, und dem göttlichen Opfer mit Andacht beiwohnen; ist das Menschensatzung? Und so verhält es sich mit den übrigen eigentlichen Geboten der Kirche; sie alle beruhen auf göttlichen Grundlagen, und wer sie verletzt, hat Gott zum Richter und Vergelter. Und wie züchtigt Gott die Frevel gegen seine Kirche? Das sagt uns die Geschichte.

Das römische Weltreich hat mit seinen Kriegsheeren, mit seinen Wissenschaften und Künsten, mit seiner ganzen Macht drei Jahrhunderte lang gegen die Kirche gefrevelt, sie blutig geschlagen, mit Kerkern und Banden, mit Beraubung, mit Tod und Verbannung verfolgt. Und diese eiserne Weltherrschaft ist in Trümmer zerfallen, und auf diesen strahlt jetzt noch die heilige Kirche in Herrlichkeit.

Asien, das blühende, das mächtige, so lange es der Kirche gehorchte, hat sich wider die Kirche erhoben, und ist jetzt mit Finsternis und Aberglauben geschlagen.

Afrika, das herrliche, das ruhmvolle, solange es der Kirche gehorchte, hat sich wider die Kirche aufgelehnt, und ist ein Land der Räuber und Sklaven geworden.

Deutschland hat vor drei Jahrhunderten, wo es so mächtig und glorreich, die erste Macht der christlichen Welt war, gegen die Kirche sich erhoben, und blutet nun drei Jahrhunderte lang bis auf diese Stunde an inneren und äußeren Wunden, die nie vernarben werden, bis es seine Frevel gesühnt, und mit der Kirche sich ausgesöhnt haben wird.

Vor einigen Jahrzehnten hat Frankreich sich an die Kirche gewagt, und eine ganz Europa erschütternde Strafe ist auf dem Fuße gefolgt, und sein Welteroberer, vor dem Kaiser und Könige gezittert, ist auf der Felseninsel in der Verbannung gestorben.

In jüngster Zeit haben die Völker Europas viel gegen die Kirche gefrevelt, ihre Rechte verletzt, ihre Freiheit gefesselt, ihre Gesetze mit Füßen getreten, sie selbst, ihr Priestertum, ihr Heiligtum und ihre Kinder viel gelästert und verfolgt. Und es brach eine Revolution herein, die ganz Europa erschreckte, dass alle Staatengebäude aus den Fugen gingen, und alle Tore wankten. Aber kaum hatte eben diese Revolution die Kirche angetastet, und sie in ihrem Oberhaupt und Priestertum misshandelt, ist sie also gleich mit Schande und Schmach bedeckt vom Boden Europas wie Asche in alle vier Winde zerstoben.

Und was uns die Geschichte von Völkern erzählt, das würden wir auch in den Gemeinden, in den Familien und in einzelnen Menschen finden, wenn uns ein Blick in das Buch der Vorsehung Gottes gestattet wäre.

Im Angesicht dieser Strafgerichte Gottes sagt nun der Indiffferentist und bekräftigt das Wort mit seinem Lebenswandel: Überhaupt ist, was man Sünde nennt, höchstens eine Kleinigkeit, eine ganz natürliche Schwachheit.

Hierauf zur Antwort: Adam hat einmal gesündigt, und ein ganzes Geschlecht, die Indifferentisten nicht ausgenommen, muss seitdem ein Leben führen, in dem ein Leiden das andere ablöst, und Schmerz auf Schmerz immer neue Wunden schlägt, bis alles im Tode zerfällt; und die ganze Erde ist zum Jammertal geworden. Ist die Sünde eine Kleinigkeit?

Ein Drittteil der Engel des Himmels hat einmal einen Augenblick lang nur im Gedanken gesündigt, und alle diese Legionen so herrlicher Geister sind auf ewig verworfen. Ist die Sünde eine Kleinigkeit?

Und versteht man unter einer Schwachheit der Natur vielleicht die Sünden, die Paulus unter Christen zu nennen verbietet? Nun wohlan! Onan hat eine solche Sünde begangen, und Gott strafte ihn bei der Tat selbst mit dem Tode. Der Mann nach dem Herzen Gottes, David, hat eine solche Sünde begangen, und Todesfälle, Blutschande, Brudermord und Empörung des Sohnes gegen den Vater verwüsteten dessen Haus und Familie.

Die Städte Sodoma und Gomorrha haben solche Sünden begangen, und ein totes Schwefelmeer bedeckt bis auf diese Stunde die Erde, wo sie gestanden, dass kein Grashalm und kein Tierlein in der Nähe zu finden ist.

Zu Noes Zeit hatte alles Fleisch seine Wege verdorben, (Gen. c. VI. v. 13.) und die Sündflut vertilgte das ganze damals lebende Menschengeschlecht bis auf acht Seelen. Und diese Sünde soll eine Schwachheit der Natur sein? Eine Kleinigkeit?

Keine Menschenmenge und ‘keine Engelswürde ist Gott zu groß, wenn er die Sünde straft. Blicke hin, o Sünder! auf Golgotha, auf das Kreuz, und schaue da den Sohn Gottes selbst mit Blut und Wunden bedeckt, mit Schmach gesättigt, von Gott und den Geschöpfen verlassen, mit dem Tode ringen, und wisse: So straft Gott die Sünden selbst an seinem eigenen Sohn, weil er deren Sühnung vor der unendlichen Gerechtigkeit auf sich genommen.

So straft die Sünde Gott, der, weil unendlich gerecht, nicht über Gebühr strafen kann und der, weil unendlich barmherzig, mehr geneigt ist, zu verschonen und zu verzeihen, als zu strafen.

Täuschet euch nicht! Gott lässt seiner nicht spotten. Der Himmel und die Erde, die Engel und die Menschen, die Zeit und die Ewigkeit, die Vernunft und der Glaube, die Geschichte und die Erfahrung zeugen laut von dieser Wahrheit.

Aber was ist denn mir Leides widerfahren? fragt da noch frevelnd der Indifferentist. Auf diese Frage will ich das nächste Mal Antwort geben.

Heute lasst uns, anstatt hochmütig uns selbst zu rechtfertigen, niederfallen vor dem Kreuz, vor dem Lamm Gottes, welches da für die Sünden der Welt, für unsere Sünden büßt, und in Reue und Zerknirschung mit der ganzen hl. Kirche um Gnade und Erbarmung flehen: O du Lamm Gottes, das du hinwegnimmst die Sünden der Welt, verschone uns! O du Lamm Gottes, das du hinwegnimmst die Sünden der Welt, erhöre uns! O du Lamm Gottes, das du hinwegnimmst die Sünden der Welt, erbarme dich unser! Amen. –
aus: Georg Patiß SJ, Kanzelvorträge über unsere fortwährenden Bedürfnisse der Religion, Erlösung und Gnade (Für die Advent- und Fastenzeit), 1856, S. 12- S. 22

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