Heiligenkalender
25. Dezember
Der gottselige Franz vom Christkindlein
(Weihnachtsgeschenk)
Am heutigen Tage läge es zwar am nächsten, von der Wurzel und dem Stamm aller Heiligen zu sprechen, von Jesus Christus, und was seine Geburt auf sich habe. Allein die heutige Predigt in deiner Pfarrkirche wird auf jeden Fall ihn zum Gegenstand haben, und es geziemt sich nicht wohl, daß die Quelle aller Heiligkeit gleich den einzelnen Tropfen, die daraus geflossen, in ein paar Blättern der Legende besprochen und abgefertigt werde. Wohl aber wird es geziemen, auf den heutigen Tag, wo das Kind Jesus zur Welt kam, das Leben eines Christen zu erzählen, der ein ganz besonderer Verehrer der Kindheit Jesu gewesen und deshalb am Christtag selbst mit einem schönen seligen Tod belohnt worden ist.
Von armen Eltern in Spanien geboren, war Franz so plump und geschickt, daß es schien, er sei zu gar nichts zu brauchen. Als er einst eine böse Stiefmutter bekam, gab ihn sein Vater einem Reisenden mit, damit dieser ihn irgendwo in einem Dienst unterbringen möge. In der Stadt Alkala erbarmte sich seiner eine arme Witwe, daß er wenigstens im Haus übernachten durfte. Aber was sollte der junge Mensch nun in der Fremde machen, da seine eigenen Angehörigen nichts mit ihm anzufangen wußten? Er ging verlassen umher und suchte seine Heimat in der Kirche; hier brachte er fast alle seine Zeit zu, und bettelte das Wenige, was er zur Nahrung brauchte. Der Mesner bemerkte seine Frömmigkeit und nahm ihn als Ministrant an; allein Franz zeigte sich so täppisch, daß er ihn wieder entlassen musste; später machte der Mesner noch einmal einen Versuch mit ihm, aber er konnte ihn wegen vollständiger Tölpelhaftigkeit wieder nicht brauchen. Da kniete der arme Franz eben wieder Tage lang vor dem allerheiligsten Sakrament und klagte: „Herr, sie verstoßen mich überall!“ Da meinte er einmal die Worte zu hören: „Gehe hin und suche, wo du mir unter Vielen dienen mögest!“ Lange verstand er nicht, was diese Rede bedeuten solle, bis er vom Spitalmeister den Antrag bekam, Dienst zu treten. Jetzt konnte er zwar unter Vielen dienen, aber überall wurde er zum Spott und Gelächter, denn was er kaum anrührte, zerbrach er, oder stieß es um aus großer Unbeholfenheit.
Der Spitalmeister hatte jedoch viele Geduld mit ihm, und nachdem er ihm zuerst die niedrigsten Dienste zugewiesen hatte, musste er später für das Spital betteln gehen. Da fing nun der gute Bruder Franz eine eigentümliche Lebensweise an. Auf den Kasten, worin er das eingebrachte Almosen nieder legte, stellte er ein von Holz geschnitztes Jesuskindlein; so oft er nun in den Bettel ging, kniete er davor nieder und betete in Einfalt, das Kind möge ihm etwas bescheren zur Notdurft für seine Hofleute – so nannte er die Kranken, welche er pflegte. Wenn er dann zurück kam, legte er das Almosen dem Kind Jesus zu Füßen und dankte ihm freundlich für die Bescherung. Den ganzen Tag war er auf den Füßen im Dienste seines Kindleins, d. h. für die Kranken; damit er aber auch Zeit genug zum Gebet und zu frommen Übungen hätte, schlief er Nachts nur drei Stunden auf einer harten Bank.
