Heiligenkalender
25. Dezember
Die heilige Eugenia von Rom, Märtyrerin
(Offenbarung am jüngsten Tag)
In Alexandria, der Hauptstadt von Ägypten, regierte ein römischer Statthalter, Namens Philippus. Dieser hatte eine Tochter, Namens Eugenia, welche nicht nur ausgezeichnet schön war, sondern auch ungemein großen Verstand und Kenntnisse besaß. Sie wurde von einem jungen Mann zur Ehe begehrt, welcher aus einer hoch adeligen Familie stammte; allein Eugenia sagte, sie frage nach guten Sitten, nicht nach adeligen Vorfahren – denn die Frau müsse mit einem Mann selbst und nicht mit seinen vorfahren zusammen leben. Desgleichen lehnte sie auch andere Heiratsanträge ab. Unterdessen wurde sie mit den Briefen des Apostels Paulus bekannt und fing an im Gemüt eine Christin zu werden.
Nun trug es sich zu, daß ihr Vater, der Statthalter, ein Gebot ergehen ließ, daß keine Christen mehr in der Stadt wohnen dürften. Eugenia bat und erhielt die Erlaubnis, auf einem dem Vater angehörigen Landgut dem Abzug der Christen aus der Stadt zuzusehen. Da hörte sie die Christen Psalmen singen und insbesondere die Worte: „Alle Götter der Heiden sind Teufel, aber unser Gott hat die Himmel erschaffen; Glanz und Majestät ist vor seinem Angesicht, Sieg und Herrlichkeit ist in seinem Heiligtum!“ Dies machte auf die junge Eugenia großen Eindruck; sie sagte zu ihren Begleitern, den zwei Verschnittenen Protus und Hyazinth, welche auch schon christlich gesinnt waren: „Alles, was unsere Weltweisen lehren, ist nichts gegen die Wahrheit, welche die Christen frohlockend bekennen. Ich höre aber, daß die Christen einen Bischof, Namens Helenus, haben, der in einem Hause mit andern Männern wohnt, wo Tag und Nacht das göttliche Lob gesungen wird; dahin möchte ich auch. Allein keine weibliche Person hat Zutritt in dieses Versammlungshaus; ich will mir deshalb die Haare abschneiden, Mannskleider anziehen und mit euch zu dem Diener Gottes gehen.“
So geschah es nun auch. Dem Bischof Helenus wurden drei Brüder gemeldet, welche den Götzendienst verlassen und Christen in dem Kloster dienen wollten. Der Bischof verrichtete das Gebet über sie, ließ ihnen den nötigen Unterricht und dann die heilige Taufe erteilen, und so wurde Eugenia auch in das Kloster als Mitglied aufgenommen, weil man sie für eine Mannsperson hielt. Unterdessen wurde die verlorene Tochter überall gesucht; selbst Wahrsager wurden gefragt, wohin Eugenia gekommen sei; zuletzt verbreitete sich das Gerücht, die Götter hätten sie in den Himmel in ihre Gesellschaft aufgenommen. Indem nun ihr heidnischer Vater diesen Unsinn glaubte, ließ er ein Freudenfest anstellen und ihr Bildnis aus Gold verfertigen, damit demselben göttliche Ehre erwiesen werde.
Eugenia aber nahm in der christlichen Erkenntnis so zu, daß sie in zwei Jahren die ganze heilige Schrift auswendig konnte. Ihre Reden waren dabei demütig und liebreich; Keiner übertraf sie im Gebet; sie war Allen Alles; mit den Traurigen war sie traurig, mit den Fröhlichen heiter; den Zornigen wußte sie mit einem einzigen Wort zu besänftigen, den Hoffärtigen verwandelte sie durch ihr auferbauliches Beispiel aus einem Wolf in ein Lamm. Ja, sie hatte eine solche Gnade von Gott dem Allmächtigen, daß, wenn sie einen Kranken heimsuchte, alsbald alle Schmerzen vergingen; sie wurde von Jedermann für einen Engel gehalten.
