Heiligenkalender
1. Juli
Der heilige Pambo Einsiedler
In dem großen Werk der Bollandisten, wo alle Lebensbeschreibungen der Heiligen, die man nur auffinden konnte, zusammen gestellt sind, werden für den heutigen Tag gegen fünfzig Heilige aufgeführt. Ich wähle unter denselben den hl. Pambo, weil sein Leben mir Anlass gibt über eine Wahrheit mich auszusprechen, welche gleichsam als Vorrede gelten mag für die zweite Hälfte der Legende, welche nun beginnt.
Der hl. Pambo war ein Schüler des hl. Antonius, und führte ein ähnliches Einsiedler-Leben in Ägypten, wie sein Lehrmeister. Es ist auch noch eine Antwort des hl. Antonius übrig, welche er seinem Schüler gab, als ihn dieser fragte, was er in seiner Zelle tun solle; Antonius sagte nämlich: „Vertraue nicht auf das Verdienst eigener Gerechtigkeit, denke nicht an vergängliche Dinge, und halte Zunge und Bauch im Zaum!“ – Geburt, Heimat und sonstige Umstände, wie sie in Lebensbeschreibungen gewöhnlich vorkommen, findet man von dem hl. Pambo nicht, wohl aber einzelne lehrreiche Aussprüche und Werke desselben. Da Pambo nicht lesen konnte, ging er einmal zu Jemanden, um eine Psalm von ihm zu lernen. Da ihm dieser vom 38sten Psalm den ersten Vers vorsagte: „Ich habe es gesagt, ich will bewachen meine Wege, damit ich nicht sündige durch meine Zunge“ – so ging Pambo fort und wollte den zweiten Vers nicht weiter hören; er sagte, dieser einzige Vers sei ihm schon genug, wenn er ihn nur vollkommen lernen und im Werk erfüllen könnte. Der, welcher dem hl. Pambo jenen Vers vorgesagt hatte, machte ihm Vorwürfe, daß er sechs ganze Monate nicht mehr zu ihm gekommen sei; da antwortete ihm Pambo, er habe den Vers des Psalmes noch nicht ganz in der Ausübung gelernt. Als er viele Jahre nachher von einem Freund gefragt wurde, ob er jetzt den Vers gelernt habe, sprach er: „In neunzehn ganzen Jahren habe ich kaum gelernt denselben in der Tat zu erfüllen.“
Der hl. Pambo gab nie sogleich Antwort, wenn man ihn etwas fragte, das auf die hl: Schrift oder ein Geschäft Bezug hatte; sondern er sprach: „Ich habe noch nicht gefunden, was ich antworten soll.“ Oft vergingen drei Monate, ohne daß er Antwort gab, und er sagte nur: „Ich habe es noch nicht begriffen.“ Seine Antworten waren aber so mit Gott überlegt, daß sie in aller Ehrfurcht von Jedermann aufgenommen wurden, wie wenn sie von Gott kämen. Er soll in dieser Tugend sogar den großen Antonius und alle Heilige übertroffen haben, nämlich daß er im Reden genau und vollkommen war. Es kam einmal der Bischof von Alexandria zu den Einsiedlern auf Besuch; die Brüder kamen zusammen, und weil damals Pambo ihr Vorsteher war, forderten sie ihn auf, er möge eine Rede zur Erbauung des Bischofs halten. Pambo erwiderte: „Wenn er sich nicht an meinem Schweigen erbaut, so wird er sich auch nicht an meinem Reden erbauen.“ Ein Abt, Namens Theodor, bat einst den hl. Pambo ihm eine Belehrung zu geben; statt aber ihm eine Menge erbauliche Dinge zu sagen, sprach Pambo ganz einfach: „Theodor, gah` fort, übe Barmherzigkeit gegen Alle! Denn Barmherzigkeit bewirkt Zuversicht vor Gott.“
Einmal kam eine sehr reiche Frau, Namens Melania, aus Rom nach Alexandria und ließ sich auch in die Wüste zu Pambo führen. Sie überbrachte sehr viel Silber und bat ihn, er möge Teil nehmen an ihrem Vermögen. Pambo arbeitete fort und flocht Zweige und sprach zu einem Jünger: „Nimm das Silber und verwende es für die gesamte Brüderschaft in Libyen und auf den Inseln; denn die Klöster dort sind dürftiger, als wir in Ägypten.“ Melania blieb stehen und erwartete, daß er ihr für ein so großes Geschenk Ehre erweise oder wenigstens ein Wort des Lobes sage; da Pambo aber gar nichts mehr sagte, redete ihn Melania noch einmal an. Und sprach: „Herr, damit du wissest, wie viel es ist, es sind dreihundert Pfund Silber.