Heilige Idda von Toggenburg Klausnerin

Jesus Christus mit seinen Heiligen, die ihm Verehrung zollen und ihn anbeten

Heiligenkalender

3. November

Heilige Idda von Toggenburg, Klausnerin

Zwei Stunden südlich von Ulm stand das schloß Kirchberg, welches gegen Ende des zwölften Jahrhunderts Graf Hartmann II., der fromme Stifter des trefflichen Benediktinerklosters Wiblingen und glückliche Vater der hl. Idda, bewohnte. Um das Jahr 1197 freite diese an Leib und Seele so schöne Jungfrau der edle Heinrich aus dem berühmten Geschlecht der Grafen von Toggenburg in der Schweiz. Gegen ihre Neigung und nur aus Gehorsam gegen die Eltern, reichte Idda dem Bewerber die Hand und zog mit ihm auf das Schloß Toggenburg, im nordwestlichen Teil des Kantons St. Gallen, an der Grenze von Thurgau gelegen.

Heinrich war schön von Gestalt, reich an Gütern und Schlössern, tapfer im Kampf, treuherzig und wohlwollend, aber auch heißblütig und jähzornig. Bei den kleinsten Anlässen brauste er auf und tobte in wildem Grimme, bis er des Zornes Hitze an einem toten oder lebenden Gegenstand gekühlt hatte. Idda, ganz Sanftmut und Zärtlichkeit, entfernte ängstlich jeden Anstoß, wog jedes ihrer Worte, maß jeden ihrer Blicke, um Heinrich`s rauhes Gemüt zu sänftigen, und trug ihr Kreuz mit himmlischer Geduld. Im Gebet suchte sie Trost und Stärke, durch reichliche Almosen, die sie in die Hütten der Armen und Kranken trug, flehte sie zu Gott um Gnade und wandelte, so oft sie konnte, hinab ins Tal den mühsamen Weg zur Klosterkirche in Fischingen und hinüber zur Kapelle der schmerzhaften Mutter in der Au. Der Herr forderte von ihr auch das Opfer der Mutterfreuden, denn ihre Ehe blieb kinderlos.

Unter der zahlreichen Dienerschaft war Dominicus, ein Italiener, der Liebling und Vertraute ihres Gemahls. Idda, arglos wie eine Taube, und den Bösewicht nicht kennend, behandelte auch ihn wie die Andern freundlich und gütig, was der Ruchlose dahin deutete, daß die fromme Gebieterin mehr als bloßes Wohlwollen gegen ihn hege. Bald aber entdeckte ihr keusches Auge die gottlose Absicht dieses Wüstlings, und der gemessene Ernst ihres Benehmens schnitt ihm jede Hoffnung ab, das Ziel seines Wunsches zu erreichen. Diese Enttäuschung erfüllte sein Herz mit Haß gegen sie, löschte aber seine Leidenschaft nicht aus. Lange lauerte der Schändliche auf eine Gelegenheit; er überfiel die Gräfin, als sie betend durch den Waldweg hinab zur Kirche ging. Ihren Angstschrei und Hilferuf hörte der Knappe Kuno, der gerade im rechten Augenblick noch zur Rettung der gefährdeten Herrin ankam. Idda dankte Gott innigst für seine gütige Hilfe, verzieh dem Frevler, der Reue heuchelte und befahl auch dem Kuno, über diesen Vorfall zu schweigen.

Dominicus, mißtrauisch wie alle Schurken, glaubte nicht an fremde Tugend und fürchtete, Idda oder Kuno möchten doch sein Verbrechen offenbaren. Deshalb sann er über das Verderben Beider, benützte des Grafen Gunst gegen ihn und brachte ihm das Gift es Argwohns bei, daß Idda gegen den Knappen Kuno gar zu höflich und huldvoll sei. Der leichtgläubige und kinderlose Heinrich trank dieses Gift gierig und wurde, von der Eifersucht gepeinigt, der furchtbarste Tyrann der liebenswürdigsten Gattin. Idda verstand nicht die Ursache seines veränderten Benehmens, litt das Unbeschreibliche in schweigender Geduld, zog sich möglichst in die Einsamkeit ihres Zimmers zurück und klagte mit rot geweinten Augen ihr Weh dem Vater alles Trostes.

