Der Hirte des Hermas Zwölf Berge

Jesus Christus mit seinen Heiligen, die ihm Verehrung zollen und ihn anbeten

Heiligenkalender

9. Mai

Der heilige Hermas (Das Reich Gottes)

Der Hirte des Hermas Die zwölf Berge

Im letzten Kapitel des Briefes an die Römer richtet der Apostel Paulus auch einen Gruß an einen Gläubigen, namens Hermas. Man vermutet, daß eine der ältesten christlichen Schriften, welche den Titel hat: „Der Hirt des Hermas“, von eben jenem Christen sei, den der Apostel grüßen läßt. Diese Schrift hat in den frühesten Zeiten des Christentums ein solches Ansehen gehabt, daß einige christliche Gemeinden sie als einen Teil der heiligen Schrift eben so aufgenommen hatten, wie z. B. Die Offenbarung Johannis. Während man nun von dem äußerlichen Leben des Hermas fast nichts Sicheres weiß, so ist die Schrift desselben jetzt noch übrig; somit bleibt uns noch eine Reliquie seines Geistes, wo wir keine Reliquie von Leib und Leben desselben haben. Aus dieser höchst merkwürdigen uralten christlichen Schrift will ich nun eine größere Stelle in deutscher Sprache anführen. Zum besseren Verständnis will ich voraus schicken, daß Hermas erzählt, ein Engel in der Tracht eines Hirten sei ihm erschienen und habe ihm die Offenbarungen gebracht, welche er in seinem Buch nieder geschrieben habe; weshalb dasselbe auch die Inschrift hat: „Der Hirt“.

„Dann führte er mich auf einen Berg in Arkadien, auf dessen Gipfel wir uns niederließen. Er zeigte mir ein großes Feld, um welches her zwölf Berge waren, und jeder Berg von anderer Gestalt. Der erste Berg war schwarz wie Ruß; der zweite kahl ohne Kräuter; der dritte voll Dornen und Disteln. Der vierte war mit Kräutern bedeckt, die oben grünten, unten an der Wurzel aber verdorrt waren; einige Kräuter verdorrten dann ganz, als die Sonne brennend heiß aufging. Der fünfte Berg war sehr rauh, hatte aber grüne Kräuter. Der sechste war voll größeren und kleineren Spalten; in diesen Spalten waren Kräuter, aber nicht ganz frisch, sondern mehr welk von Ansehen. Der siebente Berg hatte herrliche Kräuter und war ganz fruchtbar, und alle Arten von Tieren und Vögel des Himmels suchten dort ihre Nahrung; und so viel sie auch von jenem Berg abweideten, desto fröhlicher wuchsen die Kräuter. Der achte Berg war voll von Quellen, und aus jenen Quellen wurde jede Gattung der Kreaturen Gottes getränkt. Der neunte Berg hatte gar kein Wasser und war ganz verwüstet; hingegen ernährte er giftige, den Menschen verderbliche Schlangen. Der zehnte Berg hatte prächtige Bäume und war ganz schattig, und im Schatten lagen Viehherden ausruhend und wiederkäuend. Der elfte Berg war mit den dichtesten Bäumen besetzt; und jene Bäume schienen mit den mannigfachsten Früchten beladen, so daß, wer sie erblickte, Lust bekam von ihren Früchten zu essen. Der zwölfte Berg war ganz glänzend, und gewährte einen wunderlieblichen Anblick, und brachte sich selbst die höchste Schönheit.

„Ich sprach zu dem Hirten: Zeige mir nun, Herr, auch, was jene Berge bedeuten und warum sie ein so verschiedenes Aussehen haben. – Höre, sprach er, diese zwölf Berge, welche du siehst, sind zwölf Menschenarten, welche den ganzen Erdkreis einnehmen. Es ist unter ihnen der Sohn Gottes verkündigt worden durch jene, welche er selbst zu ihnen geschickt hat. – Und ich sprach zu ihm: „Zeige mir nun die Bedeutung und Kraft eines jeglichen Berges, damit jede Seele, die an den Herrn glaubt, es vernehme und seinen großen und wunderbaren und heiligen Namen preise. – Vernimm, sprach er, die Verschiedenartigkeit dieser Berge, das ist der zwölf Völker:

„Von dem ersten Berg, dem schwarzen: Das sind die, welche den Glauben angenommen hatten, dann aber abgefallen sind, Lästerungen gegen den Herrn reden und die Diener Gottesverraten. Solchen ist der Tod bestimmt, bei ihnen ist keine Bekehrung; daher sind sie schwarz, weil es ein verruchtes Geschlecht ist.

