Diamant oder Glas – Allen Christen zum Betrachten vorgelegt (1851)
5. Auslegung des Abendmahles in der alten Christenheit
Wenn du unter allen Menschen, welche seit Beginn des Christentums bis auf den heutigen Tag schon gelebt haben, wählen könntest, um dich über die wahre Auslegung des heiligen Abendmahles belehren zu lassen: wo könntest du auf die sicherste und glaubwürdigste Belehrung zählen? Dieses ist nicht schwer zu finden. Nächst den Aposteln müssen am besten Auskunft geben können die Kirchenlehrer, welche von den Aposteln oder den Schülern der Apostel selbst unterrichtet worden sind, überhaupt die Kirchenlehrer der ersten Jahrhunderte. Es sind aber von denselben noch genug Schriften vorhanden, aus welchen man sehen kann, daß sie ebenso geglaubt und gelehrt haben vom heiligen Abendmahl, wie heute noch und allzeit die katholische Kirche glaubt und lehrt.
a) Der hl. Ignatius hatte selbst noch den Herrn nach der Auferstehung gesehen; er wurde von den Aposteln unterrichtet und in gleicher Weise wie Timotheus und Titus zum Bischof geweiht. Es sind von ihm noch einige Briefe vorhanden, welche er an christliche Gemeinden schrieb. In seinem Sendschreiben an die Gemeinde von Smyrna spricht er von Irrlehrern, welche man meiden solle, weil sie nicht bekennen, daß das heilige Abendmahl das Fleisch unseres Erlösers Jesu Christi, das nämliche ist, welches für unsere Sünden gelitten hat und auferweckt worden ist. In ähnlicher Weise spricht er sich auch in seinem Brief an die Römer und an die Christen in Philadelphia aus.
b) Justin der Märtyrer, geboren hundert Jahre nach Christi Geburt, war zuerst heidnischer Gelehrter und wurde dann Christ. Er schrieb eine Verteidigungsschrift, um den Kaiser Antonin zu bewegen, daß die Christen nicht verfolgt würden. Darin sagt er vom heiligen Abendmahl (Apol. 1, c. 66): „Wir sind belehrt, daß die durch sein Gebetswort gesegnete Nahrung das Fleisch und das Blut jenes Fleisch gewordenen Jesus ist.“ Justin zeigt überhaupt in dieser Schrift, daß die Christen damals ebenso gewiß glaubten, daß das heilige Abendmahl Fleisch und Blut Jesu ist, als sie gewiß glaubten, daß er der Sohn Gottes und Mensch geworden ist. (siehe dazu auch den Beitrag: Der hl. Justinus lehrt in seiner Schutzschrift)
c) Irenäus, später Bischof von Lyon, hatte Umgang und Unterricht bei einem Schüler des Apostels Johannes, bei dem hl. Polykarp; zugleich war er auch gründlich in weltlicher Wissenschaft unterrichtet. Dieser sagt in seiner Schrift gegen die Irrlehrer (5. Buch, 2. Kap.): „Gleichwie das in die Erde gelegte Holz des Weinstocks zu seiner Zeit Früchte trägt, und das in die Erde gefallene und aufgelöste Weizenkorn vielfach aufgeweckt wird durch den Geist, welcher das All umfaßt, nachher aber durch die Weisheit Gottes übergeht zum Gebrauch der Menschen (als Brot), und wenn das Wort Gottes hinzu kommt, Eucharistie (Abendmahl) wird, welches der Leib und das Blut Christi ist: so werden auch unsere Leiber von ihm genährt und in die Erde gelegt und in ihr aufgelöst, und werden zu ihrer Zeit auferstehen, indem das Wort Gottes ihnen die Auferstehung schenkt zur Verherrlichung Gottes des Vaters.“
d) Klemens war im 2. Jahrhundert nach Christus Vorsteher einer Art von christlicher Universität in Alexandria, der sogenannten Katechetenschule. Er war ein ausgezeichnet gelehrter und scharfsinniger Mann, welcher auch vorher ein Heide gewesen war. Dieser schreibt in seiner Schrift „Der Pädagoge“ (lib. 1, c. 6): „Der Logos (Christus) ist dem Kind alles, Vater und Mutter und Erzieher und Nähert; esset, sagt er, mein Fleisch, und trinket mein Blut; o, welch ein unbegreifliches Geheimnis!“
e) Dionysius, welcher etwa sechzig Jahre später Bischof in demselben Alexandria war, schrieb einen Brief an den Bischof von Pentapolis, worin er sagt, daß Weiber, die sich in gewissen Umständen befinden, zu dieser Zeit den Leib und das Blut des Herrn nicht berühren sollen; das blutflüssige Weib im Evangelium habe auch nur den Saum seines Kleides berührt. Beten und des Herrn gedenken sei recht in jenem Zustand; aber zum Allerheiligsten hinzutreten sei dem nicht erlaubt, der nicht ganz rein an Leib und Seele sei.
f) Cyrillus war dreihundert Jahre nach Christus Bischof von Jerusalem; er sagt in seinen Katechesen (19), die er verfaßte, um die Christen in der Religion zu unterrichten: „Brot und Wein war vor Anrufung der heiligen Dreieinigkeit bloß Brot und Wein; ist die Anrufung geschehen, so wird das Brot der Leib Christi, und der Wein sein Blut.“ Und in der Katechese 22 sagt er: „In der Gestalt des Brotes wird dir der Leib (Christi) gegeben und in der Gestalt des Weines das Blut, damit du, wenn du es genießest, sein Leibes- und Blutsverwandter werdest; denn so werden wir Christusträger, da sein Leib und Blut in unsere Glieder verteilt wird; so werden wir nach dem hl. Petrus teilhaftig seiner göttlichen Natur.“
Der hl. Augustinus meldet (Hom. 26), daß man große Sorgfalt anwende, daß beim Austeilen des Leibes Christi nicht etwas davon auf die Erde falle. Wenn der Katholik Weihwasser nimmt, so hält er es für keine Unehrbietigkeit, wenn auch einige Tropfen davon auf die Erde fallen. Darum muss das Abendmahl, wenn man so ängstlich besorgt war, nichts fallen zu lassen, für etwas ganz anderes angesehen worden sein als nur für geweihtes Brot.
In solcher Weise könnte man ein ganzes Buch füllen mit den Aussprüchen der ältesten Kirchenlehrer, worin sie einstimmig aussprechen, daß im heiligen Abendmahl wirklich der gekreuzigte und auferstandene Leib Jesu vorhanden ist. Sie legen dem heiligen Abendmahl auch solche Wirkungen bei, welche nur möglich sind, wenn Christus wesenhaft darin zugegen ist. Sie sagen: es wirke Vergebung der Sünden, erleuchte den Geist, vermehre den Glauben, teile höheres Leben mit, heilige Leib und Seele, schütze gegen Feinde von außen und innen, stärke gegen alle Versuchungen und bereite auf geheimnisvolle Weise unsern Leib vor zu einer herrlichen Auferstehung. –
aus: Alban Stolz, Gesammelte Werke, Kleinigkeiten, Erste Sammlung, 1909, S. 65-68
Fortsetzung: Zeugen zur Auslegung des Abendmahles