Eines Tages nahm Idda ihre kostbaren Brautgewänder aus dem Schrank, um sie zu lüften, und legte ihren Schmuck – darunter den Trauring – auf den Tisch. Als sie am Abend Kleider und Geschmeide in den Schrank wieder einschließen wollte, war zu ihrem tödlichen Schrecken der Ehering fort. Ach, sie durfte ihr Unglück dem jähzornigen Heinrich nicht sagen! Sie kniete nieder, legte ihren Kummer in Gottes Hand und schwieg. Nach einiger Zeit fand Kuno einen köstlichen Ring in einem Rabennest des nahen Waldes – es war Idda`s Ehering, den ein Rage ihr durch das offene Fenster vom Tisch davon getragen. Er steckte ihn freudig an den Finger und zeigte den andern Dienstleuten seinen glücklichen Fund. Dominicus erkannte ihn sogleich als Idda`s Ehering, sagte aber nichts; in teuflischer Freude, daß der Tag gekommen sei, sich das ewige Stillschweigen Idda`s und Kuno`s zu sichern, eilte er zum Grafen und erzählte ihm das Gesehene als traurigen Beweis, daß der Verdacht gegen die Gräfin und Kuno nur zu begründet sei. Heinrich ließ sogleich den Kuno kommen und besah den Ring; sein Gesicht erblaßte, seine Hand erbebte, sein Auge flammte wild: „Woher der Ring?“ – „In einem Rabennest gefunden“, antwortete Kuno. „Bube!“ schrie der Graf und schlug mit der Faust den Jäger zu Boden, dann ließ er ihn flugs an den Schweif eines Pferdes binden und über den Schloßberg hinab zu Tode schleifen. Hierauf raste er in das Frauengemach: „Wo ist der Ehering?“ _ „Ich habe ihn verloren.“ – „Ha, Verworfene, geh` deinem Buhler nach!“ Wütend packte er sie und warf sie durch`s Fenster über den Schloßfelsen hinab.

Doch Gottes Engel schützte die Unschuldige: in einer Tiefe von vierhundert Fuß erwachte Idda aus der Betäubung und fühlte sich unverletzt. In herzlichem Dankgebet vor Gott kniend, bat sie um Verzeihung und Erbarmen für ihren Mann und gelobte: als Verstoßene in dieser Einsamkeit zu leben. Bald fand sie im Rabensteinwald eine passende Stelle, wo sie aus Baumästen und Moos eine Hütte baute, einen Vorrat von Heidelbeeren, Schlehen und eßbaren Kräutern für den Winter sammelte und aus Binsen und Baumbast sich Decken und Kleider flocht. Am bittersten vermißte die die Kirche, die Predigt, die heilige Messe, den Trost des Priesters und der heiligen Sakramente; aber Gott schenkte ihr die Gabe der Betrachtung, und ihre Seele ergötzte sich an der Schönheit und Güte des Allmächtigen, dessen Gegenwart ihr die Stimmen der Natur, das Rauschen der Tannen, das Spiel der Zweige, das Murmeln der Quellen, das Singen der Vögel, das Licht der Sonne, der Schein des Mondes, das Flimmern der Sterne und das Wallen der Wolken verkündeten. Und wenn sie in der lautlosen Stille der dunklen Waldesnacht vor dem einfachen Holzkreuz kniete und nur das Schlagen des eigenen Herzens hörte, da fühlte sie die Nähe des heiligsten Sakramentes und die süße Liebesglut des verborgenen Gottmenschen. Die ungestörte Wildnis wurde ihr bald zur lieben Heimat, tausendmal teurer als die stolze Toggenburg auf der sonnigen Felsenhöhe; denn jedes Plätzchen erinnerte sie an freudige Erlebnisse: hier war ihr im Gebet ein heiliger Gedanke aufgeleuchtet, dort hatte sie eine Versuchung glücklich besiegt, da hatte sie einen geistigen Trost gefunden, dort eine stärkende Gnade empfangen, überall frohlockte ihre Seele: „Ehre sei Gott in der Höhe“, und dankte für den Genuss des himmlischen Friedens.