Das Äußere des Bruders Franz war ziemlich abstoßend, man sah ihn für einen rohen Bauernburschen oder gar für einen Narren an. In den Wirtshäusern, wo er gern bei reichen Gästen für seine Kranken bettelte, wurde er manchmal mißhandelt. Ein junger Edelmann schlug ihm einmal ins Gesicht und drohte, ihn zur Türe hinaus zu werfen; dieser aber bat kniefällig um Verzeihung. Die Wirtin machte dem Fremden Vorwürfe, daß er den guten Bruder Franz so behandle. Der Fremde schämte sich, da er sonst schon rühmlich von dem Bruder Franz reden hatte hören und ihn nicht gekannt hatte. Er suchte seine Unart durch ein recht reichliches Almosen gut zu machen. Franz sagte nachher zu der Wirtin: „Dieser Mann hat mir ein besseres Almosen gegeben, als alle Andern; denn Andere gaben mir nur für die Armen, dieser hat mir aber noch besonders etwas für mich gegeben.“ – Ein anderes Mal hatten Fremde, welche den guten Franz für einen Narren hielten, ihn elend durchgeprügelt; darauf sagte er zu ihnen: „Dieses war für mich, nun gebt mir auch etwas für das Christkindlein.“ Durch diese Reden fühlten sich die Fremden beschämt und gaben ihm ein reichliches Geschenk. – Aber auch die Hofleute seines Christkindleins, die Armen und Kranken, machten ihm viel zu schaffen. Einige sagten, er teile das Almosen ungleich aus; andere sagten, er werde das Beste für sich behalten; wieder andere sagten, er sei ein Narr und tauge nichts zu solchen Geschäften usw. Franz aber beschämte alle diese Ankläger dadurch, daß er sich selber am ärgsten anklagte und behauptete, es sei gar nichts Gutes an ihm; er wundere sich nur, daß man so viele Geduld mit ihm habe.
Weihnachten war dem guten Franz besonders lieb und heilig; um diesen Tag recht zu ehren, machte er ihn zu einem Freudenfest der Armen. Den Sonntag vor Weihnacht ließ er auf allen Kanzeln der Stadt verkünden, daß die Armen zu einem Mittagsmahl im Spital eingeladen seien, wenn sie an diesem Fest die heiligen Sakramente empfangen. Dann bettelte er bei guten Bekannten und reichen Leuten Alles zusammen, was er zu seiner Gasterei brauchte. Schon beim ersten Versuch dieser Art hatte er 2 Ochsen, 30 Schafe, 14 Schweine, 20 Malter Mehl, viele Gemüse und 1200 Taler zusammen gebracht. Es erschienen über tausend Arme; Franz empfing sie mit Freuden, ließ sie zuerst beten zur Ehre des Jesuskindes, teilte ihnen dann mit den Spitaldienern das Essen aus und schenkte Jedem noch einen Taler in Papier eingewickelt. Den Armen, die sich schämten zu kommen, oder alt und bresthaft (= gebrechlich, behindert)waren, schickte er ihre Portion in das Haus. Dieses schöne Fest des Bruders Franz fand in der Stadt so allgemeinen Beifall, daß er bald nicht mehr nötig hatte, für das Christfest zu sammeln, sondern die Leute schickten ihm von selbst reichliche Gaben in das Spital. Einmal aber schien die Sache in der Stadt wieder vergessen zu werden, der Christtag rückte heran, und der gute Franz hatte nichts für sein Armen-Gastmahl. In dieser Verlegenheit kniete er nun vor sein Kindlein hin und sprach: „Unser Fest, wo ich deine Hofleute gastieren soll, ist nahe; dein Bruder Franz hat aber diesmal keinen Heller, und es bringt Niemand etwas, hast du mich denn vergessen?“ – Gleich darauf klopfte Jemand an der Pforte des Spitals und fragte nach dem Bruder Franz; und als er diesen gefunden hatte, übergab er ihm einen ganzen Sack voll Geld mit der Aufforderung, er solle damit diese Weihnacht das Gastmahl für die Armen herrichten. Voll Freude und Jubel legte Franz das Geld seinem Kindlein zu Füßen und konnte seinen Jesus nicht genug preisen; er holte auch die andern Spitaldiener herbei, damit sie ihm helfen Gott loben und preisen. Unterdessen war der, welcher die Geldsumme gebracht hatte, still fort gegangen, ohne daß Franz wußte, woher derselbe gekommen sei.
Wenn am Christtag arme Leute zum Essen sitzen und haben auch gar nichts Besseres, als an gewöhnlichen Werktagen, so tut ihnen ihre Armut ärger weh, als sonst; und noch bitterer fühlen sie es, wenn sie auch ihren Kindern gar nichts zum Christtag bescheren können. Und wenn ein Kind auch von Geburt schon an Armut gewöhnt ist, da schneidet sie doch schmerzliche Furchen in das junge Herz, wenn so am Christtag andere Kinder ihm ihre Christgeschenke zeigen und es fragen: was hast du bekommen? Und das armeKind muss sagen: nichts. – Ach Gott, es paßt doch nirgends hin weniger Traurigkeit, als in eine unschuldige Kinderseele und zu dem Christtag. Bedenk` dies wohl, du Leser, und laß dich durch das Beispiel des guten Franz und durch die Liebe zum Christkind bewegen, auch am Christtag Arme zu erfreuen und ihre Armut ihnen an diesem Tag vergessen zu machen. Laß ja den heutigen Tag nicht vorüber gehen, ohne daß du in eine arme Familie Trost und Freude gebracht hast. Und willst du dein Almosen recht religiös machen, so tue es in drei Familien oder an drei Personen zur Ehre der dreifachen Geburt Christi, wie auch der Priester an diesem Tag drei heilige Messen liest zum Andenken der Geburt des Sohnes aus dem Vater von Ewigkeit, Gott aus Gott, Licht aus Licht; dann zum Andenken der menschlichen Geburt aus Maria der Jungfrau, und endlich zum Andenken der geistlichen Geburt Christi in jeder wahren Christenseele.
