Heiligenkalender
24. März
Der heilige Erzengel Gabriel
Der heilige Gabriel ist jener Erzengel, welchen der Herr auserwählte, um der Welt die wichtigste und freudenreichste Botschaft zu bringen, nämlich die Verkündigung der Menschwerdung Jesu Christi. Die erste Gesandtschaft geschah an den heiligen Propheten Daniel. Zur Zeit des eifrigsten Gebetes erschien ihm der Erzengel Gabriel und zeigte ihm die Zeit der Ankunft des so lange ersehnten Messias an. Die Worte desselben lauten (Daniel 9, 22-27) also:
„Daniel! Ich bin gekommen, damit ich dich lehre, und du es verstehst. Da du angefangen hast zu beten, ist der Befehl ausgegangen. Ich aber bin gekommen, dir es anzuzeigen, weil du ein Mann des Verlangens bist. Merke denn auf die Rede, und verstehe das Gesicht. Gott hat die Zeit zu Gunsten deines Volkes und deiner heiligen Stadt abgekürzt und auf 70 Wochen bestimmt, damit die Übertretung aufhöre, und die Sünde ein Ende nehme, und die Ungerechtigkeit ausgetilgt werde, die ewige Gerechtigkeit gebracht und das Gesicht samt der Weissagung erfüllt und der Heilige aller Heiligen gesalbt werde. Deshalb sollst du wissen und darauf merken. Von der Zeit an, da der Befehl ausgehen wird, daß man Jerusalem wieder aufbauen soll, bis auf Christus, den Fürsten, sind sieben Wochen und 62 Wochen, und die Gassen samt den Mauern sollen wieder erbaut werden in bedrängter Zeit. Und nach 62 Wochen wird Christus getötet werden; und das Volk, welches ihn verleugnen wird, soll nicht mehr sein Volk sein; und ein Volk mit seinem Oberhaupt, das da kommen soll, wird die Stadt samt dem Heiligtum zerstören, und ihr Ende wird die Verwüstung sein, und nach beendigtem Krieg ist ihre Verwüstung beschlossen. Er wird aber vielen den Bund in der einen Woche bekräftigen; und mitten in der Woche wird Schlachtopfer und Speiseopfer aufhören, und es wird im Tempel der Gräuel der Verwüstung sein, und die Verwüstung wird bis zum Ende dauern.“
So weit gehen die Worte des Erzengels, wie der heilige Daniel selbst solche erzählt. Mit dieser Botschaft zeigte der Erzengel Gabriel nicht allein die Zeit der Ankunft des Messias, sondern auch das an, was sich mit dem Messias selbst, mit dem jüdischen Volk und mit dem Tempel ereignen würde. –
aus: Wilhelm Auer, Kapuzinerordenspriester, Goldene Legende Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres, 1902, S. 218 -S. 219
Der hl. Gabriel bei Zacharias in Jerusalem
Nach Ablauf dieser siebenzig Jahrwochen kam Gabriel wieder auf die Erde und verkündete im Tempel zu Jerusalem dem greisen Priester Zacharias die nahe Geburt Johannes des Täufers, welcher mit dem Finger dem Volk den verheißenen Erlöser zeigen werde als das Lamm Gottes, welches hinweg nimmt die Sündern der Welt. Er sprach zu ihm: „Fürchte dich nicht, Zacharias; denn dein Gebet ist erhört worden, und Elisabeth, dein Weib, wird einen Sohn gebären, den sollst du Johannes heißen, du wirst Freude und Wonne haben, und Viele werden sich über seine Geburt freuen.“ (Luk. 1)
Der hl. Gabriel bei Maria in Nazareth
Sechs Monate später erschien der heilige Erzengel wieder im gelobten Land; aber diesmal in Nazareth. Er brachte süße Nachricht; beugte seine himmlische Hoheit vor einer Tochter der Menschen, die mit einem Manne vom Hause David`s verlobt war, und übermittelte Maria den Antrag Gottes, daß sie die Mutter des Sohnes des Allerhöchsten werden solle, mit den ehrfurchtsvollen Worten: „Gegrüßet seist du, voll der Gnaden, der Herr ist mit dir, du bist gebenedeit unter den Weibern… du hast Gnade gefunden! Siehe, du wirst empfangen in deinem Leibe und einen Sohn gebären, und du sollst seinen Namen Jesus heißen.“ (Luk. 1)
Der hl. Gabriel bei Joseph in Nazareth
Joseph, der Gemahl Mariä, weil er von ihrer Einwilligung in den Antrag Gottes nichts wußte, weil er gerecht war und sie nicht in üblen Ruf bringen wollte, gedachte sie heimlich zu verlassen. Als er aber mit diesem Gedanken umging, siehe, da erschien ihm der Engel des Herrn im Schlaf und sprach: „Joseph, Sohn David`s, fürchte dich nicht, Maria, dein Weib, zu dir zu nehmen; denn was in ihr erzeugt worden, das ist vom heiligen Geiste.“ Dieser „Engel des Herrn“ war, wie eine alte Überlieferung glaubwürdig berichtet, der Erzengel Gabriel, welcher treu seines Amtes waltend, im hehren Dienst des menschgewordenen Erlösers Maria und Joseph in seliger Freude vereinte.
