Seliger Ägidius aus dem Dominikanerorden

Jesus Christus mit seinen Heiligen, die ihm Verehrung zollen und ihn anbeten

Heiligenkalender

14. Mai

Der selige Ägidius aus dem Predigerorden

Dieser selige Diener der Gottesmutter, deren gütigen und mächtigen Hand er seine Rettung aus dem tiefsten Abgrund des Verderbens zu danken hatte, wurde zu Vaozela, einer Stadt Portugals, im Jahre 1185 geboren. Sein Vater war Präfekt der Stadt Coimbra und reich.

In dieser Stadt studierte der talentvolle Ägidius die Weltweisheit und ergab sich auch dem Studium der Medizin. In der Arzneikunst brachte er es bald so weit, daß sein Ruf sich weithin verbreitete, der König ihn sogar zu seinem Leibarzt erhob, und seine Studien mit aller Freigebigkeit beförderte. Über so viel Gunst ward er vom Stolz aufgeblasen, und sann auf Mittel, wie er wohl alle Gelehrten seiner Zeit übertreffen und so beim König in die höchste Gnade sich setzen könne. Als er einmal mit diesem Gedanken beschäftigt eine Reise machte, gesellte sich zu ihm ein böser Geist in Gestalt eines Wanderers, grüßte ihn und begann sogleich mit ihm ein Gespräch. Wie der böse Geist, der ihn insgemein anreizte, aus dem Gespräch das Verlangen des stolzen Ägidius hörte, lobte er sehr dessen Vorhaben und sagte zu ihm, daß es, um sein Ziel zu erreichen, keines langen Umweges bedürfe: er könne in kurzer Zeit geheime und beinahe göttliche Künste erlernen, so daß er Krankheiten zu vertreiben, die Zukunft voraus zu wissen und wunderbare Dinge zu tun vermöge; auch versprach er, ihm diese Kunst zu entdecken. Nicht ferne sei die Stadt Toledo, wo er ihn in diesen Künsten unterrichten wolle, wenn er nur seinen Worten Folge leiste. Ägidius erkannte sogleich, daß es sich hier um magische Künste handle, welche damals in Spanien im Schwunge waren. Ein wenig nachdenkend, blieb er stehen und gab hierauf dem gottlosen Vorschlag seine Zustimmung. –

Die Reise, welche er vorhatte, aufgebend, ging er sogleich mit seinem Begleiter nach Toledo. Dort machte er mit den gottlosesten Meistern in der Schwarzkunst Gemeinschaft, besuchte ihre unter der Erde dem Menschenauge verborgene Wohnungen, ergab sich ihnen durch einen schrecklichen Eid und indem er mit seinem eigenen Blut den Pakt unterschrieb, überlieferte er ihnen seine Seele. Sieben Jahre des Unterrichts in der teuflischen Kunst waren vorüber; man ließ ihn ziehen, wohin er wollte, und Ägidius wohl erfahren in den Künsten des Teufels, begab sich nach Paris, wohin er früher schon ziehen wollte. In kurzer Zeit wurde er wegen seiner Gelehrsamkeit Doktor der Medizin. Nun übte er die Arzneikunst und brachte es darin mit Hilfe der bösen geister bald dahin, daß er die schwersten Krankheiten mit leichter Mühe heilte, zum allgemeinen Staunen der Gelehrten und Ungelehrten. Nicht zufrieden mit der Arzneikunst tat er auch, um sich zu brüsten, wunderbare Dinge teils zum Ernst, teils zum Scherz und was immer ihm Lust und Freude brachte, das tat und genoss er, ohne sein Gewissen und seine Vernunft zu fragen.

Unterdessen nahte die Zeit, wo Gott dem Herrn es gefiel, aus diesem Gefäß der Schmach ein Gefäß der Ehre zu machen. Ägidius befand sich eines Tages in seiner Bibliothek bei geschlossener Türe. Plötzlich stand vor ihm ein bewaffneter Mann; er schien wie aus einem Marmorstein gebildet und auf einem Pferd von Marmor zu sitzen: er schwang in seiner Hand eine Lanze und sprach mit schrecklich drohendem Antlitz zu ihm: „Ändere dein Leben! ändere dein Leben!“ Bei diesen Worten verschwand er. Ägidius erschrak gewaltig über dieses Gesicht; sein Gewissen machte ihm Vorwürfe, es ergriff ihn Angst vor seinem lasterhaften Leben, allein bald vergaß er das Gesehene und Gehörte unter dem Genuss der Vergnügungen, denen er sich wieder ergab; denn er hielt die ganze Sache nur für ein Spiel seiner Einbildungskraft. –

