Ausgießung des Heiligen Geistes

Die Herabkunft des Heiligen Geistes an Pfingsten: Ein wunderschönes Glasfenster des Pfingstereignisses: Die Gottesmutter Maria sitzt auf einem Thron in der Mitte, der Heilige Geist als Taube über ihr; rechts und links von ihr sitzen die Apostel wie Maria in betender Haltung

Die Kirche Jesu Christi in den Tagen der Apostel

I. Die Gründung der Kirche in Jerusalem

Die Ausgießung des Heiligen Geistes

Als der Tag des Pfingstfestes gekommen war (1), am zehnten Tage nach der Himmelfahrt des Herrn, befanden sich alle an demselben Ort beisammen. Da entstand plötzlich vom Himmel her ein Brausen, gleich den eines daher fahrenden gewaltigen Windes, und erfüllte das ganze Haus, wo sie saßen. Und es erschienen ihnen sich verteilende Zungen wie Feuer, und ließen sich auf jedem von ihnen nieder. (2) Und alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt (3) und fingen an, in verschiedenen Sprachen zu reden (4), so wie der Heilige Geist es ihnen auszusprechen verlieh.
Es waren aber damals gottesfürchtige Juden aus allerlei Völkern, die unter dem Himmel sind, in Jerusalem. Als nun diese Stimme erscholl (5), kam die Menge zusammen und entsetzte sich, da sie, ein jeder in seiner Sprache, sie reden hörten. Es erstaunten aber alle und verwunderten sich und sprachen: „Sind denn nicht alle diese, die da reden, Galiläer? Wie hören wir denn ein jeder seine Muttersprache reden? Wir Parther, Meder, Elamiter und Bewohner von Mesopotamien (6), Judäa (7), Kappadozien, Pontus und Asia, von Phrygien und Pamphylien (8), Ägypten und von den Gegenden Libyens bei Cyrene (9), wir Ankömmlinge von Rom (10), wir Juden und Proselyten, Kreter und Araber, wir hören sie in unsern Sprachen die großen Taten Gottes erzählen. Was kann das wohl sein?“ andere dagegen spotteten und sagten: „Sei sind voll süßen Weines!“

Anmerkungen:

(1) Das jüdische Gesetz-Erntefest sollte jetzt in das vollkommene Gesetz- und Erntefest des Heiligen Geistes übergehen, der das vollkommene Gesetz Jesu nicht auf steinerne Tafeln, sondern in die Herzen der Gläubigen schrieb (Hebr. 10,16; vgl. Ir. 31,33; 32,40) Der Heilige Geist ist gewissermaßen selbst die kostbarste Frucht, die Jesus durch seinen Tod und seine Himmelfahrt uns erworben, und hat der ersten Christengemeinde die Erstlinge seiner kostbaren geistigen Früchte (Röm. 8,23) mitgeteilt und hierdurch die große Völkerernte begonnen. Darum auch die einander so verwandten äußeren Erscheinungen an beide Festen. – Der Tag der Herabkunft des Heiligen Geistes war nach dem einstimmigen Zeugnis der kirchlichen Überlieferung, gleich dem der Auferstehung, ein Sonntag. Dem steht scheinbar entgegen, daß (nach Lev. 23,15) die 50 Tage bis Pfingsten vom Tage nach dem ersten Osterfesttag, also vom 16. Nisan an zu rechnen waren, mithin das Pfingstfest auf denselben Wochentag fallen musste wie der 16. Nisan oder zweite Ostertag, also in jenem Jahr auf einen Sonntag. Allein aus Dt. 16,9 sehen wir, daß mit dem Abschneiden der Erstlings-Garben am Tage nach dem ersten Osterfesttag die Getreideernte eröffnet wurde, was jedenfalls am Sabbat unstatthaft war; sie wurde mithin in jenem Jahr auf Sonntag, den 17. Nisan, verschoben, und der 50. Tag danach, der Tag des Pfingstfestes, war ebenfalls ein Sonntag. Wahrscheinlich aber war auch die Osterfeier selbst auf den unmittelbar folgenden Sabbat, den 16. Nisan, verschoben, und eben damit die Eröffnung der Getreideernte auf Sonntag den 17. Nisan.
(2) Es verteilten sich im Saal zungenähnliche Flammen und schwebten über den einzelnen Häuptern. – Diese wunderbaren Zeichen deuteten zunächst die Herabkunft des Heiligen Geistes selbst, dann auch die wunderbaren Wirkungen an, die er in den anwesenden hervorbrachte. Schon im allgemeinen dienen Feuer und Wind, als die am wenigsten körperlichen Dinge, und wegen der ihnen eigenen Kräfte, als Sinnbilder des Geistigen und Göttlichen; so im Alten Testament (Ex. 3, 3. Kg. 19,11f; Ez. 1 u. 2); ähnlich im Neuen Testament (Joh. 3,8; 20,22). – Hier insbesondere deutet der gewaltige Wind auf die Eingießung des Heiligen Geistes, auf die Reinigung der Seele, auf die Fülle des Gnadenlebens und den raschen, entschlossenen Eifer und die unwiderstehliche Gewalt, die er dem Wirken der Apostel verlieh; das Feuer sinnbildet die Erleuchtung ihres Geistes, die Reinigung ihrer Seele von der Sünde und den sündhaften Neigungen, die Entflammung ihres Herzens zu seliger, glühender Liebe Gottes; die Gestalt der Zungen deutete an, daß sie diese Erkenntnis und Liebe durch die Predigt den Menschen mitteilen, hierfür wunderbar beredt gemacht und selbst mit der Gabe der Sprachen ausgerüstet werden sollten. Das Brausen, welches das ganze Haus erfüllte und in der ganzen Stadt gehört wurde, deutete auf die große Fülle und Allgemeinheit, in der im Neuen Bund der Heilige Geist mit seinen Gnaden verliehen werde. Es kam vom Himmel, um hinzuweisen, woher alle Gnade komme, und plötzlich, um uns zu lehren, daß der Geist weht, wann und wo er will, und daß wir stets bereit sein müssen und nicht zögern dürfen, ihn aufzunehmen.
(3) Sie empfingen jetzt den Heiligen Geist nicht mehr bloß unsichtbar und in einzelnen Gnaden, wie z.B. in der Gnade der Sündenvergebung, in der Macht, von Sünden loszusprechen etc., sondern sie empfingen ihn jetzt sichtbar und bleibend, in der Fülle seiner Gnaden, in überschwänglichem Maße. „Die Geistesmitteilung am Pfingstfest zeichnete sic vor jeder andern aus durch ihre Fülle (Intensivität), ihren Umfang (Extensivität) und ihre Unmittelbarkeit“ (Felten, Die Apostelgeschichte 76) Die Wirkungen der Mitteilung des Heiligen Geistes wurden selbst nach außen in wunderbarer Weise sichtbar. Die Hauptwirkung aber beruht darin, daß die Kirche des Herrn sich in einer ihr feindlich gesinnten Umgebung sammelte, behauptete und ausbreitete bis auf den heutigen Tag. „Nun ist der Heilige Geist in das Gebilde von Lehm eingefahren, in die Totengebeine der rechte Geist, der vom Vater und Sohn ausgeht. Nun ist der Geist Christi in der Kirche auf immer, auf immer die wahre, rechte Lehre, die heilskräftigen Sakramente, die gültige Schlüsselgewalt. Mit diesem Geist, mit dieser Lebenskraft aus der Höhe wird die Kirche auftreten, wie Christus aufgetreten ist; sie wird groß werden, allen Druck in die Höhe schnellen, alle Hindernisse überwinden und ihre Siegesbahn laufen. Alles wird sie in diesem Geist vermögen“ (Eberhard, Kanzelvorträge V 9).
(4) „In andern Sprachen“, sagt der griechische Text, nämlich in andern als ihrer eigenen, und in mehreren, verschiedenen Sprachen, so daß die Völker der verschiedensten Zungen sie, jedes in seiner Sprache, sprechen hörten. Diese Sprachengabe sollte auf das offenbarste ihre göttliche Sendung beglaubigen. – Dieses Sprachenwunder sollte auch darauf hindeuten, daß, wie durch die Sünde die Trennung unter die Menschen kam, was sich beim Turmbau von Babel offenbarte, so auch durch den Heiligen Geist die Menschen aller Sprachen und Nationen wieder geeint werden sollten durch die Einheit des Glaubens und der Liebe in der einen universalen Kirche Jesu Christi.
(5) Das Brausen des Sturmwindes. Dieses wurde sonach in ganz Jerusalem vernommen und ging sehr wahrnehmbar von Sion und dem Hause aus, wo die Apostel waren. Dorthin eilte man, ward aber alsbald durch ein neues Wunder in Bestürzung versetzt, indem man die Apostel, die man an ihrer Kleidung oder sonst als Galiläer erkannte, die Menge begeistert in verschiedenen Sprachen anreden hörte.
(6) Länder zwischen dem Indus und Euphrat. – Das Pfingstfest fiel in eine zum Reisen sehr gelegene Zeit; darum fanden sich gerade an diesem Festtag auch aus fernen Ländern zahlreiche Pilger in Jerusalem ein, um ihren Gehorsam gegen das Gesetz zum Ausdruck zu bringen.
(7) Judäa, zwischen Mesopotamien und Kappadozien genannt, dürfte wohl ein Irrtum des Abschreibens sein. Tertullian bietet statt Judäa Armenien.
(8) Asia bezeichnet die römische Provinz des westlichen Kleinasien, 133 v. Chr. Aus dem Reich der pergamenischen Attaliden (Mysien, Lydien, Karien, vorübergehend auch Phrygien) gebildet; die andern Ländern waren ebenfalls Teile Kleinasiens.
(9) Libyen war eine Landschaft an der Nordküste Afrikas, westlich von Ägypten; ihr nordwestlicher Teil hieß Cyrenaika, von seiner Hauptstadt Cyrene.
(10) Für den Römer Theophilus, dem die Apostelgeschichte gewidmet ist, musste die Nachricht, daß schon römische Landsleute bei dem Pfingstwunder zugegen waren, und zwar nicht bloß Juden, sondern auch einzelne Proselyten aus dem Heidentum, von größtem Interesse sein. –
aus: Schuster u. Holzammer, Handbuch zur Biblischen Geschichte, Zweiter Band, Das Neue Testament, 1910, S. 625 – S. 628

Bildquellen

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