Der Vorsatz ist ein Versprechen, das du zu Gott gemacht hast
Was besonders in dem Leben des hl. Johannes Therista sich auszeichnet, ist die Ausdauer und Standhaftigkeit bei seinen guten Vorsätzen. Mit Lebensgefahr entfloh er aus der Gewalt seines sarazenischen Stiefvaters in ein christliches Land, er wollte selbst in siedendes Öl steigen, wenn es sein müsste, um die heilige Taufe zu erlangen; und als er Beruf fühlte, ein strenges Bußleben zu führen, ließ er sich durch die vielen Vorstellungen und die lange Weigerung der Einsiedler in keiner Weise abhalten; auch seine vornehme Geburt und der reiche Schatz, den ihm die Eltern hinterlassen, störte ihn nicht, er schenkte denselben einfach den Armen. Diese Standhaftigkeit ist um so mehr zu bewundern, da Johannes Therista noch sehr jung war; denn bekanntlich ist die Jugend sehr veränderlich. Aber die Ausdauer bei einem guten Vorsatz ist überhaupt sehr selten. Ich will die Unbeständigkeit der meisten Menschen nicht beschreiben, denn dieses wäre eine eben so leichte als weitläufige Sache, und wenn du Leser über dein Leben nachdenkst, über Alles, was du dir schon Gutes vorgenommen hast und hintennach nicht vollführt, so wirst du überflüssig viele Beispiele finden.
Wenn aber unsere Vorsätze nicht haltbar sind, so ist dieses ein schlimmes Zeichen, es zeigt, was wir selbst sind. Ein Baum, welcher jedes Frühjahr viele hundert Blüten treibt, aber auch alle wieder fallen läßt, ohne Frucht anzusetzen, ist offenbar ein kranker, nutzloser Baum. Sieh`, deine Vorsätze sind die Blüten deiner Seele; wenn sie aber jedesmal vergehen, ohne daß es zum Halten und ausführen kommt, so gleichst du eben einem solchen kranken nutzlosen Baum. Solches Vorsatzmachen geschieht oft nur, um das unruhige Gewissen zufrieden zu stellen; sobald man dann nicht mehr von ihm geplagt wird, so läßt man wieder Alles beim Alten. Daher sagt ein großer Heiliger: „Der Weg in die Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert.“
Wenn der Baum schlecht ist und seine Blüten ohne Frucht bleiben, so kann er sich nicht selber anders machen: allein du bist ein Mensch, hast freien Willen, und die Gnade Gottes bietet sich an, wenn du dich ändern willst und deine Vorsätze in Zukunft ins Werk setzen willst. Bemüh` dich, stark und treu zu bleiben, wie Johannes Therista, so oft du dir einen guten Vorsatz gefaßt hast. Ein Vorsatz ist ein Versprechen, das du zu Gott und deiner eigenen Seele gemacht hast. Halte dich besonders an folgende Regeln:
1. Fasse nicht viele Vorsätze auf einmal, und messe zuerst ab oder versuch` vorerst, ob du es durchführen kannst, bevor du einen Vorsatz bestimmt und ernstlich machst.
2. Jeden Morgen erneuere deinen Vorsatz und bitte Gott inständig, er möge dir helfen, daß du ihn durchführst. Abends aber halte Rechnung, wie es gegangen ist; oft ist es gut, wenn du dir täglich aufzeichnest, ob du den Vorsatz gehalten oder gebrochen hast.
3. Der Teufel wird dir bei wichtigen und sehr heilsamen Vorsätzen im Anfang äußerlich und innerlich Schlingen legen, um dich davon abzubringen. Laß dich daher nicht scheu machen; wenn dir Hindernisse oder Versuchungen gegen deinen Vorsatz aufstoßen, so denk` daran, woher sie kommen. Mit Gebet und Willenskraft kannst du Alles überwinden.
4. Es liegt ein besonderer Unsegen darin, wenn man vorlaut und selbstgefällig Andern erzählt, was man sich vorgenommen habe; man wird dann leicht zu Schanden. Drum bemühe dich still und demütig, das Gute zu tun; die Blüte gedeiht eher auf einsamem Feld als an der volkreichen Landstraße.
Weil aber ein Guter Vorsatz, den man treu durchführt, ein großer Gewinn ist, mehr als viel Geld und Gut und Gesundheit und Ehre: so sollte kein Leser diese Erinnerung vorbei gehen lassen, ohne wenigstens jetzt gleich einen guten Vorsatz zu fassen und mitErnst und Kraft ihn durchzuführen.
Ich will daher einige zur Auswahl vorlegen:
- Über Niemanden mehr etwas Böses reden, wo es nicht notwendig oder offenbar nützlich ist.
- Von sich selbst nichts Gutes oder Rühmendes sagen.
- So oft du Neid oder Schadenfreude gegen Jemanden fühlst, sogleich für ihn beten.
- Jede Gelegenheit benützen, Unfrieden zu verhüten und Frieden zu stiften.
- Jeden Sonntag auch dadurch feiern, daß nach Vermögen etwas für die Armen zur Seite gelegt wird.
- Alle Jahre einmal ein armes Kind ganz oder teilweise zu kleiden.
- In der Kirche niemals mehr andere Leute aus Neugierde ansehen.
- Auch unter der Woche ein oder mehrere Male die heilige Messe besuchen.
- An Sonn- und Feiertagen wenigstens eine halbe Stunde in einem Erbauungsbuch lesen.
- Nie länger als ein halbviertel Jahr Beichte und Kommunion verschieben.
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 1 Januar bis März, 1872, S. 285 – S. 287
siehe auch den Beitrag: Mache einen recht bestimmten Vorsatz