“ Allein Pambo schaute nicht einmal die reichen Gaben an und erwiderte: „Der, dem du, o Tochter, dieses gebracht hast, hat nicht nötig von dir Maß und Gewicht zu erfahren. Denn wer die Berge und Waldgebirge mit der Waage gewogen hat, weiß um so mehr das Gewicht deines Silbers. Wenn du meiner Person dieses schenken würdest, hättest du mir mit Recht das Gewicht gesagt; aber wenn du es Gott geopfert hast, der nicht einmal die zwei Heller der Witwe verachtet, sondern sie höher als Alles geschätzt hat, so schweige.“ Einem Andern, welcher ebenfalls dem hl. Pambo Gold brachte, um es zum Almosen zu verwenden, und ihn aufforderte es zu zählen, gab der Heilige zur Antwort: „Es liegt nichts an der Zahl, sondern nur an der rechten Gesinnung.“
Als Pambo eine größere Zahl von Körben geflochten hatte, von deren Erlös das Brot für ihn und seine Schüler angeschafft wurde, gab er einem Schüler den Auftrag in die Stadt zu reisen, um dort ein Kamel zu mieten, dem die Körbe aufgeladen werden könnten. Da der Jünger das Kamel brachte, begegnete ihm ein anderer Altvater der Wüste und sprach: „Wenn ich gewußt hätte, daß du in die Stadt reistest, so hätte ich dich ersucht auch für mich ein Kamel zu bringen.“ Der Jünger erzählte dieses seinem Lehrmeister Pambo; dieser sprach alsbald: „Geh`, mein Sohn, und bringe jenem unser Kamel und sage, er solle es brauchen und mit demselben in die Stadt reisen und seine Angelegenheiten besorgen; dann solle er es uns wieder zurück führen, damit auch wir unsere Körbe dorthin zum Verkauf senden.“ Der Jünger machte es so und brachte das Kamel dem Altvater; dieser nahm es an in der Meinung, Pambo sei noch nicht ganz fertig mit seinen Körben und brauche das Kamel erst später. Er lud deshalb dem Lasttier seien War auf, reiste in die Stadt und besorgte seine Angelegenheiten. Als nachher der Jünger das Kamel abholte, da erfuhr der Altvater erst, daß Pambo aus Nächstenliebe sein eigenes Bedürfnis zurück gesetzt habe, um dem andern einen Dienst zu erweisen. Der Greis war darüber beschämt und sagte mit Tränen: „Verzeiht mir, eure Liebe hat mir mein Verdienst fortgetragen.“
Ein anderes Mal wurde Pambo von dem Bischof Athanasius aufgefordert, nach Alexandria zu kommen. Da er in der Stadt eine Schauspielerin (ein Theaterweib) sah, fing er an zu weinen; die Leute fragten ihn daher, warum er weine. Der hl. Pambo erwiderte: „Zwei Dinge erwecken mir diese Tränen, einmal daß die Seele dieses Weibes verloren geht, dann aber weil ich nicht so viele Sorgfalt und Eifer habe Gott zu gefallen, als dieses Weib anwendet, um liederlichen Menschen zu gefallen.“
Eines Tages kamen vier Brüder zu Pambo mit Tierfellen bekleidet; jeder derselben pries die Tugend des andern. Der eine nämlich fastete viel, der andere aber war ganz ohne allen Besitz, der dritte hatte sehr große Nächstenliebe; von dem vierten aber sagten sie, daß er schon zweiundzwanzig Jahre unter dem Gehorsam der Altväter lebe. Der hl. Pambo antwortete: „Ich sage euch, die Tugend des letztern ist größer, als die der drei andern; denn jeder von euch übt die Tugend, welche er hat, nach eigenem Willen; dieser aber hat seinen eigenen Willen abgeschnitten und sich zum Diener fremden Willens gemacht.“ Solche Männer sind die wahren Christen, wenn sie bis ans Ende auf diese Weise ausharren. –
Als Pambo ungefähr siebenzig Jahre alt war und wie gewöhnlich an einem Korb flocht, rief er einmal seinen Jünger zu sich und sprach: „Nimm diesen Korb von meinen Händen zum Andenken; denn sonst habe ich nichts, was ich dir zurück lassen könnte.“ Als er solches gesprochen hatte, verschied er ohne alle Krankheit und ohne an irgend einem Teil des Körpers einen Schmerz zu empfinden, indem er seinen Geist dem Herrn empfahl. –
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 3 Juli bis September 1872, S. 1 – S. 6
siehe auch den Beitrag: Heiliger Johannes der Stillschweigende