So vergingen 17 Jahre. – Auf der Toggenburg sah es düsterer aus. Die Dienstleute und Armen trauerten um die gütige und unschuldig getötete Gräfin. Dominicus mochte sich des gelungenen Doppelmordes nicht freuen. Heinrich berichtete wohl nach Kirchberg, Idda habe mit einem Knecht gefehlt, und er habe Beide nach Verdienst bestraft.; aber doch konnte er selbst Beides nicht glauben, das Gewissen folterte ihn Tag und Nacht: unstet jagte er nach Zerstreuung und Ruhe, aber umsonst; er erkannte den Wert der mißhandelten Gattin und bereute bitter seine Tat.

Eines Tages jagte im Rabensteinwald ein alter Jäger; seine Hunde sprangen weit voraus und schlugen auf einmal mächtig an. Der Jäger folgte ihnen neugierig bis vor eine elende Hütte, schaute durch eine Öffnung hinein und sah eine Menschengestalt, in eine Binsenmatte gekleidet. An einigen Fetzen von kostbarem Zeug wie auch an den Gesichtszügen erkannte er seine frühere Herrin. Mit einem schrei der Freude grüßte er die verehrte Gräfin und eilte atemlos dem Schloß zu, um dem Grafen diese freudige Entdeckung anzuzeigen. Heinrich lächelte und begleitete ungläubig den Jäger zur stelle. Er schauderte zusammen bei dem Anblick der Klausnerin, seiner Gattin, im Rabensteinwald; denn das Wunder ihrer Rettung war der Beweis seiner Freveltat. Mit dem lauten schrei: „Verzeihung!“ stürzte er nieder zu ihren Füßen. Sie hob ihn auf, küßte ihn, versicherte ihm, daß sie ihm nie, gar nie gezürnt, vielmehr beständig für ihn gebetet und gebüßt habe; sie bat auch um Gnade für Dominicus; aber der Elende bedurfte dieser Fürbitte nicht mehr; denn auf die Kunde, daß Idda noch lebe, erhängte er sich selbst.

Heinrich bestürmte die teure Idda mit Bitten und Tränen, mit ihm in das Schloß zu kommen. Sie entschuldige sich: „Ein heiliges Gelübde bindet mich, dem gütigen Gott in der Einsamkeit zu dienen; willst du mir aber gütig sein, so baue mir eine ärmliche Hütte bei der Muttergottes-Kapelle in der Au, für mein zunehmendes Alter!“ Trauernd erfüllte der Graf ihren Wunsch und begleitete sie feierlichst mit sehr vielem Volke in die neue Wohnung.
Idda setzte ihre strenge Lebensweise fort, verschenkte Alles, was sie vom Schloß erhielt, an die Armen und verließ ihre Klause nur bisweilen, um dem mitternächtlichen Chorgesang der Benediktiner in Fischingen beizuwohnen. In den finstern Nächten soll ihr ein Hirsch mit zwölf Lichtern an den Geweihen auf dem Hin- und Rückweg langsam voran gegangen sein.

Als in der Folge der große Zulauf des um ihre Fürbitte flehenden Volkes ihre Einsamkeit zu sehr störte, bat sie die Klosterfrauen bei Fischingen um eine ganz abgeschlossene Zelle und erhielt sie. Noch einige Jahre lebte sie in großer Vollkommenheit und starb in hohem alter gegen die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts. Ihr heiliger Leib fand eine sehr ehrenvolle mit drei Altären geschmückte Ruhestätte in der Klosterkirche zu Fischingen. Dort wurde ihr Fest alljährlich feierlich begangen bis zum Jahre 1848, in welchem Jahre das Stift aufgehoben wurde. Der Kardinalbischof Markus von Konstanz errichtete (1617) zu Ehren der heiligen Idda eine Bruderschaft, welche Papst Paul V. kirchlich bestätigte. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 825 – S. 827

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