Heilige Maria von Oignies Mystikerin

Jesus Christus mit seinen Heiligen, die ihm Verehrung zollen und ihn anbeten

Heiligenkalender

23. Juni

Heilige Maria von Oignies

Maria von Oignies lebt in einer jungfräulichen Ehe

Maria ward in der Stadt Nivelle in Brabant von vermöglichen Eltern geboren, die sie auch recht fromm erzogen. Die Eltern bedurften bei ihrem Kind nicht vieler Ermahnungen, denn Maria liebte das gebet so überaus, daß sie es selbst zur Nachtzeit übte und verschmähte nicht nur alle kindischen Spiele, sondern auch alle Kleiderpracht. Als sie ihr vierzehntes Jahr erreicht hatte, musste sie sich auf den Wunsch der Eltern mit einem rechtschaffenen Jüngling verehelichen, dem sie aber durch anhaltendes Gebet die Gnade erbat, daß er mit ihr in jungfräulicher Reinigkeit lebte. Er zog mit ihr in ein Stadtviertel von Nivelle, Villenbruck genannt, wo sie beide unter strengen Bußwerken sich mit herzlichster Liebe der Pflege der armen Kranken und Aussätzigen widmeten. Um den Spott und Hohn der Welt desto leichter ertragen zu können, betrachteten sie mit einander mit innigem Mitleid das Leiden des Herrn. Nie tat dies Maria, ohne dabei Ströme von Tränen zu vergießen, und sie konnte kein Kruzifix ansehen, ohne dabei in Verzückung zu geraten. Vergeblich hielt sie die Tränen zurück, vergeblich waren die Mahnungen eines Priesters, ihr Weinen zu mäßigen, die Tränen brachen nur noch reichlicher hervor, und selbst der Priester ward mit dieser Tränengabe von Gott begnadigt. Dies häufige, unausgesetzte Weinen schwächte sie aber nicht, sondern war vielmehr für sie eine Quelle des Trostes und der Stärke. –

Ihr strenges Bußleben

Ihr Beichtvater, Jakob von Vitry, ruft Gott zum Zeugen an, daß sie in ihrem ganzen Leben sich mit keiner Todsünde befleckt habe; die kleinen Fehler aber bereute sie mit einem solchen Schmerz und beichtete sie mit solcher Zerknirschung, daß man befürchtete, sie würde vor Leid sterben. Um sich immer in der Gnade zu erhalten, übte sie die strengste Buße. Ihre tägliche Nahrung war ein Stück harten, schwarzen Brotes mit einigen Kräutern; ihr Trank war nur Wasser. Einmal aß sie 35 Tage gar nichts und beobachtete dabei ein solches Stillschweigen, immer in tiefe Betrachtung versunken, daß man nur die Worte aus ihrem Mund hörte: „Ich will den Leib unseres Herrn Jesu Christus.“ Hatte sie denselben empfangen, blieb sie wieder mit dem Herrn in heiliger Stille schweigend vereinigt. Sie hatte von Gott die Gnade erlangt, unausgesetzt bei Tag und Nacht beten zu können. Ihr Geist war immer mit Gott vereinigt.

Ihr Leben als Mystikerin

Von der zärtlichsten Andacht war sie auch gegen die allerseligste Jungfrau erfüllt. Jedes Jahr pflegte sie zwei Wallfahrten zu U. L. Frau von Oignies zu machen, das ungefähr eine Stunde von Nivelle entfernt liegt; dort empfing sie immer großen Trost. Sie ging selbst mitten im strengsten Winter dahin und schritt mit bloßen Füßen über Schnee und Eis ohne jegliche Verletzung. Einmal verfehlte sie in der Nacht mit ihrer Magd den unwegsamen Pfad; siehe, da erschien ihr ein Licht, welches voran ging und den Pfad beleuchtete. Ein anderes Mal hat sie gar nichts gegessen und die ganze Nacht wachend in der Kirche zugebracht. Als sie wieder nach Hause kehrte, begleiteten sie zwei Engel, der Eine zur Rechten, der Andere zur Linken. Wieder ein anderes Mal überfällt sie auf dem Weg ein heftiger Platzregen; sie hatte keinen Regenschirm bei sich. Wie sie aufblickt, sieht sie etwas wie Sterne, welche den Regen zurück halten, so daß sie ganz trocken nach Hause gehen konnte. –
Sie vermochte oft die Glut ihrer Andacht zu Maria nicht zu mäßigen. Innerhalb 24 Stunden beugte sie elfhundert Mal die Knie vor Unserer Lieben Frau und grüßte sie, und das ist wunderbar und unerhört, daß sie diese Art des Grußes vierzig Tage, ohne zu ermüden, fortsetzte. Zuerst beugte sie ohne Unterbrechung, vom geist der Andacht getrieben, sechshundert Mal die Knie; sodann las sie stehend den Psalter und am Ende jeden Psalms sprach sie kniend das Ave Maria. Hierauf, in der Andacht immer glühender werdend, beugte sie abermals dreihundert Mal die Knie und gab sich nach jeder Kniebeugung Rutenstreiche; den Schmerz opferte sie Gott und der seligsten Jungfrau auf. Bei den letzten Streichen spritzte das Blut von ihrem Leib, und sie opferte es dann für das heil der Seelen. Endlich vollendete sie ihr Opfer mit fünfzig Kniebeugungen. Ein Engel stand ihr in dieser Bußübung bei und stärkte sie. Ihre Liebe zu Maria ward auch belohnt. Alle Jahre am Lichtmess-Tage erschien ihr die heilige Jungfrau und sie durfte dann schauen, wie sie ihr göttliches Kind zuerst dem himmlischen Vater darbrachte und dann dem Greis Simeon darreichte.

