Die Juden unter der Herrschaft der Seleukiden

Das Volk Israel unter der Herrschaft der Seleukiden

Die zwei Bücher der Makkabäer

Die zwei Bücher der Makkabäer haben ihren Namen davon, daß sie vorzüglich über die Heldentaten und Leiden der makkabäischen Fürstenfamilie (1) und des Volkes Gottes unter deren Führung berichten. – Das erste Buch gedenkt zunächst der tyrannischen Maßregeln des Antiochus Epiphanes (2) zur Ausrottung der jüdischen Religion und erzählt sodann den Widerstand des Priesters Mathathias und die Kämpfe der Juden in Palästina für ihre religiöse Freiheit unter den drei Söhnen des Mathathias: Judas, Jonathan und Simon, 167 bis 135 v. Chr. – Das zweite Buch enthält zunächst zwei Briefe der palästinensischen an die ägyptischen Juden über das von Judas Makkabäus nach der Wiedergewinnung und Reinigung des Tempels eingesetzte Fest der Tempelweihe und das damit verbundenen Fest der Wiederauffindung des heiligen Feuers durch Nehemias (3) sowie eine Vorrede, die besagt, daß das folgende Buch ein Auszug aus dem Geschichtswerk des Jason von Cyrene sei (4). Das Buch selbst (Kap. 3 bis 15) behandelt nach Erzählung eines Versuches, welchen König Seleukus IV. von Syrien 176 v. Chr. machte, den Tempelschatz zu plündern (5), nur einen Teil der im ersten Buch erzählten Geschichte, aber ausführlicher, nämlich vom Beginn der Religionsverfolgung durch Antiochus Epiphanes, den Nachfolger Seleukus‘ IV., bis zur Tempelreinigung und zum Sieg des Judas Makkabäus über den syrischen Heerführer Nikanor, 176 bis 161 v. Chr. (6)

Beide Bücher sind gegen das Jahr 100 v. Chr. verfaßt, da das erste Buch noch kurz der Taten des Johannes Hyrkanus, 135 bis 106, gedenkt, das zweite den zweiten Brief (2. Makk. 1, 10) vom Jahr 123 v. Chr. datiert. – Das erste Buch fand der hl. Hieronymus noch in der hebräischen Ursprache vor; „das zweite“, sagt er, „ist griechisch, was man schon aus den Redewendungen beweisen kann“. Auch deutet darauf die Bestimmung der Briefe und des Buches für die ägyptischen Juden, die griechisch redeten, wie auch das darin benutzte Werk des Jason von Cyrene griechisch geschrieben war.

Um das Jahr 200 v. Chr. ging das Übergewicht, das bisher die Ptolemäer über die Seleukiden (7) behauptet hatten, auf letztere über. Um jenes Jahr entriss Antiochus III. der Große, dem Ptolemäus V. Epiphanes, den größten Teil von Judäa, das von da an gegen 60 Jahre unter der Botmäßigkeit der syrischen Könige blieb, durch die es die schwersten Bedrückungen zu erdulden hatte.

Antiochus der Große und der Tempelräuber Heliodor

Antiochus der Große, 224 bis 187, zwar begünstigte (8) noch die Juden und verlieh ihnen sogar bedeutende Privilegien. Auch sein Son und Nachfolger Seleukus IV., 187 bis 176 v. Chr., erwies sich anfänglich wohlgesinnt und bestritt sogar allen für den Gottesdienst im Tempel erforderlichen Aufwand aus seinen Einkünften (2. Makk. 3, 3). Ein gewisser Simon aber, der unter dem Hohenpriester Onias III. Aufseher des Tempels war und sich in habsüchtigem Missbrauch seines Amtes durch diesen behindert sah, zeigte dem König an, daß ungeheure Schätze im Tempel aufgehäuft seien. Seleukus sandte alsbald (176 v. Chr.) seinen Schatzmeister Heliodor, die Schätze wegzunehmen. Vergebens stellte der Hohepriester diesem vor, daß die vermeintlichen Tempelschätze nur hinterlegtes Gut, größtenteils von Witwen und Waisen seien, im Gesamtbetrag von 400 Talenten Silbers und 200 Talenten Goldes (9), die man an einem so heiligen und in der ganzen Welt geehrten Ort für unbedingt sicher geborgen halte, und es sei unmöglich, dies Vertrauen zu täuschen. Heliodor berief sich auf den bestimmten Befehl des Königs. Da ergriff allgemeine Bestürzung Priester und Volk, und alles rief zu Gott um Hilfe.

