ULF von Guadalupe Gesang 1 Der Indianer

In Guadalupe steht eine Statue der Muttergottes Maria: von dunkler Hautfarbe

Unsere Liebe Frau von Guadalupe

Gesang 1

Der Indianer

Selig sind die reinen Herzens,

Selig die einfältig Kleinen!

Ihnen mag mit Licht und Klarheit

Gottes Wundermacht erscheinen.

Ihnen mag mit reichster Fülle

Gottes Huld sich offenbaren,

Und durch sie mit seiner Gnade

Segnet er die Menschenscharen.

Um uns sich gleich zu gestalten,

Ist Gott selbst ein Kind geworden;

Uns das Leben zu erwerben,

Ließ er sich am Kreuze morden.

Uns die Wahrheit zu verkünden,

Rief er nicht die stolzen Weisen!

Das Geheimnis der Erlösung

Sollen Kinderlippen preisen.

Boten sind ihm arme Fischer,

Dem geringsten Land entstammet.

Wer euch glaubt, der wird gerettet;

Wer nicht glaubt, der ist verdammet.“

Also hat im Lauf der Zeiten

Oft die Kleinen er entsendet,

Um die Großen zu beschämen,

Die von eitlem Stolz geblendet.

Stolze Eichen er vernichtet

Jäh im starken Sturmeswehen,

Aber aus dem kleinen Senfkorn

Läßt er großen Baum erstehen.

Morgendämmern. Tiefe Schatten

Lagern noch in allen Talen,

Nur des Himmels Rand im Osten

Lichte Purpurstreifen malen.

Die Natur im Schlummer lieget

Unter dichten Schnees Decke;

Ferne noch der Lenzesmorgen,

Der sie neu zu Leben wecke.

Aber nah das Fest der Freude,

Das den Herzen gibt das Leben,

Da der Herr im Kripplein schlummert,

Von der Engel Schar umgeben.

Friedlich liegt in Tales Mitten,

Rings vom Zedernwald umheget,

Cuantitla; schon in den Hütten

Sich das erste Leben reget.

Siehe, da tritt Juan Diego

Aus der Hütte in das Freie;

Auf dem roten Angesichte

Liegt der Andacht heil`ge Weihe.

Denn nach Mexiko zur Messe

Treibt den Frommen sein Begehren.

Samstag ist`s; die Gottesmutter

Will er frommen Sinnes ehren.

Und sein Weib Marie Lucia

Folgt ihm liebend bis zur Schwelle.

„Bete auch für mich ein Ave,

Kniest du an geweihter Erde!“

„Gern“, erwidert Juan Diego;

„Drei statt eines sollst du haben;

Denn wir haben viel zu danken

Gott, dem Spender guter Gaben –

„Und der benedeiten Mutter,

Die den Heiland uns geboren,

Ohne den im tiefsten Abgrund

Rettungslos wir all verloren.

„Lag doch unser Volk, das edle,

Vom Verderben fest umschlungen,

Wie ein Stier zu harter Arbeit

In ein schweres Joch gezwungen.

„Denn wohl waren wir beglücket

Mit dem reichsten Erdensegen,

Fischten froh in See`n und Flüssen,

Jagten frei in Waldgehegen.

„Gold in Fülle gab der Bergschacht,

Reiche Nahrung das Gefilde,

Treu und redlich war der Nachbar

Und der Kaiser voller Milde.

Aber wie ein böses Wetter

Lag auf uns der Aberglauben,

Dräuend, unterm Schein des Guten

Uns das schönste Glück zu rauben.

„Gräulich ist`s, noch zu gedenken,

Wie die Opferfeuer rauchten,

Und die Priester ihre Hände

In die Brust der Menschen tauchten.

„Wie das Herz, noch zuckend, blutend,

Sie empor zum Himmel streckten

Und mit Fluchen, nicht mit Flehen,

Gottes Zorn, nicht Milde weckten.

„Tausend oft an einem Tage

Ließen teuflisch sie verbluten,

Und wir selbst, in blindem Wahne

Schürten noch des Opfers Gluten.