Eine ganz vornehme Witwe in Alexandria, Namens Melanthia, verliebte sich in die große Schönheit der hl. Eugenia, in der Meinung, sie sei ein Jüngling. Melanthia stellte sich krank und ließ Eugenia zu sich bitten; und als nun diese kam, machte jene ihr den Antrag, das Kloster zu verlassen und sie zu heiraten. Mit Abscheu wies Eugenia diesen Gott vergessenen Antrag zurück; dafür machte es aber Melanthia, wie es einst des Putiphars Weib dem Joseph gemacht hatte. Sie klagte bei dem Statthalter, daß ein junger Christ, der mit andern beisammen wohne, sie überfallen habe und mißbraucht hätte, wenn ihr nicht die Mägde auf ihr Geschrei zu Hilfe gekommen wäre. Da dieses der Statthalter hörte, befahl er voll Zorn, das ganze Kloster auszuheben und alle Brüder gefänglich herbei zu führen.
Jetzt stand Eugenia vor dem Statthalter, ihrem Vater, und zwar mit gesenktem Haupt, damit er sie nicht erkennen möge. Er donnerte sie an und sprach. „Sag` an, du lasterhafter Christ, hat euer Christus befohlen, dergleichen Schandtaten auszuüben?“ Eugenia antwortete: „Mein Herr Jesus Christus, dem ich diene, hat uns die Keuschheit gelehrt, und denen, die sie halten, das ewige Leben versprochen. Ich könnte zwar die Melanthia der Falschheit überweisen; ich will aber die lieber die Frucht der Geduld ernten, als jene ins Unglück bringen.“ – Als der Statthalter nun mit einem Schwur versichert hatte, daß der Anklägerin nichts Übles widerfahren werde, wenn Eugenia ihre eigene Unschuld beweisen könne, so begehrte diese, man solle die Mägde der Melanthia als Zeugen anrufen. Allein diese Mägde waren von ihrer Herrin schon abgerichtet und logen ganz frech, daß allerdings dieser junge Mönch ihre Frau zu einer Schandtat zwingen habe wollen. Da rief der Statthalter: “Was sagst du, ruchloser Mensch, jetzt zu der Aussage so vieler Zeugen?“
Darauf antwortete Eugenia: „Nun ist es Zeit, nicht länger zurück zu halten; ich hätte zwar gewünscht, daß erst beim letzten Weltgericht meine Unschuld geoffenbart worden wäre; denn es ist mir genug, daß der meine Keuschheit kenne, dem zulieb ich sie bewahrt habe. Aber die Ehre des christlichen Namens fordert jetzt, daß ich die volle Wahrheit entdecke. Ich habe durch die Gnade Jesu Christi männlich stark an der Tugend fest gehalten, und glaubte deswegen mich auch als Mann bisher kleiden zu dürfen. Statthalter Philippus! sieh` mich an, du bist mein Vater, und ich bin deine Tochter Eugenia, die aus Liebe zu Gott die Welt verachtet und bisher im Kloster als Mönch gelebt hat.“
Alsbald gingen dem Statthalter die Augen auf, und er erkannte seine geliebte Tochter; voll unaussprechlicher Freude sprang er vom Richterstuhl herab und umarmte und küßte sein wieder gefundenes Kind mit Tränen. Die Zuschauer waren alle von Rührung ergriffen; insbesondere aber jubelten die Christen: „Die Rechte des Herrn ist hoch erhoben, die Hand des Ewigen ist voll Kraft!“ Auch die Mutter Claudia eilte herbei; Eugenia wurde prächtig angekleidet und wie in einem Siegeszug nach Hause geführt; ihr Vater aber samt der übrigen Familie nahmen später das Christentum an.
Diese Verherrlichung der gelästerten Unschuld ist lieblich zu lesen; sie ist aber nur ein schwaches Vorbild von der Verherrlichung, welche beim letzten Gericht Allen zu Teil wird, welche unschuldiger Weise verleumdet und gelästert worden sind. Ja, die Menschen, welche für schlechter angesehen werden, als sie sie sind, können sich gleichsam freuen auf das letzte Gericht, indem dort ihre Ehre um so herrlicher glänzen wird, je ärger sie auf Erden durch Lüge und Täuschung geschwärzt worden war. Es hat deshalb Heilige gegeben, welche selber es gewünscht haben, Ehr` und guten Namen nicht früher wieder zu erhalten, bis der Allwissende vor aller Welt Gericht halten wird. Hingegen wird es bei einer viel größeren Menge gerade umgekehrt gehen, d. h. sie tragen große Sorge, daß ihre Lastertaten verborgen und ihre Ehre vor der Welt gewahrt bleibe; die Schmach wird aber dann um so furchtbarer sein, wenn ihre Sünden und ihre Verwerfung vor Engeln und Menschen kund gemacht werden von dem aller gerechtesten Richter. Deshalb frage bei deinem Tun und Lassen nicht vor Allem: was werden die Leute dazu sagen? Sondern frage allein darnach: wie wird es beim letzten Gericht von dem heiligen Gott beurteilt werden? Was die Leute sagen, vergeht wie der Wind; das Urteil Gottes aber ist fester und bleibender als ein Felsgebirge oder die Sterne am Himmel.
