Das Wesen des Christentums

Das Wesen des Christentums: Katholische Kirche in Österreich

Was ist das Wesen des Christentums – Vergöttlichung des Menschen

Was ist Christus, was ist das Christentum? Es ist der Schlussstein am Tempelbau Gottes in der Menschheit, dessen Grundstein in des Menschen Brust gesenkt wurde am ersten Tage der Schöpfung; es ist der Baum des höheren Lebens, dessen Keim die Hand des Ewigen im Paradiese gelegt und der durch die Jahrhunderte hindurch sich entfalten sollte, bis er die höchste, edelste Blüte trug, den Gottmenschen Jesus Christus. Die Blüte aber ist schon im Keime enthalten; so lag der Keim des Christentums schon vom Anfang an in der Menschheit. In der Tat, was ist das Christentum?

Das Christentum ist die höchste, letzte, größte Offenbarung Gottes an die Menschheit. Und was ist alle Offenbarung? Das haben wir gesehen. Alle Offenbarung ist Erziehung der Menschheit, Bildung der Menschheit nach dem Bilde dessen, der sie schuf. Die Offenbarung ist sonach eine Bildung der Menschheit in das Bild Gottes, die Vergöttlichung der Menschheit, was der antike und moderne Pantheismus nur in umgekehrter Weise angestrebt hat. „Ihr seid Hausgenossen Gottes“ (Eph. 2, 19), spricht der Apostel.

Wenn aber das Göttliche den Menschen zu sich heranbilden soll, so muss es zu ihm herantreten. Darum lässt sich Gott immer mehr zum Menschen herab, um diesen zu sich heranzuziehen. Stufenweise lässt sich der Erzieher herab zu seinem Zögling, so senkt sich die Gottheit stufenweise hinein in die Menschheit. Er gibt ihr zuerst von dem Seinigen, sein Wort – das ist der Anfang der Menschwerdung; er gibt ihr seine Propheten, endlich gibt er sich selbst – Gott wird Mensch. Das ist der tiefste Grad der Herablassung Gottes, wie könnte er sich nun noch weiter offenbaren?

Das ist darum die Krone, die Vollendung aller Offenbarung. Darum kann nach Christus keine Offenbarung mehr sein: darum ist das Christentum die höchste, vollkommenste Religion, über die hinaus keine höhere Religion mehr möglich ist. Diese tiefste Stufe der göttlichen Herablassung ist die höchste Stufe der menschlichen Erhöhung. Gott ist Mensch geworden in dem Gottmenschen Jesus Christus, damit nun immerfort die Menschheit in Gott und Gott in der Menschheit wohne. Dieses Wohnen Gottes in der Menschheit und der Menschheit in Gott, das ist das Geheimnis des allerheiligsten Altarssakramentes.

Siehe, sagt die Kirche von diesem Geheimnis, Gottes Wohnung unter den Menschen! Die heilige Eucharistie ist nichts anderes als diese fortgesetzte Herablassung, Menschwerdung Gottes, damit immer fort jeder einzelne Mensch hinaufsteige zu ihm, bleibe in ihm. “Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, bleibt in mir und ich in ihm.“ Darum beginnt der Festkreis der Kirche mit Advent, der Zeit der Erwartung des Erlösers, da Gott die Keime des Christentums ausstreute unter der Menschheit, und schließt mit Fronleichnam, der Krone der Frucht des Christentums.

Jesus Christus ist die Frucht am Baume der Offenbarung. Aber der Baum enthält schon in seinem Keime die Frucht; so war die Menschheit christlich schon am ersten Tage ihrer Geschichte; denn da wurde ihr gesagt, dass einer kommen werde, welcher der Schlange den Kopf zertreten soll (Gn. 3, 15), das heißt, es wurde ihr ein Erlöser von der Sünde und allem Übel verheißen. Und die Menschheit glaubte, hoffte auf diesen Erlöser – Heiland; denn Jesus heißt ja nichts anders als Heiland. Die Menschheit also glaubte von Anfang ihrer Geschichte an Jesus. (1)

Die Völker zerstreuten sich über die Erde, in hundert Sprachen und Stämmen spaltet sich die eine Menschennatur, die Sprachverwirrung zu Babel ist der Ausdruck der Ideen-Verwirrung, der Religions-Verwirrung. Aber alle tragen mit sich hinaus als das gemeinsame Erbe ihrer Väter diesen Glauben, diese Sehnsucht nach dem Erlöser. In hundert Sprachen, Formen, Anschauungen und Gestalten klingt uns aus den Stimmen und Mythen der Völker der Name des Erlösers entgegen.

Dieser Glaube an einen kommenden Erlöser bei allen Völkern ist eine Tatsache so unbestreitbar, gleichmäßig und allgemein, dass selbst Voltaire ihn nicht leugnen konnte. „Es gibt kein Volk“, sagt er, „das nicht auf seinen Erlöser wartet. Wer an diesen kommenden Erlöser glaubte, der glaubte an Christus, der war ein Christ vor der Erscheinung Christi.“ Es ist also der Glaube an den Erlöser ein Gemeingut aller Völker. „Tauet, Himmel, den Gerechten!“ das ist nicht bloß die Stimme in Israel, das ist der Sehnsuchtsruf der ganzen Welt.

(1) „Die Gnade Gottes“, sagt in dieser Beziehung treffend Leo d. Gr. (In Nativ. Dom. Serm. 23, 4), „durch welche alle Heiligen gerechtfertigt werden, ward durch Christi Geburt vermehrt, nicht aber hat sie erst mit ihm begonnen; und so mächtig war dieses große Geheimnis der Liebe schon in seinen Vorbildern, dass jene, welche an die Verheißung glaubten, nicht weniger empfingen als die, welche es aufnahmen bei seinem Eintritt in die Welt.“

Nach der wahrscheinlichen Meinung der Theologen genügt zur Rechtfertigung selbst nach Christi Erscheinen die fides implicita in mysterium SS. Trinitatis et Incarnationis, eingeschlossen in dem Glauben an das Dasein und die Vorsehung Gottes, im Hinblick auf Hebr. 11, 5. Hieraus folgt jedoch keineswegs, als wären alle Religionen gleich fähig, den Menschen zu beseligen. Denn dem Verlangen nach gehört jeder, der nach Hebr. 11, 5 glaubt, der katholischen Kirche an und wird nur durch dieses Verlangen – Begierdetaufe – in Verbindung mit der vollkommenen Liebe gerechtfertigt. Nur die unverschuldete Unwissenheit entschuldigt ihn, nicht aber Gleichgültigkeit.

„Jene“, sagt der hl. Chrysostomus (In Matth. Hom. 36, 3), „welche vor der Ankunft Christi starben, konnten doch selig werden, wiewohl sie ihn nicht (ausdrücklich) bekannten; denn damals wurde der (ausdrückliche) Glaube an Christus und seine Verehrung noch nicht gefordert, sondern nur, dass sie mit Verwerfung der Abgötterei den einen Herrn und Schöpfer anerkannten und ihm dienten. Jetzt aber ist dies nicht genug, sondern man muss ihn ausdrücklich bekennen. Haben sie ein frommes Leben geführt, so gelangen sie zur ewigen Seligkeit, da der Apostel spricht: Ehre, Ruhm und Friede einem jeglichen Menschen, der Gutes tut, dem Juden zuerst und dem Griechen“ (Röm. 2, 10). –
aus: Franz Hettinger, Apologie des Christentums, Fünfter Band, 1908, S. 560 – S. 564

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