Unsere Liebe Frau von Guadalupe
Dritter Gesang
Beim Erzbischof
Don Juan da Zumarraga
War der Herde Seelenhirte,
Treu das gute Lamm zu hüten
Und zu suchen das verirrte.
Selbst ein Muster jeder Tugend
In Francisci heil`gem Orden (*),
War, um alle zu gewinnen,
Allen alles er geworden.
Und er gönnte sich nicht Ruhe,
So durch Beispiel wie durch Öhren
Hier die Tugend auszubreiten,
Dort das Laster abzuwehren.
Aber mit besondrer Liebe
War er seiner Indianer,
Seiner Herde jüngsten Kinder,
Vater, Lehrer, Freund und Mahner.
Kaum des Irrtums Nacht entrissen,
Von der Gnade kaum berühret,
Leicht zum Guten angeleitet,
Und zum Bösen leicht verführet –
Wie ein zarter Rebenschößling
Heischten sie besondrer Pflege.
Doch er wußte sie zu frieden
In der Liebe Schutzgehege.
Lehrt im Glauben sie den wahren
Weg zur ewigen Beglückung,
Schützte furchtlos ihre Rechte
Gegen fremde Unterdrückung.
Ehre sei dem edlen Bischof,
St. Francisci würd`gem Sohne!
Ehre seinen Ordensbrüdern,
Wert derselben Ruhmeskrone!
Als des Glaubens erste Boten
Sie des Urwalds Stämme fällten,
Und mit ihrem Schweiß und Blute
Christi Weinberg sie bestellten.
Und des Urwalds wilde Söhne
Lehrten sie, im Gottesgarten,
Von der Gnade Tau befruchtet,
Jeder Tugend treu zu warten. –
Betend weilt der fromme Hirte
Nach der Messe in der Zelle.
Plötzlich, störend seine Andacht,
Tritt sein Diener auf die Schwelle.
„Draußen steht ein Indianer,
Der zu sprechen dich begehret.
Aber ob der frühen Stunde
Hab` ich Einlaß ihm verwehret.“
„Laß ihn! Jedem meiner Kinder
Soll der Zutritt offen stehen;
Doch zumal kein Indianer
Ungehört soll von mir gehen.“
Vor den Bischof tritt Diego,
Tief zur Erde er sich neiget;
Doch der Bischof freundlich lächelnd
Seine Hand zum Gruß ihm reichet.
„Sprich, mein Sohn, was du begehrest;
Sei es Bitte oder Klage,
Wie der Sohn dem guten Vater
Voll Vertrauen mir es sage.“
„Großer Vater, Wunderbares
Habe ich dir zu verkünden.
Gottes Mutter läßt dich bitten,
Eine Kirche ihr zu gründen.“
„Gottes Mutter läßt mich bitten,
Eine Kirche ihr zu bauen?
Wahrlich wunderbare Botschaft!
Doch wie soll ich ihr vertrauen?“
„Wer bist du? Woher des Weges?
Und woher die seltne Kunde?“
„Ich, dein Diener Juan Diego,
Hört` sie aus Marias Munde.
Von Cuantitla in der Frühe
Kam zur Messe ich gegangen;
Gottes Mutter recht zu ehren
War mein einziges Verlangen.
Plötzlich hört` ich in der Nähe
Lieblichen Gesang anheben,
Darauf sah ich eine Wolke
Purpurfarben zu mir schweben.
Aber in der Wolke Schoße
Zeigte sich in hehrem Schimmer
Mir die liebe Mutter Gottes.
Schöne Jungfrau sah ich nimmer.
Und sie sprach, ihr Wunsch und Wille
Sei, daß du an jenem Orte
Eine Kirche ihr errichtest.
Treu bericht` ich ihre Worte.
Eine Kirche, ihr zu Ehren,
Eine Quelle reichster Gnaden
Allen denen, die da leiden
Und mit Kümmernis beladen.
Treu erhaltenem Befehle
Kam zu dir ich ungesäumet.“
Drauf der Bischof: „Traun, mein Lieber,
Solches hast du wohl geträumet.
Aber wenn die Gottesmutter
Gnädig dich zu mir beschieden,
Wird ihr Werk sie wohl vollenden.
Drum, mein Sohn, nun geh` in Frieden.“
Schweren Herzens geht Diego,
Tränen aus den Augen rinnen;
Doch getrost! Die dich gerufen,
Hilft dir frohen Sieg gewinnen.
aus: Fritz Esser SJ, U.L. Frau von Guadalupe, 1895, S. 18 – S. 23
(*) Cortez hatte den Kaiser um Sendung tugendhafter und gelehrter Ordensmänner gebeten, in der Überzeugung, daß ihr Beispiel noch mehr als ihre Predigt mit Leichtigkeit die Bekehrung der Eingeborenen zum Christentum bewirken würde. Er hatte sich nicht getäuscht. Die Franziskaner, die 1524 das Missionswerk in Angriff nahmen, erzielten in kurzer Zeit die großartigsten Erfolge. In 20 Jahren sollen sie 9 Millionen bekehrt haben. (Weiß a.a.O. S. 94)
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