Der Statthalter gab den Christen nun ihre vorigen Freiheiten wieder, so daß sie in die Stadt zurück kehren durften, und das Christentum in Alexandria große Fortschritte machte. Darüber wurden aber viele Götzendiener höchst ärgerlich und verklagten ihren Statthalter bei den römischen Kaisern, als sei er Schuld, daß allenthalben die Götter verachtet und gelästert werden. Da bekam Philippus einen scharfen Befehl und Bedrohung von Rom, daß er den Göttern gehörig dienen solle; allein er blieb standhaft, teilte schnell sein Vermögen an Arme und an Kirchen aus, bevor er seiner Stelle entsetzt war, und starb dann als Märtyrer.
Nun kehrte Claudia mit ihrer Tochter, der hl. Eugenia, in ihr eigentliches Vaterland, nach Rom, zurück. Hier bekamen sie Besuch von vielen vornehmen Frauen und Jungfrauen, die teils mit der Familie befreundet oder sonst bekannt waren. Diese Gelegenheit benützt Eugenia fleißig, um sie auch zum christlichen Glauben und zur Bewahrung der Jungfrauschaft zu bereden. Der hl. Papst Cornelius gab ihnen dann Anleitung, wie sie alle Samstag Abend zusammen kommen und die Nacht hindurch mit Gebet und Lobgesängen zubringen sollten. Einmal aber, als sich die christlichen Jungfrauen wieder bei Eugenia versammelt hatten, redete sie dieselben an: „Seht, es ist die Zeit des Weinlesens heran gekommen, wo man die Trauben schneidet und mit Füßen tritt; aber ihr Saft kommt dann auf die königliche Tafel. Deswegen, ihr meine Rebzweige, ihr kostbaren Trauben meines Herzens, seid bereit in dem Herrn Jesus, bleibt standhaft in der Liebe des Herrn! Ich habe euch dem heiligen Geist anbefohlen, er wird euch rein und unverdorben erhalten. Sucht hinfür nicht mehr mein leibliches Angesicht zu sehen, sondern achtet in Gottes Geist nur noch auf meine Werke und Vorbild!“ Nach dieser Rede küßte sie alle und Jede, tröstete sie starkmütig und nahm Abschied.
Bald darauf wurde Eugenia als Feindin der Götter und Verführerin zum Abfall angeklagt und vor Gericht gezogen. Befragt über ihre Religion, legte sie das schönste Zeugnis ab: „Unser Herr und Meister hat einen Vater ohne Mutter, und eine Mutter ohne Vater. Er ist vom Vater gezeugt, ohne daß man von einem Weib wußte; und seine Mutter hat ihn dergestalt geboren, daß sie keinen Mann erkannt hatte. Eben dieser Herr hat auch eine Angetraute, die noch eine Jungfrau ist (die Kirche), welche ihm täglich zahllose Kinder gebärt. Er und seine Braut verharren beständig in Liebe bei einander, und verbleiben dennoch in solcher Reinigkeit, daß alle Jungfrauschaft, alle Liebe und alle Keuschheit aus dieser Ehe herfließt!“ Es ist noch ausführlicher berichtet, daß Eugenia aufgefordert wurde, der Göttin Diana zu opfern, wie sie dafür mit ausgestreckten Händen den lebendigen Gott angerufen hat und wie sie dann sich zu Tode martern ließ. –
Ich füge nur noch dieses bei, daß ihre christlichen Verwandten den Leichnam holten und auf ihr eigenes Gut beerdigten wo auch schon viele andere Märtyrer begraben waren. Der Mutter Claudia aber, welche bis Mitternacht am Grab der Tochter weinte und betete, erschien diese in großer Herrlichkeit und sprach: „Sei fröhlich, denn Christus, mein Herr, hat mich aufgenommen in die Frohlockung der Auserwählten; am nächsten Sonntag wirst auch du in die ewige Freude berufen werden!“ –
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 4 Oktober bis Dezember, 1872, S. 493 – S. 497