Nach einigen Tagen aber, da er sich wieder in seiner Bibliothek befand und las, erschien jener bewaffneter Mann wieder in derselben Gestalt, aber mit weit schrecklicherem Antlitz. Er sprengte mit dem Pferd auf Ägidius zu, und rief: „Ändere, ändere ändere sein leben, sonst töte ich dich.“ Da rief Ägidius geängstigt: „Ich werde es ändern, Herr! Und bitte dich, mir zu verzeihen, daß ich deinem früheren Befehl nicht gleich Gehör gegeben.“ Als der wilde Ritter diese Verdemütigung des Ägidius bemerkte, berührte er mit der Spitze seiner Lanze ein wenig dessen Brust und verschwand. Der getroffene Ägidius aber fühlte einen tiefen Schmerz ins einem herzen. Sogleich schrie er weinend nach seinen Dienern und befahl ihnen, Alles zur Abreise zu bereiten, denn er wolle alsbald ins ein Vaterland zurück kehren. Hierauf zündete er ein großes Feuer an, verbrannte alle seine Zauberbücher und zog mit seinem Gepäck nach Portugal. Auf dem Wege ergriff ihn ein Fieber; er hielt sich aber doch nicht auf, denn sein Gewissen trieb ihn zur Flucht an und zur Rettung seiner Seele.

Als er nach Palenzia kam, sah er gerade die Predigerbrüder des heiligen Dominikus, welche damals als ein neuer Orden in die Kirche traten, ein Kloster bauen. Wie er nun diese Priester ohne Unterschied des Alters und Standes so fleißig arbeiten sah, bat er um Erlaubnis, sich ihnen zugesellen zu dürfen. Morgens früh ging er zum Rektor und flehte ihn an, seine Beichte zu hören. Er entdeckte ihm aufrichtig sein bisheriges sündhaftes Leben und seinen festen Vorsatz sein Leben zu ändern. Der Rektor, voll Freude, eine Seele für Gott zu gewinnen, riet ihm, in den Orden zu treten, und gewährte ihm auch die Aufnahme. Ägidius verabschiedete seine Diener, unter welche er seine Habe verteilte, gab ihnen eine Brief an seinen Vater mit, in dem er ihm Alles, was sich mit ihm ereignete, erzählte, und zog das Ordenskleid an. – Unter der strengsten Buße verlebte er ein Jahr und wurde dann von den Obern nach Skallabine gesendet, wo der selige Dominikus von Kuba ein Kloster gebaut hatte.

Hier setzte Ägidius sein bußfertiges Leben fort, aber immer ängstigte ihn das Bündnis, welches er mit dem bösen Geist eingegangen und der unglückliche Brief, den er mit seinem Blut unterschrieben hatte. – Er vergoss hierüber die bittersten Tränen und flehte unaufhörlich zu Christus um Erbarmen, und damit er Erhörung fände, wandte er sich mit heißester Inbrunst an die Gottesmutter Maria, die besondere Patronin seines Ordens, welche er kindlich verehrte, und setzte auf ihre Fürbitte das Vertrauen, jenen unglückseligen Brief durch ihre Vermittlung wieder zu erhalten. In einer Kapelle des Kapitelzimmers, in welches von einem Turm ein Strick durch eine Öffnung hinein ging, um damit die Glocke zu läuten, durchwachte er betend und weinend die Nächte, vor dem Altar der Lieben Frau hingeworfen. Hier erlitt er die schwersten Anfechtungen des Teufels, der ihn zur Verzweiflung bringen wollte. Er aber flehte nur noch inniger zur Königin des Himmels um Hilfe. Beinahe sieben Jahre hatte er diesen schrecklichen Kampf durchgemacht, als in einer Nacht ihm, während er wieder betete, die Teufel erschienen, und ihm mit großem Geschrei zuriefen, daß ihm nichts mehr helfe; er solle sich nur erinnern, daß er sich der Hölle verschrieben, daß er Christo mit einem gottlosen Eid abgeschworen und die christliche Religion für nichts gehalten habe. Alle seine Buße sei vergeblich, umsonst bete, umsonst weine er, ihm sei der Himmel für immer verschlossen.

