Unauflöslichkeit der Ehe und Jungfräulichkeit

Unauflöslichkeit der Ehe: Ein Priester segnet das Brautpaar, das den Bund der Ehe eingehen will

Die Unauflöslichkeit der Ehe und Jungfräulichkeit

Jesus nahm von Samaria seinen Weg nach Jerusalem durch die Gegend jenseits des Jordan, und es folgten ihm viele Scharen nach; er lehrte sie und heilte ihre Kranken. Da traten die Pharisäer hinzu, um ihn zu versuchen, und fragten: „Ist es einem Mann erlaubt, sein Weib zu entlassen um jeder Ursache willen?“ (1)

Er fragte sie dagegen: „Was hat euch Moses vorgeschrieben?“ Sie antworteten: „Moses hat gestattet, einen Scheidebrief zu schreiben und zu entlassen.“ Jesus fuhr fort: „Eurer Herzenshärtigkeit wegen hat euch Moses erlaubt, das Weib zu entlassen. Im Anfang aber war es nicht so; denn Gott, der die Menschen erschuf, hat sie als Mann und Weib erschaffen und gesprochen: Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen. So sind sie also nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was nun Gott verbunden hat, das soll der Mensch nicht trennen:“

Zu Hause fragten ihn die Jünger abermals hierüber. Er antwortete ihnen: „Wer immer sein Weib entlässt (2) und eine andere nimmt, der bricht die Ehe; und wer eine Geschiedene nimmt, bricht (gleichfalls) die Ehe. Und wenn ein Weib ihren Mann entlässt und einen andern heiratet, so bricht sie die Ehe.“ Da sprachen seine Jünger: „Wenn die Sache des Mannes mit seinem Weib sich so verhält, so ist nicht gut heiraten.“ (3)

Er erwiderte ihnen: „Nicht alle fassen dieses Wort, sondern nur die, denen es gegeben ist. Denn es gibt Ehelose, die von Natur aus für die Ehe nicht geschaffen sind; es gibt ferner Ehelose, die für die Ehe untauglich gemacht worden sind; es gibt endlich Ehelose, die um des Himmelreiches willen der Ehe entsagt haben. Wer es fassen kann, der fasse es.“

Die Auflösung der Ehe widerstreitet ihrem Wesen und Zweck nach der erhabenen Idee des Schöpfers, der in der Ehe ein reines Abbild seiner Liebe zur Menschheit, und die Unauflöslichkeit derselben im Interesse dieser Reinheit sowie zum leiblichen und geistigen Heil der Ehegatten selbst, der Kinder und der menschlichen Gesellschaft überhaupt will. Vorübergehend hat zwar Gott solche Scheidungen im Alten Bund geduldet; im Neuen Bund dagegen mit seinen Gnaden muss das ursprüngliche Verhältnis wieder hergestellt werden, ja es wird durch ein Sakrament verklärt.

Die Ehe ist im Neuen Bund ein Sakrament, das die Vereinigung Christi mit seiner Kirche abbildet. (4) Wie Jesus nur eine Kirche als seine Braut kennt und mit ihr unauflöslich verbunden ist (5), so muss es auch hienieden zwischen christlichen Ehegatten sein. Wohl hat man außerhalb der Kirche sich darauf berufen, dass Jesus die Scheidung wegen Ehebruchs gestatte. Allein er gestattet eben nur die Scheidung, d. h. die Trennung der ehelichen Gemeinschaft, bezeichnet aber die Wiederverheiratung bei Lebzeiten des anderen Teiles ausdrücklich als Ehebruch.

Dasselbe lehrt der hl. Paulus in Worten, die jede Missdeutung ausschließen (6): „Den Eheleuten gebiete nicht ich, sondern der Herr: Das Weib soll sich nicht scheiden von dem Mann; wenn sie aber geschieden ist, so bleibe sie ehelos oder söhne sich mit ihrem Mann aus. Ebenso soll der Mann das Weib nicht entlassen. Das Weib ist gebunden, solange ihr Mann lebt; stirbt aber ihr Mann, so ist sie frei, sie heirate dann, wen sie will, nur dass es im Herrn geschehe.“

Hiernach handelte die Kirche auch stets, schon in der apostolischen Zeit und den ersten zwei Jahrhunderten; wir finden nicht die leiseste Spur, dass Ehebruch das Band der Ehe löse, wohl aber Aussprüche, die dieses Band für unauflöslich erklären. So sagt um das Jahr 100 der apostolische Vater Hermas (7): „Der Mann entlasse die unbußfertige Ehebrecherin und bleibe für sich; wenn er aber sein Eheweib entlässt und eine andere heiratet, so bricht er selbst die Ehe.“ Ähnlich sprechen um 140-180 Justin (8), Athenagoras (9), Theophilus (10). Ebenso erklärte die Kirche die Unauflöslichkeit der Ehe nochmals feierlich auf dem Konzil von Trient (11).

