Das ganze Menschengeschlecht schuldet dir viel, o Gabriel
Das ganze Menschengeschlecht schuldet dir viel, o Gabriel, und heute anerkennen wir diese Schuld der Dankbarkeit voll Freuden. Mit heiligem Mitleid schautest du von der Höhe des Himmels herab in die Tiefe unseres Unglückes, unserer Gottvergessenheit. Da wurde dir vom Allerhöchsten die Sendung, die Freudenbotschaft der Erlösung und des Heiles der Erde zu bringen, welche am Rande des Unterganges taumelte. O wie schön waren deine Schritte, himmlischer Fürst, als du dich von dem Thron deiner Herrlichkeit zu unserer niederen Wohnstätte herab schwangest! Wie innig und brüderlich ist deine Liebe zu uns Menschen, die wir der Natur nach so tief unter dir stehen, und nun aus Gnade zur erhabenen Ehre der Vereinigung mit Gott selbst erhoben werden sollen!
Glücklicher Bote unseres Heiles, du, den der Herr ruft, wenn Er die Kraft seines Armes zeigen will, überbringe die Huldigung unserer anbetenden Liebe und Danksagung Dem, der dich zu uns gesandt hat. Hilf uns die unbezahlbare Schuld abtragen: gegen den Vater, „der die Welt so sehr geliebt, daß Er seinen eingeborenen Sohn dahingab“ (Joh. 3): gegen den Sohn, „der sich selbst entäußerte und Knechtsgestalt annahm“ (Phil. 2): gegen den heiligen Geist, „welcher auf der Blume (Maria und Jesus) geruht, die aus dem Reich Jesse`s hervor kam“ (Is. 11,1).
Habe Dank, hl. Erzengel, für deine Güte; denn du hast uns den süßen Gruß vom Himmel gebracht, mit welchem wir der „Jungfrau voll der Gnaden“, unserer Mutter und Königin uns nahen sollen: du hast ihn uns gelehrt und vorgesprochen; wir, die Kinder der Kirche, haben ihn von dir gelernt und wiederholen ihn bei Tag und bei Nacht auf der ganzen Erde. O steh` uns bei, daß unsere milde und gütige Königin ihn stets aus unserem Herzen und Mund mit mütterlichem Wohlgefallen annehme!
Engel der Kraft und Freund der Menschen! Walte deines erhabenen Amtes zu unserem Heil, und bereite dem Erlöser den Weg zu uns immerfort! Wir sind von furchtbaren Feinden umgeben und unsere Schwäche vermehrt noch deren Verwegenheit. Komme uns zu Hilfe und stärke unseren Mut in dieser Gnadenzeit der österlichen Fasten, in diesen heiligen Tagen der Reue, der Buße und der Aussöhnung mit dem beleidigten Vater im Himmel: lehre du uns, was alles wir dem für uns Mensch gewordenen und am Kreuz sich opfernden Jesus schuldig sind; denn wir haben unsere Pflichten gegen Ihn vergessen, haben Ihn schändlich beleidigt: erflehe uns Kraft, daß wir von nun an an seinen Lehren treu bleiben und seinen Beispielen nachfolgen: erheben unsere Gedanken zum glücklichen Aufenthalt im Hause unseres Vaters, wo du wohnst, und ziehe deine mächtige Hand nicht von uns zurück, bis wir die Plätze an deiner Seite errungen haben.
Bete, o Gabriel, für die streitende Kirche, und kämpfe mit ihr in vorderster Reihe wider die stolzen Geister der Bosheit: wehre ab von ihr die Angriffe der Ketzer und Ungläubigen, entlarve die falsche Weisheit, beschäme die hinterlistige Klugheit, reiße uns heraus aus der Gleichgültigkeit, damit Christus, den du verkündet hast, auf der ganzen, um den teuren Preis seines heiligen Blutes wieder erkauften Erde herrsche, damit wir mit dir und allen Engelchören singen können: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen!“ –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 207
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