Schon war Ägidius nahe daran zu verzweifeln, da warf er sich aufs Neue vor das Bild der Lieben Frau, das auf dem Altar stand, auf die Knie nieder und seufzte aus der Tiefe seines Herzens: „Gütigste Königin! Wenn ich meine Laster betrachte, so erkenne ich, daß ich dessen schuldig bin, was diese Feinde mir vorwerfen; aber wenn ich der Allmacht, der Barmherzigkeit und Güte deines Sohnes und auch deiner Huld gedenke, dann kann ich meine große Hoffnung nicht fahren lassen, und darf doch noch Besseres erwarten, als ich verdiene. Zeige, o gütigste Jungfrau, meinen Feinden, daß sie Lügner sind und Väter der Lüge. Gib gute Hoffnung deinemDiener, der mit großer Angst des Herzens zu dir flieht, deinen Altar umfaßt, deinen himmlischen Schutz anfleht, und gewähre ihm süßen Trost.“ Indessen Ägidius so, in Furcht und Angst fast vergehend, bete, siehe da erscheint plötzlich vor dem Altar der heiligen Jungfrau der Brief des unglücklichen Paktes, herab gelassen an dem oben erwähnten Strick durch die bezeichnete Öffnung, im Angesicht der schmähenden bösen Geister, welche sich beklagten, daß ihnen von der Mutter Gottes Gewalt angetan werde. Unbeschreiblich ist die Freude und der Dank, welche das Herz des Ägidius bewegten, als er sah, daß dem Vater im Himmel seine Buße nicht mißfallen habe. Seine Liebe zur Gottesmutter, die früher schon so groß war, erreichte jetzt den höchsten Grad, so, daß er, wie sein Lebensbeschreiber sagt, dadurch wie von Sinnen kam. Er weihte sich ganz der göttlichen Mutter. Wurde er sieben Jahre vom Teufel so hart versucht, so wurde ihm durch die Huld der unbefleckten Jungfrau die Gnade zu Teil, daß er sieben Jahre hindurch immer vor seinem Angesicht ein Licht, wie eine brennende Lampe, sah, zum Schutz gegen seine gottlosen Feinde, bis er endlich vor ihrem Anblick sich nicht mehr fürchtete, ja ihnen selbst zum Schrecken ward.

Von dieser Zeit an diente Ägidius dem Herrn und seiner lieben Mutter mit immer freudigerem Herzen. Er ward ein Muster der Demut, umfaßte mit glühender Liebe die Armut, und leistete den Brüdern, besonders den Kranken, die niedrigsten Dienste. Nie hörte man ein müßiges Wort aus seinem Munde, immer betete und betrachtete er, und oft war er in heiliger Betrachtung so tief versunken, daß er die zum Besuch der Kranken kommenden und gehenden Brüder nicht sah und hörte. Oft hatte er himmlische Gesichte; er sah die heiligen Engel von Angesicht und genoss ihres süßesten Umganges. Im Kloster von Lissabon, wohin ihn seine Oberen sendeten, überließ er sich eines Mittages, ganz ermattet, ein wenig der Ruhe. Als er seine Augen zum Himmel erhob, sah er unsern Heiland Jesus und seine glorwürdige Mutter im Strahlenglanz. Vor Freude und Jubel lachte er und schlug die Hände zusammen. Dann die Hände ausstreckend, rief er laut: „O mein Jesus, o mein süßester Jesus, du bist mir ins Herz geschrieben und gedrückt! O gütigste Maria, o Mutter meines süßesten Herrn, o heiligste Gottesmutter, o glorreichste Jungfrau, des Himmels und der Erde Königin, welchen Dank bin ich elender Mensch dir schuldig?“ Ein Bruder, Namens Petrus, der neben ihm lag, durch diese Worte aufgeweckt, eilt herbei und fragt Ägidius: „Sagt mir, mein Vater, warum lacht ihr, jubelt und ruft ihr so? Was seht ihr?“ Ägidius entgegnete: „Gehe Bruder und schlafe, was geht es dich an?“ Der Bruder ging, aber er wußte aus den Worten, die er hörte, daß Bruder Ägidius eine himmlische Erscheinung des Heilandes und seiner glorwürdigen Mutter gehabt habe.

