Heiligenkalender
25. September
Heiliger Ermenfried Mönch
(Lohn der Reinheit)
Es war ein sehr reicher angesehener Edelmann, Namens Ermenrich, dessen Gemahlin hieß Waldalena; diese hatten zwei Söhne von guten Anlagen, Waldalenus und Ermenfried, welche wohl unterrichtet an den Hof des Königs Chlotar in Burgund kamen. Beide erwarben sich die Gunst sowohl des Königs als auch aller Ritter durch ihr lobenswertes Benehmen; der König vertraute nach einiger Zeit dem Waldalenus sogar sein Siegel und machte ihn zum Kanzler des Reiches. Ermenfried hingegen gefiel besonders Gott und allen guten Menschen durch seinen heiligen Wandel, und der Ruf seiner Frömmigkeit war am ganzen königlichen Hof verbreitet. Er war nämlich anmutig im Gespräch, wohl unterrichtet in den Wissenschaften und Allen überaus lieb; aus seinem Mund hörte man nur die Wahrheit; und Keiner, der mit ihm eine Weile redete, ging fort ohne von seinem honigfließenden Gespräch erbaut und gebessert zu sein. Gegen Alle war er wohlwollend, gegen Alle friedsam und Allen teuer. Während nun beide Brüder im königlichen Palast sich aufhielten, starb ihr Vater Ermenreich; sobald sie jedoch ihre zeitlichen Angelegenheiten zu Haus geordnet hatten, kehrten sie wieder an den königlichen Hof zurück.
Zu jener Zeit raffte eine pestilenzische Krankheit innerhalb vierzehn Tagen sämtliche Ordensfrauen in einem benachbarten Kloster hinweg, so daß auch nicht eine einzige mit dem Leben davon kam. Da aber die Äbtissin und Stifterin dieses Klosters, Islia, die nächste Anverwandte der Brüder war, so ließen diese es nicht zu, als die Stadt Besançon des herrenlosen Gutes und ausgestorbenen Gebäudes sich bemächtigen wollte. Weil nun der selige Ermenfried stets lieber suchte, was Gottes ist, als das Seinige, so gedachte er auch hier Gott das Gebührende zurück zu geben. Er sah, daß dieser Platz geeignet sei zu dem Vorhaben, das er im Sinne hatte; er ging nämlich mit dem Gedanken um, die Welt zu verlassen und die übrigen Tage seines Lebens Christus nachzufolgen. Er kehrte sonach mit seinem Bruder wieder in den Palast zurück um die Erlaubnis zu begehren, daß er Mönch werden dürfe. Als Ermenfried solche vom König erhalten, kehrte er zu dem Kloster zurück und fing mit großem Eifer an, dasselbe wieder herzustellen und besser einzurichten.
Zu dieser Zeit war der selige Waldebert Abt im Kloster zu Luxeu. Dahin begab sich Ermenfried und ließ sich von ihm unterrichten in allen Klosterregeln und wurde von ihm in den Orden aufgenommen; und nachdem er später auch noch die priesterliche Würde erlangt, kehrte er er gesegnet von dem seligen Waldebert zu seinem Kloster zurück. Er verließ jetzt von Grund aus die Welt; er verteilte all` sein Hab und Gut; und auch sämtliche Kleinodien von Gold und Silber gab er teils den Armen, teils verwendete er sie zum Schmuck der Kirche. Es fingen nach ihm auch viele Andere an die Welt zu verlassen, ihm ihre Sachen zu übergeben und daselbst dem Herrn zu dienen.
So entstand nun eine nicht geringe Versammlung, deren Leben ein Herz und eine Seele war, und die nach der Klosterregel in der Furcht des Herrn wandelten unter der Leitung des Pater Ermenfried, ihrer dreißig Mann. Sein Bruder aber blieb in der Welt zurück und sorgte für Herbeischaffung dessen, was sie im Kloster bedurften zur Nahrung und Kleidung. Während aber Waldalenus bei dem Dorf Ranustal wohnte, verblendete ihn der böse Feind durch die Gestalt eines Mädchens, seiner eigenen Magd. Da Waldalenus sich nicht im Stande fühlte, sein herz von dem Andenken an sie abzuziehen, und sich schämte, es seinem Bruder zu gestehen, wurde er immer leidenschaftlicher, seine ruchlose Begierde zu befriedigen. In derselben Nacht aber, da der Teufel sich schon seines Sieges zu freuen hoffte, offenbarte Gott die Gefahr dem hl. Mann Ermenfried, da dieser gerade anhaltendem Gebet sich hingegeben hatte.
Dieser eilte schnell zu seinem Bruder, schickte das Mädchen auf der Stelle fort, führte den Bruder mit sich in das Kloster, und redete ihm zu, er möge, wie er bisher getan, seinen jungfräulichen Stand in keiner Weise beflecken; denn keiner von beiden hatte bisher mit dem weiblichen Geschlecht zu tun gehabt, und sie sind denn auch glücklich bis an das Ende des Lebens jungfräulich geblieben, wie Alle bezeugen, welche die Brüder gekannt haben. Ihre Mutter soll sie deshalb auch manchmal mit ihrem Zureden belästigt haben, weil sie keine Weiber nehmen wollten. Es eiferte der hl. Mann Ermenfried um seinen Bruder mit jenem heiligen Eifer, wovon geschrieben steht: „Wie der Eifer der Bitterkeit böse ist, da er trennt von Gott und zur Hölle führt, so gibt es auch einen guten Eifer, welcher von den Sünden sondert und zu Gott und dem ewigen Leben führt.“ Diesen Eifer nun aus feurigster Liebe übte der selige Mann gegen seinen Bruder, indem er nichts wünschte als ihn stets abzuhalten von jedem Flecken der Sünde, damit sie im ewigen Leben sich ohne End erfreuen könnten; was sie ohne Zweifel jetzt tun, indem sie durch keuschen Wandel in diesem Leben die Gesellschaft der Engel verdient haben. Die Liebe war aber so groß bei ihnen, daß nie einer gegen den andern ein rauhes Wort verbrachte, sondern sie hatten stets das nämliche Wollen und Nichtwollen.