„Von dem zweiten Berg, dem kahlen: Dies sind Betrüger, welche geglaubt haben, und Lehrer der Verdorbenheit geworden sind; diese sind den vorigen am nächsten, indem sie auch keineFrucht der Gerechtigkeit haben. Diesen ist jedoch noch Buße angeboten, wenn sie schnell darnach verlangen; wenn sie aber zögern, so werden sie auch Teil nehmen an dem Tode der vorigen. – Warum, Herr, fragte ich, können diese noch zur Buße gelangen, die vorigen aber nicht? Sie haben doch beinahe die nämlichen Vergehungen. – Deshalb, erwiderte er, ist diesen Rückkehr zum Leben durch Buße offen, weil sie gegen den Herrn keine Lästerung gesprochen, und an den Dienern Gottes nicht zu Verrätern geworden sind; aber aus einer gewissen Habsucht haben sie die Leute getäuscht, indem sie dieselben nach ihren sündhaften Begierden geleitet haben; deshalb müssen sie dafür eine bestimmte Strafe erstehen; aber doch ist ihnen Bekehrung vergönnt, weil sie keine Lästerung wider den Herrn ausgestoßen haben.

„Von dem dritten Berg, welcher Dornen und Disteln hatte: Dies sind solche, die geglaubt haben, aber teils reich sind, teils durch viele Geschäfte umstrickt; denn die Disteln sind die Reichtümer, die Dornen aber die vielen Geschäfte. Die, welche durch viele Geschäfte und verschiedene Dinge in Anspruch genommen sind, halten sich nicht zu den Dienern Gottes, sondern werden durch ihre Geschäfte abgezogen und erstickt. Auch die Reichen treten nicht gern in Verkehr mit den Dienern Gottes, aus Besorgnis, daß etwas von ihnen gefordert werde; diese werden deshalb schwer in das Reich Gottes eingehen. Wie es nämlich schwer ist mit nackten Füßen auf Dornen zu gehen, so ist es für dergleichen Menschen schwer ins Reich Gottes einzugehen. Aber auch diesen Allen steht Rückkehr zur Buße offen, wenn sie schnell darnach greifen, damit sie in der vergönnten Zeit noch etwas Gutes tun, nachdem frühere Tage leer abgelaufen sind. Wenn sie aber in ihrem bisherigen Tun verharren, so wird ihnen das Leben genommen.

„Von dem vierten Berg mit vielen Kräutern, deren oberer Teil grün war, die Wurzeln aber dürr, und von denen manche durch die Sonnenhitze verwelkten: Dieses sind die Zweifelhaften und die, welche den Herrn auf den Lippen, aber nicht im Herzen tragen. Sie leben nur ihren Reden nach, ihre Werke hingegen sind tot. Die Zweifelhaften sind nicht grün und nicht dürr, nicht lebendig und nicht tot. Wie ihr Kraut aber beim Steigen der Sonne welkte, so auch die Zweifelhaften; sobald sie von Verfolgung hörten und Ungelegenheiten fürchteten, kehrten sie zu ihren Götzen zurück und schämten sich den Namen ihres Herrn zu tragen.

„Von dem fünften Berg, dem rauhen, der aber grüne Kräuter trägt: Dieses sind Gläubige zwar, die aber mit Mühe glauben, vorwitzig und selbstgefällig, die scheinen wollen Alles zu wissen, da sie doch nichts wissen. Wegen des vorwitzigen Wesens ist die Einsicht von ihnen gewichen, und vermessene Anmaßlichkeit bei ihnen eingekehrt. Sie gebärden sich hoch weise und wollen Lehrer scheinen, während sie Toren sind. Wegen dieser Torheit, indem sie sich groß machen, sind schon viele von ihnen zu Grunde gegangen. Denn das ist ein sehr böser Geist, der Vorwitz und das eitle Selbstvertrauen. Manche haben zwar ihre Verwirrung erkannt, Buße getan und sich den Einsichtsvollen unterworfen. Doch auch den übrigen von dieser Art ist Buße angeboten; denn sie sind nicht sowohl böse, als vielmehr unverständig und töricht. Wenn sie sich bekehren, werden sie Gott leben; wenn nicht, so gehen sie ins Verderben.

„Von dem sechsten Berg, der größere und kleinere Spalten hat: Die mit den kleineren Spalten sind Gläubige, welche unter sich Streitigkeiten haben und wegen ihren Klägereien im Glauben matt werden; übrigens haben viele von ihnen Buße getan, und auch die übrigen werden es noch tun, wenn sie meine Gebote vernommen haben; denn ihre Streitigkeiten sind nur von geringem Belang, und sie wenden sich leicht zur Bekehrung. Die aber mit größerenSpalten sind wie hartes Gestein, sie tragen Unbilden und Beleidigungen nach und üben Rache gegen einander aus. Derartige Menschen werden schwer zum Leben gelangen. Unser Gott und Herr, welcher über alle Dinge regiert, und Macht hat über jegliche Kreatur, will der Beleidigungen nicht gedenken, sondern wird von denen, welche ihre Sünden bekennen, leicht versöhnt. Der Mensch hingegen, da er doch hinfällig, sterblich, schwach und mit Sünden beladen ist, zürnt dem Mitmenschen anhaltend, wie wenn er ihn retten oder verderben könnte.