Wie es der Orden der Predigerbrüder mit sich brachte, musste auch Ägidius das Wort des Herrn dem Volk verkünden; er tat es in aller Demut, aber ausgerüstet mit der Gnade von Oben, zum Heile Vieler. – Dabei setzte er immer sein Vertrauen auf die Fürbitte der göttlichen Mutter Maria, die er immer mit heißer Inbrunst um ihren Beistand anrief. – Mit ihrer Hilfe wirkte er auch große Wunder. Ein Weib, das unfruchtbar war, kam zu ihm und bat ihn um sein Gebet, auf daß sie ein Kind erhalte, und so den Hass ihres Mannes von sich abwende. Ägidius, von Mitleid bewegt, sprach: „Laßt uns die gütigste Jungfrau und Mutter Gottes anrufen, damit sie dieser Familie gnädig sei.“ Er kniete sich vor dem Altar der heiligen Jungfrau nieder, betete mit den Brüdern das Salve Regina, und noch in derselben Nacht ward das Weib Mutter und gebar nachher einen Knaben. – Einmal hielt Ägidius unter freiem Himmel eine Predigt. Ein Hahn, der in der Nähe war, hörte nicht auf zu krähen, und störte den heiligen. Dieser, von dem Gekrähe des Hahnes beunruhigt, schleudert seinen Stab nach ihm, um ihn zu verscheuchen, wirft aber den Hahn tot. Einige Zuhörer entfernten das tote Tier sogleich, damit der Heilige nicht betrübt würde. Als nun dieser seine Predigt geendet hatte, fragte er, wo der Hahn hingekommen sei, und als er hörte, daß er tot sei, bat er, traurig hierüber,, daß man ihm das Tier bringe. Als man ihm den Hahn zu Füßen gelegt hatte, rief er, sich selbst anklagend aus: „O heilige Maria! Ich habe in der Tat böse gehandelt, daß ich mich in der Hitze so hinreißen ließ!“ Hierauf blickte er zum Himmel und eine kurze Zeit betend berührte er mit dem Stock den Hahn und sprach: Stehe auf, stehe sogleich auf und erhebe deine Stimme wieder zum Lobe des Schöpfers!“ Siehe, sogleich erhebt sich der Hahn, schlägt die Flügel und kräht zur Freude des staunenden Volkes.

In welcher Gunst aber Ägidius bei der lieben Mutter Gottes stand, ist aus folgendem Ereignis ersichtlich. Zur Zeit, da Ägidius noch lebte, und durch sein heiliges Beispiel und seine Predigten so viel Gutes stiftete, lebte in Rom ein Einsiedler. Als dieser gegen die Morgendämmerung dem Gebet und der Betrachtung oblag, ward er von eine leichten Schlummer befallen, und sah nun den Himmel offen und Jesum den Erlöser, neben sich seine gebenedeite Mutter mit aufgehobenen Händen ihn anbetend. Hierauf sah er unter ihrem rechten Arm einen Mann stehen, vom wunderbaren Glanz umgeben, der den Arm der seligsten Jungfrau mit seinen Händen gleichsam stützte, wie einst Aaron und Hur dem betenden Moses die Arme stützten. Verwundert hierüber fragte der Einsiedler, wer denn dieser Mann sei, der solcher Ehre für wert gehalten werde, daß er den Arm der Mutter Gottes stützen dürfe. Ihm antwortete die seligste Jungfrau selbst: „Dieser, den du in solcher Vertraulichkeit mit mir siehst, ist Bruder Ägidius aus Portugal, vom Orden der Predigerbrüder, ein getreuer Diener von mir und meinem Sohne. Wie er selbst meinen Arm stützt, so stützt und mehrt er durch sein Gebet und seine Verdienste den Orden der Predigerbrüder.“

Der Einsiedler, das Gesicht bedeckend, wollte Näheres über Bruder Ägidius erfahren. Als er nach einigen Tagen bei einem Kardinal und andern angesehenen Personen auf Besuch war, sah er auch einige Portugiesen, und unter diesen den Magister Petrus Vinzentius. Diesen fragte er, ob er nicht den Bruder Ägidius aus dem Order der Predigerbrüder kenneten, und als sie entgegneten, „Sehr wohl“, beschrieb er ihnen mit lebhaften Farben die Gestalt, das aussehen und das Alter des Ägidius. Staunend sagten die Portugiesen vor dem Kardinal und allen Gegenwärtigen, daß Ägidius wirklich so aussehe. Nun erzählte der Einsiedler, was ihm begegnet und alle verwunderten sich höchlich hierüber.

Ägidius erreichte ein Alter von 80 Jahren. Auch im Tode verließ ihn sein Bußgeist nicht. Als er sein letztes Stündlein heran nahen sah, ließ er sich auf eine rauhe Decke auf den Boden legen; da empfing er mit glühender Andacht die heiligen Sakramente, und unter den Worten: „In deine Hände empfehle ich meinen Geist!“ entschlief er sanft im Herrn im Jahre 1265 am 14. Mai. (Ex Bollando.) –
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben Heiligen, Erster Teil, 1869, Sp. 1185 – Sp. 1190

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