Vielleicht war es ein Vorzeichen, was einmal geschah, als die Brüder mit ihrer Mutter noch auf ihrem Landgut sich aufhielten. Sie wollten an einem Sonntag in den Gottesdienst eines benachbarten Ortes fahren. Allein die Knechte kamen mit den Pferden nicht, weil diese auf der Weide von Wölfen angefallen und auseinander gejagt worden waren. Unterdessen ging der selige Ermenfried in denBaumgarten um da zu beten; ebenso machte es auch sein Bruder. Da geschah es, daß Ermenfried, während er abgesondert betete, plötzlich vom Himmel herab den Gesang vieler Engel hörte, in der Art, wie wenn sie die Messe feierten. Da er seinen Bruder herbei rief und fragte, ob er etwas höre, antwortete dieser, er höre nichts. Da sagte Ermenfried: setze seinen Fuß auf meinen rechten Fuß. Da es Waldalenus so machte, so hörte auch er den himmlischen Gesang, und so blieben sie mit heiligem Schauder beisammen stehen. Bis die Mess-Feier vollendet war. Als dann das Singen der Engel aufhörte, warfen sich die Brüder auf die Erde uns sagten dem allmächtigen Gott Dank, daß er seine Diener so hoch begnadigen wollte. Als sie dann auch der Mutter gerufen hatten, erzählten sie ihr, was sie gehört, diese aber jammerte und sprach: „Warum habt ihr mich nicht gerufen?“ –
In der hl. Schrift wird die beständige Enthaltsamkeit mit der Lebensart der Engel verglichen. Darum wurde der stets reine Ermenfried einmal gewürdigt, schon in diesem Leben den Gesang der Engel zu hören. Waldalenus, welcher nur durch den Eifer des hl. Ermenfried in der Keuschheit erhalten wurde, hörte auch nur durch seinen Bruder diesen Gesang, indem er auf dessen Fuß den seinigen stellte. Hingegen sollte die Mutter nichts von diesem Gesang hören; denn gerade sie hatte sich der beständigen Jungfräulichkeit ihrer Söhne widersetzt.
Wir wenden uns jetzt wieder zum Klosterleben des hl. Ermenfried. Er nahm täglich zu in Heiligkeit und regierte die ihm untergeben Schar der Mönche im Dienst des ewigen Königs. Keiner gab sich zu großer Fröhlichkeit hin oder wurde von Betrübnis gedrückt; weil er, wie der Apostel sagt, mit den Fröhlichen sich freute, mit den Weinenden weinte; und die Untergebenen wandelten mit ihm heilig, wie im Psalm gesungen wird: „Mit dem Heiligen wirst du heilig sein, und mit dem schuldlosen Mann wirst du schuldlos sein.“ Ihre Liebe unter einander war sehr groß, so daß sie auf Erden einen englischen Wandel zu führen schienen. Es gab unter ihnen keinen Neid, die Pest aller Tugenden, kein Murren; denn dieses ist etwas ganz Gefährliches, wie von dem jüdischen Volk zu lesen ist, welchem das Murren zum Verderben gereichte; denn der Herr schickte feurige Schlangen über sie, damit ihre giftigen Schlangenherzen, welche ungerechter Weise gegen Gott murrten, von dem gerechten Richter gebührend gestraft würden. Wenn daher in irgend etwas die Mittel fehlen, so soll man dem allmächtigen Gott Dank sagen und unermüdlich in seinem Dienst sein; weil er den Frommen Versprechung gemacht und gesagt: „Suchet vor Allem das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, und dieses Alles wird euch drein gegeben werden.“ –
Das Murren war durchaus fern von den Schülern des seligen Mannes, weil sie Alles mit ihrem Vater gemeinsam hatten. Man erzählt auch von dem seligen Mann, daß, wenn er an Sonn- und Feiertagen nach der hl. Messe dem Volk die gesegneten Brote austeilte und er zu einem Armen oder Taglöhner kam, dessen Hände von der Arbeit rauhe Schwielen hatten, der gütige Pater ihm vorerst die Hände küßte und dann erst das Brot reichte.
Da nun der hl. Vater Ermenfried das Ziel seines Lebenslaufes erreicht hatte, bekam er ein Fieber; in der Stunde aber, wo er seine glückselige Seele dem Himmel zurück geben sollte, standen die Brüder um sein Bett, und die Sonne war untergegangen, so daß es finster war. Da kam ein so heller Lichtglanz von dem Himmel, daß er selbst die Sonne zu übertreffen schien, und in diesem strahlenden Licht gab er seinen Geist auf. Aber nicht nur die Mönche, welche zugegen waren, sahen es, sondern auch Alle, welche in der Nähe des Klosters ihre Herden hüteten. Es ist daher durch das Zeugnis von Vielen weit und breit bekannt geworden, daß sie eine so große Helle gesehen, und daß seine Seele mit dem Licht selbst in ein anderes Leben gezogen sei. Die Mönche aber beerdigten ihn mit großer Ehrerbietigkeit neben dem Grab seines Bruders, der ihm voraus gegangen, in der Kirche des hl. Johannes des Täufers, wo beide sich früher ihre Grabstätte im Felsenboden bereiten hatten lassen. –
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 3 Juli bis September, 1872, S. 492 – S. 496