Der hl. Gabriel bei den Hirten und den Weisen in Bethlehem
Als endlich die Stunde kam, wo Maria, die Gebenedeite unter den Weibern, die gebenedeite Frucht ihres Leibes den Menschen gab, vollzog sich diese anbetungswürdigste Geheimnis im Dunkel bitterer Armut; aber doch wollte der Himmel nicht, daß das Kind ohne Anbetung in der Krippe liege. Ein Glanz umflossener Engel erschien den Hirten auf den Feldern von Bethlehem und rief sie zur Krippe des Neugeborenen. Dieser Engel war von einem unermeßliche Heere himmlischer Geister begleitet, welche in freudigem Jubel sangen: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind!“ Wer war wohl dieser Engel höheren Ranges, der, von wunderbarem Gefolge umgeben, allein zu den Hirten sprach? Katholische Gelehrte erster Größe sagen uns, daß dieser Engel kein anderer als der Erzengel Gabriel gewesen, welcher dabei seinem Amt, die Freudenbotschaft von der Ankunft des „neuen Königs“ zu verkünden, oblag, wie er auch später die Weisen aus dem Morgenland beauftragte, nicht mehr zu Herodes zurück zu kehren, und den hl. Joseph mahnte: „Steh` auf, nimm das Kind und seine Mutter und flieh` nach Ägypten und bleibe dort, bis ich dir`s wieder sage.“ (Matth. 2)
Der hl. Gabriel bei Jesus in Gethsemani
Als endlich Jesus im Garten von Gethsemani unmittelbar vor seinem Leiden die schreckliche Bitterkeit der Todesangst im höchsten Grade fühlte und, von blutigem Schweiß triefend, zum Himmel hinauf seufzte: „Vater, wenn es möglich ist, so nimm diesen Kelch von Mir, doch nicht mein Wille, geschehe, sondern der deine“: da erschien wieder ein Engel bei Ihm, nicht um Zeuge seiner grausamen Todesangst zu sein, sondern um Ihn in diesem Kampf zu stärken. Wer war nun dieser Engel, dessen Namen die heiligen Evangelisten uns verschweigen? Auch hier antworten fromme und gelehrte Männer, daß der Erzengel Gabriel, die „Kraft Gottes“ es war, welcher unsern teuren Herrn in seiner Traurigkeit bis zum Tode – erquickt und gestärkt hat. Auf diese großen Tatsachen und wichtigen Liebeswerke hin fordert heute die heilige Kirche ihre Kinder auf, dem erhabenen Erzengel in freudigen Festfeier ihre Huldigungen des Dankes und der Verehrung darzubringen. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 206
Aus dem Grund, daß der heilige Erzengel Gabriel von Gott zu so wichtigen Gesandtschaften gebraucht wurde, schließen die heiligen Väter, daß er einer aus den vornehmsten himmlischen Geistern sein müsse. Der heilige Bernhard bemerkt, daß der Name Gabriel mit dem, was dieser heilige Erzengel verrichtet, wohl übereinstimme; denn Gabriel heißt im Hebräischen so viel als „Die Stärke Gottes“ oder „die göttliche Stärke“. Er verkündigte Christus den Herrn, den wahren Messias, welcher die Stärke Gottes, der starke Gott ist, und seine göttliche Stärke mit der menschlichen Schwachheit so wunderbar vereinigt hat. Wie nun die ganze Welt Ursache gehabt hat, sich über die von dem heiligen Erzengel gebrachte Botschaft zu erfreuen, also steht auch uns zu, demselben als einem so erwünschten Botschafter Dank zu sagen und ihn zu bitten, daß er uns vom lieben Gott, der ihm eine so wichtige und trostreiche Gesandtschaft aufgetragen hat, die Gnade erwerbe, daß wir der Früchte des von ihm verkündigten Geheimnisses im vollen Maße teilhaftig werden mögen. –
aus: Wilhelm Auer, Kapuzinerordenspriester, Goldene Legende Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres, 1902, S. 218 – S. 219
Angélicas milicias – Manuel de Sumaya (ca. 1680 – 1755)