Der makellose Leib der katholischen Kirche

Vatikan Petersdom ist Sinnbild der katholischen Kirche

Der fleckenlose Leib der Kirche trotz Glieder mit Makeln

Regierung des Leibes und Regierung der Glieder

Ohne daß (…) die Regierung der Glieder durch das Haupt vernachlässigt würde, bemerken wir überall (Anm:. im Rundschreiben „Mystici corporis“) den Blick auf das Ganze. Dies zeigt sich in mehrfacher Weise.

Christus regiert den Leib, indem er die Glieder leitet, aber auch die Glieder, indem er den Leib regiert. Dies gilt sowohl für die unsichtbare Leitung dort, wo von seinem Eingreifen in das Gesamtschicksal seiner makellosen Braut die Rede ist, und erst recht bei der sichtbaren Leitung, wo er die Glieder durch die Kirche beziehungsweise durch andere Glieder regiert, sei es durch jenes, das ein Haupt mit ihm ist, sei es durch jene, die die vorzüglichsten Glieder der allgemeinen Kirche sind.

Der makellose Leib der Kirche

Wir haben dabei auch eine der Stellen zu verzeichnen, in denen das Rundschreiben den Paulus-Text (Eph. 5, 27) von der glorreichen und fleckenlosen Braut auf die römisch-katholische Kirche bezieht, St. Thomas dagegen, wie übrigens auch St. Augustin, wagt dieses Wort nur auf den jenseitigen Zustand der Kirche zu deuten, da viele Glieder der diesseitigen Kirche mit den Makeln und Runzeln der Sünde behaftet seien.

Wie kommen St. Thomas und das Rundschreiben zu einer so verschiedenen Auffassung?

… Die Makel der Teile braucht nicht notwendig eine Makel des Ganzen zu sein, die Makel der Glieder also nicht notwendig eine Makel des Leibes. Denn da im Gegensatz zu St. Thomas nach dem Rundschreiben auch die Sünder volle Mitglieder des Leibes Christi sind, so ist eben der Leib Christi seinem Wesen nach eine Gesellschaft aus Sündern und Gerechten, aus Auserwählten und Verworfenen, aus Ringenden und Reifen, wie denn auch das Reich Gottes in den Evangelien geschildert wird.

Es ist also offenbar keine Makel des Meeres oder des Netzes, daß es gute und schlechte Fische enthält, keine Makel des Ackers, daß Unkraut und Weizen auf ihm wächst, keine Makel der Herde, daß sie aus Böcken und Schafen besteht. Vielleicht ist das ähnlich zu verstehen, wie es keine Makel einer Heilanstalt ist, daß sie Gesunde und Kranke, Genesende und Hoffnungslose aufnimmt. So ist es keine Makel der Heilsanstalt, der Kirche, daß sie aus Sündern und Gerechten besteht. Die Regierung der Kirche, also des Ganzen, durch Christus bleibt erfolgreich, die Regierung des einzelnen Gliedes nicht immer.

Die Hauptähnlichkeit des Leibes und der Glieder in Bezug auf die Regierung der Kirche

Dazu kommt ein Drittes. Bei Sankt Thomas ist die Regierung der Kirche ein Merkmal des Hauptes, während ihm gegenüber die Glieder die Regierten sind. Nach dem Rundschreiben ist aber das Haupt dem Leib und den Gliedern hierin nicht bloß unähnlich, sondern auch ähnlich. Sowohl einzelne Glieder leiten die anderen, wie auch der Leib, die Kirche, die Glieder lenkt und so die Sendung Christi des Hauptes sichtbar fortsetzt. Hier zeigt sich die holistische Auffassung des Rundschreibens wieder sehr eindeutig. Es sieht nicht bloß die Haupt-Glied-Beziehung, sondern auch die Haupt-Leib- und die Leib-Glied-Beziehung.

Es gibt also nicht bloß ein leitendes Haupt und geleitete Glieder (…), sondern zwischen beiden einen Leib, der vom Haupt geleitet ist und wieder die Glieder leitet, und in diesem Leib sogar ein sichtbares Haupt, das den Leib, und sichtbare Häupter, die Teile des Leibes leiten und dadurch Christus ähnlich, ja einigermaßen sogar eins mit ihm sind.

Gegenseitige Notwendigkeit

Abgerundet wird diese holistische Betrachtungsweise der Kirchenregierung durch den Zug der gegenseitigen Notwendigkeit, die darin besteht, daß Christus bei der unmittelbaren Regierung der Kirche, sei es die sichtbare, sei es die unsichtbare, die Mithilfe seiner Glieder und seines Leibes will und braucht, wie das beim menschlichen Haupt gegenüber dem Leib und den Gliedern der Fall ist.

Konstitutioneller Sinn der Regierung

Man sieht vor allem, wie sehr durch alle diese Züge, zusammen mit dem Zug der gegenseitigen Notwendigkeit, wieder der Gedanke nahe gelegt wird, daß Christus im konstitutionellen Sinn als Haupt und somit als Hauptglied der Kirche zu betrachten sei. Er regierte während seiner Pilgerfahrt auf Erden die kleine Herde persönlich und wahrnehmbar. Er leitet sie heute durch den Papst, der ein Haupt mit ihm, aber zugleich Glied der Kirche ist, i sichtbarer Weise. Er zieht zur Regierung die anderen Glieder heran wie das Haupt die Füße und wird ihnen somit im Punkt Regierung irgendwie ähnlich. Seine von ihm regierte Braut ist makellos wie er. Nun ist er freilich nicht Glied, sondern Bräutigam seiner Braut, nicht Glied, sondern Hirt seiner Herde. Aber der Begriff Glied ist eben einem anderen Bild entnommen als dem des Brautverhältnisses oder der Herde.

Ist er aber vielleicht Glied seines Leibes wie jedes Haupt? Jedenfalls scheint gerade diese zweite Begründung in der so weit über St. Thomas hinaus gehenden Ausgestaltung durch das Rundschreiben ein Schritt zur Annahme jenes Prädikats „Hauptglied“ zu sein, das St. Thomas geprägt hatte, aber nicht auszudenken wagte, obwohl auch er mit St. Augustin und dem Rundschreiben darin einig ist, daß Christus und die Kirche, also das Hauptglied und das Ganze aus den Mitgliedern und Nebengliedern, wenn man so sagen darf, eine einzige mystische Person sind. –
aus: Albert Mitterer, Geheimnisvoller Leib Christi nach St. Thomas von Aquin und nach Papst Pius XII., 1950, S. 150 – S. 153

Bildquellen

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