„Denkst du noch des wackern Sohnes?“

„Ach, der Mutter Augenweide!““

„Ach, des Vaters frohe Hoffnung!“

„Ach, der Mutter Trost im Leide!““

„Schön gewachsen wie die Zeder,

Stark und stämmig wie die Eiche.“

„Lieblich wie im Tal die Rose,

Munter wie der Fisch im Teiche.““

„Drum ward für Tetzcatlipocha

Er zum Opfer auserkoren,

Und wir wähnten, wenn er stürbe,

Sei dem Himmel er geboren. (*)

Und so fest gefangen waren

Wir in falschen Wahnes Schlingen,

Daß, als die Befreier kamen,

Uns der Wahrheit Gut zu bringen,

„Gegen unser Heil wir kämpften

Wild mit der Verzweiflung Mute,

Hätten unser Glück, das wahre,

Schier erstickt im eignen Blute.

„Stritt doch in der ersten Reihe

Ich in jener „Nacht der Schrecken“. (**)

Sieh, als Zeichen meines Mutes

Mich die blut`gen Narben decken.

„Aber Gott hat mild gewaltet,

Schlug er gleich uns tiefe Wunde,

Wie das faule Glied man schneidet,

Daß der sieche Leib gesunde.

„Und der heil`ge Priester Gottes

Hat den Glauben uns gelehret

An den Gott in drei Personen,

Den die ganze Schöpfung ehret.

„An das Wort, das Fleisch geworden

Und für uns ans Kreuz geschlagen,

An die liebe, süße Mutter,

Die den Herrn im Schoß getragen.

„Und von Schuld und Sünde wuchsen

Sie uns rein im heil`gen Bade,

Und in ihrer Kirche decken

Täglich sie den Tisch der Gnade.

„Also ward die alte Sage

Reich erfüllt zu unserm Frommen,

Daß Quetzalcoatles Söhne (***)

Einstmals sollten wiederkommen,

„Um vom Fluch der Menschenopfer

Und von jeder Macht des Bösen,

Aus der Nacht des Aberglaubens

Starker Hand uns zu erlösen.

„O, wie selig, nun zu schauen

Zu der Sterne lichten Sphären,

Wo ein Gott in Liebe wohnet,

Den als Vater wir verehren!

„O, wie vor dem Vater

Glaubend, hoffend, liebend knien

Und zum treuen Mutterherzen

Froh in jedemLeide fliehen!

„Gott sei Dank! Nun will ich gehen,

Betend, opfernd ihn lobpreisen,

Und der lieben Gottesmutter

Auch des Dankes Zoll erweisen.“

Sprach des Frommen Weib Lucia:

„Geh mit Gott und seiner Gnade,

Und die liebe Gottesmutter

Sei mit dir auf deinem Pfade!“

aus: Fritz Esser SJ, U.L. Frau von Guadalupe, 1895, S. 3 – S. 11

(*) Tetzcatlipocha, einer der höchsten Götter, dem man schöne Jünglinge opferte, wobei das rauchende Herz der Geopferten zur Sonne empor gehalten wurde. (Dr. J.B. Weiß, Lehrbuch der Weltgeschichte, 1870, S. 67)

(**) Die „Nacht der Schrecken“, noche triste, war die Nacht des 1. Juli 1520, in der Cortez seinen verlustreichen Rückzug aus der empörten Hauptstadt bewerkstelligte. (ebd. S. 86)

(***) Quetzalcoatl, „wahrscheinlich ein vergötterter Mensch, … ein Weißer, der als Reformator in Mexiko auftrat… Er war milden, liebreichen Herzens und verbannte die Menschenopfer.“ Von Tetzcatlipocha verdrängt, wanderte der Gott nach Osten aus mit dem Versprechen, einst wieder zu kommen. Bei der Ankunft der Weißen verbreitete sich allgemein die Ansicht, daß sie die Nachkommen dieses Gottes seien. (ebd. S. 68) Merkwürdig, daß sich ähnliche Sagen auch bei verschiedenen Negerstämmen Afrikas fanden und daselbst den Missionaren den Weg zu den Herzen der Neger bereiteten.

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