Anmerkungen:

(1) Die Schule Schammais sagt: Der Mensch soll sein Weib nicht entlassen, außer wenn er an ihr gefunden hat eine unanständige Sache … Die Schule Hillels: Auch wenn sie sein Gekochtes angebrannt hat … R. Akiba sagt: Auch wenn er eine andere gefunden hat, die schöner ist als sie, wie es heißt: und wenn sie nicht Gnade in seinen Augen findet. (Mischna, Gittin 9, 10.)

(2) Der hl. Matthäus fügt hier (19, 9), ähnlich wie oben (Mt. 5, 32), bei: „Außer wegen Ehebruchs“, um auch hier hervorzuheben, dass eine solche Entlassung nur geschehen dürfe wegen dieser Sünde. Durch diese Entlassung bricht der Mann selbst noch nicht die Ehe, wohl aber, wenn er danach eine andere heiratet; das Band der Ehe bleibt also jedenfalls bestehen, und jede Wiederverheiratung bei Lebzeiten des anderen Eheteils ist Ehebruch.

Diesen Sinn fordert unbedingt die Vergleichung mit Markus und Lukas, wo dies auf das nachdrücklichste gesagt wird, wie der ganze Zusammenhang. Jesus fordert die ursprüngliche Unauflöslichkeit. Betroffen fragen die Jünger nochmals darüber, und da der Herr diese unbedingte Unauflöslichkeit auf das nachdrücklichste bestätigt, erklären die Jünger es für besser, lieber gar nicht zu heiraten.

(3) So sprechen die Jünger in irdischer Auffassung: Besser nicht heiraten, als so gebunden sein. Jesus zeigt ihnen, welch tiefer, gottgefälliger Sinn in ihren Worten liegen könne, nämlich, dass die Wahl der Ehelosigkeit um Gottes willen, um ihm desto besser und ausschließlicher dienen zu können, eine große Gnade Gottes sei. Dieser Stand der Gott geweihten Ehelosigkeit und Jungfräulichkeit ist sonach erhabener als der Ehestand. (Vgl. 1. Kor. 7, 5. 25ff; 32. 34. 38. – Conc. Trid. Sess. XXIV, can. 10)

Nur die wahre Kirche Jesu Christi hat beides, die unauflösliche Ehe, als heiliges Sakrament, und die Gott geweihte Ehelosigkeit und Jungfräulichkeit. Vgl. Denifle, Luther, Mainz 1904, 143 (Lehre des hl. Thomas von Aquin und anderer Lehrer vor Luther über die Räte und das Lebensideal); … Wenn aber immer wieder protestantischerseits von einer „doppelten Sittlichkeit“ als Lehre der katholischen Kirche gesprochen wird, so ist dem immer wieder entgegenzuhalten, dass die Kirche wesentlich immer und allezeit nur eine Sittlichkeit kannte und kennt, nämlich die alle Gegensätze überragende Liebe.

Der Ordensstand stellt also zwar den Stand der Vollkommenheit dar, aber gleichwohl kann die gleiche, ja die höchste Vollkommenheit in jedem Stand erreicht werden. Es ist nämlich ein wesentlicher Unterschied zwischen Zustand und Stand der Vollkommenheit! Der Zustand der Vollkommenheit ist etwas rein Inneres. Er richtet sich danach, inwieweit bei unserem Denken, Reden und Tun Gott als unser höchstes Gut Ziel und Beweggrund dieser Tätigkeiten ist. Wie es mit der Vollkommenheit im Herzen eines Menschen steht, das entzieht sich der menschlichen Schätzung und ist nur Gott bekannt.

Der „Stand der Vollkommenheit“, wie man das Ordensleben nennt, ist etwas rein Äußerliches, dem äußeren kirchlichen Organismus angehörendes. Auch im bürgerlichen und staatlichen Leben kennt man verschiedene Stände: „Professoren-, Soldaten-, Richterstand. Wer einen solchen Stand ergreift, der wählt eine mit Rücksicht auf bestimmte Zwecke gebildete Gruppe von Obliegenheiten für längere oder Lebenszeit zu seiner Berufstätigkeit. Ob nun der im Stande der Vollkommenheit sich befindende Ordensmann wirklich vollkommen ist oder wird, das hängt von seiner größeren oder geringeren Gottes- und Nächstenliebe ab.

(4) Eph. 5, 22-32.

(5) Mt. 28, 20; Offb. 19, 7; 21, 2. 9. Vgl. Mt. 16, 18; Joh. 10, 16; Apg. 20, 28; 1. Kor. 12, 12.

(6) Vgl. Mk. 10, 11. 12; Lk. 16, 18.

(7) 1. Kor. 7, 10. 11. 39.

(8) Past. 2, mand. 4, 1. Apol. I, 45.

(9) Legat. 33.

(10) Ad Autol. 3, 13.

(11) Sess. XXIV, can. 7 de matrim.

aus: Schuster u. Holzammer, Handbuch zur Biblischen Geschichte, Zweiter Band, Das Neue Testament, 1910, S. 379 – S. 381

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