Nachdem der Bruder Franz 37 Jahre lang in dem Spital Gott und den Menschen gedient hatte, fühlte er sich innerlich aufgefordert, in ein Karmeliter-Kloster zu gehen. Allein der früher so ungeschlachte und überall verachtete Franz war unterdessen ein höchst beliebter Mann geworden und weithin hoch geachtet. Deswegen wollte man in Alkala denselben nicht fortlassen; nun wußte er keinen andern Rat, als nach Madrid zu reisen und bei dem König sich Gehör zu verschaffen. Hier sagte Franz, das Christkindlein habe ihm in den Sinn gegeben, Karmelit zu werden; er bitte nun, daß ihm dieses bewilligt und er in Alkala entlassen werde. Der König kannte und schätzte diesen einfältigen Diener Christi und versuchte, ihm sein Vorhaben auszureden, damit nicht die Armen und Kranken einen so liebreichen Guttäter und Pfleger verlören. Nach einiger Zeit aber kam der Bruder wieder zum König und erklärte, das Christkindlein lasse ihm keine Ruhe, er müsse Karmelit werden. Der König gab nun seine Einwilligung und Franz erreichte seinen Wunsch.
Aber auch im Ordensstand fuhr er fort, ein Versorger der Armen zu sein. Er wurde nach Valencia versetzt; dort machte er mit einem christlichen und reichen Kaufmann eine Art Vertrag, d. h. was er an Geschenken für die Armen zusammen gebracht hatte, übergab er dem Kaufmann, und dafür musste ihm dieser stets wieder so viel geben, als er gerade für seine Armenpflege brauchte. Alle Monate rechneten dann beide mit einander ab. Da ergab es sich einmal bei einer Teuerung, daß Bruder Franz dem Kaufmann tausend Dukaten schuldig war; dessen ungeachtet entlehnte er immer noch mehr, so daß ihm endlich der Kaufmann erklärte, nichts mehr geben zu wollen, bis er das Alte bezahlt habe. Traurig ging der gute Franz heim zu seinem Christkindlein und klagte ihm: „Ich habe all` das Geld auf deinen Namen geborgt und keinen andern Bürgen gestellt, als dich. Kommst du mir nicht bald zu Hilfe, so werde ich noch in den Schuldturm geworden!“ – Nach diesem Gebet fühlte er sich ganz getröstet; bald gingen wieder große Geldgeschenke ein, und der Kaufmann machte ihm von selbst das Anerbieten ihm wieder zu borgen, weil von der Stunde an, wo er von dem Bruder seine Hand zurück gezogen hatte, das Glück von ihm gewichen war.
Die Verehrung für den guten Franz wurde so groß bei dem Volk, daß ihm öfters auf der Straße Stücke vom Kleid geschnitten wurden, um sie als Heiligtum zu bewahren; einmal wurde er sogar durch Ungeschicklichkeit dabei verwundet. Als ihn aber der Ordensgeneral nach Madrid versetzte, gab es fast einen Aufruhr in Valencia, weil ihn der Volk nicht fortlassen wollte. Der König nahm ihn mit großer Verehrung auf und versprach ihm 4000 Dukaten, wenn er durch sein Gebet bei dem Christkindlein erwirke, daß ihm ein männlicher Thronerbe zu teil werde. Am Ende des Jahres schon war das Gebet erhört, und Franz bekam für seine Armen die versprochene Summe.
Am Abend vor Weihnacht empfing Franz die heiligen Sterbesakramente. Am Christfest selbst, so er stets die Armen zu gastieren pflegte, wollte der Prior dem Todkranken noch eine Freude machen. Er ließ zwölf Arme vor sein Bett kommen und gab ihm zwölf Pfennige, um sie an jene zu verteilen. Diese letzte Spende tat seinem herzen so wohl, daß er noch sterbend ein Christkindlein-Lied sang und dann Abends fröhlich seinen Geist aufgab. –
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 4 Oktober bis Dezember, 1872, S. 498 – S. 503