„Vom siebenten Berg, auf welchem grüne und frische Kräuter waren, und der ganze Berg war fruchtbar, und alle Gattungen von Tieren fanden ihr Futter an den Kräutern diese Berges, und je mehr jene Kräuter abgeweidet wurden. Desto lustiger grünten sie wieder auf: Dies sind Gläubige, welche, stets einfältig und gut, unter sich keine Zwistigkeiten, sondern vielmehr immer Freude haben an den Dienern Gottes, jungfräulichen Geistes sind, und stets bereit sind gegen alle Menschen Barmherzigkeit auszuüben, und von ihren Arbeiten gern allen Menschen mitteilen ohne Zögern und Bedenken. In Anbetracht ihrer Einfalt und Kindlichkeit hat sie der Herr gesegnet in den Arbeiten ihrer Hände und hat ihnen Gnade gegeben zu jeglichem Werk.

„Von dem achten Berg, wo sehr viele Quellen waren, an welchen alle Geschöpfe Gottes tranken: Das sind solche, welche den Aposteln geglaubt haben, die der Herr in alle Welt gesandt hat zu predigen, und manche Lehrer, welche rein und aufrichtig gepredigt und gelehrt haben und in keiner Weise der bösen Begierde sich hingegeben, sondern stets in Gerechtigkeit und Wahrheit gewandelt haben. Diese haben Umgang mit den Engeln.

„Von dem neunten Berg, der öd ist und Schlangen hat: Selche sind Gläubige, aber befleckt. Es sind Beamte, die ihr Amt schlimm verwalten, die Güter der Witwen und Waisen berauben, und mit dem, was sie empfangen haben, nicht Anderen, sondern nur sich selbst dienen; die Schlangen mit rauher Haut sind die, welche den Namen des Herrn verleugnet und nicht wieder zu ihm zurück gekehrt sind; solche Menschen sind verlassen, verzweifeln an sich selbst, werden verbittert und für ihren Herrn unnütz. Die kurzen Schlangen auf dem Berg, die sich umschlingen, das sind die hinterlistigen, die einander wechselseitig hintergehen. Wie Schlangengift den Menschen tödlich ist, so bringen ihre Worte den Menschen Ansteckung und Verderben. Kurz sind sie geworden hinsichtlich des Glaubens in Folge von ihrem Lebenswandel. Einige haben noch durch Buße wieder Heil erlangt, und auch die übrigen könnten es; wenn sie aber keine Buße tun, gehen sie zu Grunde.

„Von dem zehnten Berg, in dessen Schatten Rinder lagerten: Solches sind Gläubige, einige Bischöfe, d. i. Vorsteher der Kirchen; andere aber solche, die nicht mit verstelltem, sondern mit freudigem Herzen die Diener Gottes in ihre Häuser aufnahmen; ferner Vorstände von Regierungen, welche sich um Arme und Witwen angenommen, und stets einen reinen Wandel geführt haben. Diese Menschen werden von dem Herrn beschützt, sie stehen bei ihm in Ehren, und ihr Ort wird einst unter den Engeln sein, wenn sie bis ans Ende beharrlich bleiben im Gehorsam gegen den Herrn.

„Von dem elften Berg, auf welchem Bäume, mit mannigfachen Früchten beladen, waren: Dieses sind Gläubige, die für den Namen des Herrn den Tod gelitten und mit bereitwilligem Herzen ihr Leben hingegeben haben. Ihre Früchte sind aber deshalb ungleich und manche vortrefflicher als die andern; die nämlich, welche, vor die Richter geführt, den Herrn nicht verleugneten, sondern bereitwillig gelitten haben, sind bei Gott höher geehrt, dies bedeuten die vortrefflicheren Früchte. Welche aber furchtsam und wankend waren und in ihrem Herzen bang überlegten, ob sie bekennen oder verleugnen wollten, und dann gelitten haben, deren Früchte sind geringer. Entfernt deshalb solche Unentschiedenheit aus eurem Herzen, damit ihr in Ewigkeit Gott lebt.

„Von dem zwölften Berg, dem hell glänzenden: Dies sind solche, die geglaubt haben wie unschuldige Kinder, denen keine Bosheit in den Sinn gekommen, sondern immer in Unschuld geblieben sind und nicht einmal wissen, was Bosheit ist. Menschen dieser Art werden ohne allen Zweifel das Reich Gottes bewohnen, weil si in keiner Handlung die Gebote Gottes verletzt haben, sondern sie sind immer schuldlos geblieben alle Tage ihres Lebens. Die nun wie die Kinder ohne arg geblieben sind, werden geehrter sein als alle jene, wovon ich vorher gesprochen habe. Denn alle Kinder sind in Ehren gehalten bei dem Herrn und werden für die Ersten gehalten. Glückselig seid ihr daher, wenn ihr die Bosheit von euch weg geschafft, und die Unschuld angezogen habt, weil ihr dann als die Ersten Gottes schauen werdet.“ –
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 2 April bis Juni, 1872, S.191 – S. 196

Tags: Heilige

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