Gottes Hilfe kam auf wunderbare Weise

Diese kam in wunderbarer Weise. Denn als Heliodor mit seinen bewaffneten Begleitern in den Ort des Tempelschatzes eindrang, erschien plötzlich ein Reiter in goldener Rüstung, fürchterlich anzusehen, auf einem prächtig geschirrten Pferd, das sich vor dem gottlosen Räuber hoch aufbäumte und ihm mit den Vorderfüßen Schläge versetzte. Neben dem Reiter erschienen noch zwei Jünglinge in glänzendem Anzug und geißelten Heliodor, so daß er zu Boden fiel und bewusstlos hinweg getragen wurde. Laut pries das Volk den Herr, der seine heilige Stätte so wunderbar verherrlicht hatte. Der Hohepriester aber brachte für das Leben des Heliodor Opfer dar, und während Onias noch im Gebet begriffen war, erschienen dem Heliodor auf seinem Schmerzenslager dieselben zwei Jünglinge, die er schon im Tempel gesehen, und sprachen: Denke dem Hohenpriester Onias; denn seinetwegen hat dir Gott das Leben geschenkt. Verkünde außerdem die Macht Gottes, der dich gezüchtigt hat!“ Heliodor folgte der Mahnung, brachte auch Gott Opfer dar und machte ihm große Gelübde. Bei seiner Rückkehr zum König aber verkündete er laut das Wunder des Herrn, das er mit eigenen Augen gesehen. Und als der König davon redete, an seiner Statt einen andern nach Jerusalem zu schicken, erwiderte er: „Wenn du einen Feind oder Nebenbuhler hast, so sende ihn zur Züchtigung dorthin; denn der Herr ist wahrhaft an jenem Ort und schlägt und tötet die, welche in einer bösen Absicht dahin kommen.“ (2. Makk. 3, 23-40)

Anmerkungen:

(1) Sie hießen eigentlich Hasmonäer, von Hasmonai, dem Urgroßvater des Priesters Mathathias. Den Namen Makkabäer erhielten sie von dem dritten Sohn des Mathathias, Judas der den Beinamen Makkabi (Hammer oder Hämmerer) führte, wegen seiner die Feinde zermalmenden Tapferkeit. (1. Makk. 2, 4 u. 66) Dann ist der Name auf alle Israeliten übertragen, die mit jener Heldenfamilie kämpften und litten, wie z. B. die makkabäische Mutter mit ihren sieben Söhnen.
(2) Seit 176 v. Chr.
(3) 1, 1-9 u. 1, 10 bis 2, 19. Die Echtheit, Glaubwürdigkeit und den geschichtlichen Inhalt der „briefe zu Beginn des zweiten Makkabäerbuches“ behandelt ausführlich Herkenne in BSt VIII (1904) 4.
(4) 2, 20-33. Dieser Jason ist uns nicht näher bekannt. Vielleicht ist er mit dem 1. Makk. 8, 57 erwähnten Jason, Sohn des Eleazar, identisch, der als Gesandter nach Rom ging, also wohl der griech. Sprache mächtig war; LB II 610. Cyrene, etwa 800 km westlich von Alexandria in der heutigen Regentschaft Tripolis, Provinz Barka, 30 km vom Meer gelegen, wurde 631 v. Chr. von Griechenland aus gegründet und blühte bald so empor, daß es nach Karthago die zweite Stadt Nordafrikas wurde. Als Ptolemäus Lagi Cyrene mit Ägypten vereinigte, ließen sich auch viele Juden dort nieder. Mit vier andern Städten bildete Cyrene die Pentapolis oder das Fünfstädte-Gebiet, das 97 v. Chr. dem römischen Reich einverleibt wurde. Das Christentum soll durch den hl. Markus nach Cyrene gebracht worden sein, und die Christen von Cyrene waren durch ihre Tugend berühmt. Im 7. Jahrhundert n. Chr. wurde die Stadt durch die Araber erobert und verfiel immer mehr. Nur großartige Ruinen bei dem elenden Dort Grenne (=Cyrene) im westlichen Barka in Tripolis zeugen heute noch von der ehemaligen Größe und Blüte der Stadt. Vgl. KL III 1279.
(5) 3, 1 bis 4, 6.
(6) Während das erste als eine der wertvollsten, den Ereignissen ganz nahe stehende Quelle für die Geschichte des israelitischen Volkes allgemein anerkannt ist, wird die Glaubwürdigkeit des zweiten vielfach bestritten, und zwar sowohl wegen der Wunder und des Pragmatismus als auch wegen gewisser „Widersprüche“ und angeblicher „Unrichtigkeiten“, obwohl zugegeben werden muss, daß es eine Fülle selbständigen Details enthält, an dessen Geschichtlichkeit zu zweifeln kein Grund vorliegt (Schürer). Die Wunder und der Pragmatismus entsprechen aber ganz dem, was in andern biblischen Büchern erzählt wird. Die „Widersprüche“, die sich namentlich in der Zeitrechnung finden sollen, führen sich darauf zurück, daß der Anfang der sog. Seleukidischen Ära (312 v. Chr.) verschieden berechnet wird: in 1. Makk. vom Frühling, in 2. Makk. vom Herbst an. „Unrichtigkeiten“ in Zahlen und geographischen Angaben beseitigt die Textkritik…
(7) Die von Seleukus, einem der Feldherren Alexanders und ersten König von Syrien, abstammenden König von Syrien.
(8) Nach Jospehus, Jüd. Altert. 12, 3, 3
(9) Wohl attische Goldtalente zu 72000 Mark, also über 17 Millionen Mark. –
aus: Schuster/Holzammer, Handbuch der Biblischen Geschichte, Bd. I, Altes Testament, 1910, S. 1029 – S. 1032

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