Wie groß aber die Macht ihres Gebetes war, haben nicht bloß die Menschen zu ihrem Heil, sondern auch die Teufel zu ihrer Peinigung erfahren. Sie zog die bösen Geister durch ihr Gebet gleichsam an Stricken daher, während sie mit Zähnen über sie knirschten, heulten, sich beklagten und manchmal auch flehten. War Jemand aus ihren Freunden von einer Versuchung geplagt, dann kam sie ihm mit ihrem Gebet zu Hilfe, und die Versuchung wich. –

Aus Nah und Fern kamen Leidende, Betrübte, Ratlose aller Art zu ihr, und Niemand ging von ihr weg ohne Trost, Rat und Hilfe. So von vielen Besuchen beunruhigt, kam ihr denn auch oft das Verlangen, einen Ort zu finden, wo sie fern von Menschen in stiller Einsamkeit nur für den Herrn leben könnte. Endlich wurde ihr Gebet erhört und ihr von dem Herrn eine ärmliche Wohnung bei der Kirche U. L. Frau zu Oignies gezeigt.

Das heilige Sterben der Maria von Oignies

Hierher begab sie sich einige Jahre vor ihrem Tod mit Erlaubnis ihres frommen Mannes, um bei ihrer geliebten Mutter Maria, unbeirrt von den Menschen, mit Jesus im vertrautesten Umgang zu leben. Immer betend, vereinigte sie sich oft durch die hl. Kommunion mit dem Herrn, und staunend sah man dann ihr bleiches Angesicht wunderbar erglänzen, wenn sie die göttliche Speise genoss. Der Herr hatte ihr auch den Tag und die Stunde ihres Todes vorher gesagt, worüber sie in den höchsten Jubel ausbrach. Ein Jahr vor ihrem Ende sagte sie einer frommen Jungfrau, die sie bediente, daß sie eine schmerzliche, langwierige Krankheit zu bestehen haben werde, was auch eintraf. Als endlich das Ende ihres Lebens nahte, da begann sie drei Tage und drei Nächte lang mit hoher klarer Stimme zu singen und Gott und die heilige Jungfrau zu preisen. Gott selbst legte den wunderbar lieblichen Gesang in ihren Mund. Sie sang mit der süßen Stimme, immer lauter und höher von der heiligsten Dreifaltigkeit, dann von der Menschheit Christi und hierauf von seiner göttlichen Mutter ohne Unterbrechung, so daß sie heiser wurde. Zuletzt schloss sie ihr wunderbares Lied mit dem Magnifikat der Lieben Frau. Immer singend, legte sie diesen Hochgesang aus, und denselben immer wiederholend, empfand sie Süßigkeit und Trost.

Nachdem die drei Tage des Jubels vorüber waren, ließ sie sich ihr Lager in der Kirche vor dem Altar bereiten. Als sie da lag, sagte sie: „Ich werde jetzt nichts mehr essen und nicht mehr in diesem Buch lesen“, und mit diesen Worten gab sie den Brüdern, die neben ihr standen, das Buch, in welchem Gesänge und Gebete zur Lieben Frau enthalten waren. Hierauf erwartete sie den Tod mit Freuden. Sie hatte viel zu leiden, blieb aber nicht ohne süßen Trost. Es erschien ihr Christus der Herr oft und betrachtete sie mit mitleidigem Antlitz: die gebenedeite Gottesmutter stand fast immer bei ihr und mahnte sie auch, die letzte Ölung zu empfangen. 53 Tage aß und trank sie nichts; nur die heilige Kommunion erhielt sie am Leben. Als die letzte Stunde nahte, zeigte ihr Jesus den Ort im Himmel, der ihr zu teil werden solle, da fing sie aufs Neue zu jubilieren an. Ihr Antlitz fing an zu leuchten, sie lachte, sang, schlug vor Freude die Hände zusammen und endlich immer freudiger, immer höher und lauter das Alleluja singend und Gott danksagend, gab sie um jene Stunde, da Christus am Kreuz starb, mit unverändert heiterem Antlitz ihren Geist auf am 23. Juni 1213 in einem Alter von 23 Jahren. Ihre in einem silbernen Sarg verschlossenen Reliquien wurden im Stift U.L.F. von Oignies hinter dem Hochaltar aufbewahrt. (Ex Bollando.) –
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben Heiligen, Erster Teil, 1869, Sp. 1473 – Sp. 1476

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