Mache einen recht bestimmten Vorsatz

Mache einen bestimmten Vorsatz

Der Knabe Isidor war in Gefahr, ein ungebildeter Mensch zu bleiben, ein Taugenichts zu werden. – O welch` unermeßlicher Schaden für die Ehre Gottes, für die Mitmenschen und für ihn selbst wäre das gewesen! Wassertropfen retteten ihn aus dieser Gefahr und lehrten ihn, ein großer Heiliger zu werden. Du klagst vielleicht: „Das Erlernen der wahren Frömmigkeit ist mir nicht möglich, ich habe immer die alten Sünden zu beichten, die Summe meiner gebrochenen Vorsätze wird täglich größer: was soll ich anfangen?“- Gehe zum Wassertropfen in die Schule.

1. Siehe, der Wassertropfen höhlt den Stein dadurch aus, daß er auf einen bestimmten Punkt des Steines, genau auf dieselbe Stelle fällt. Würde er planlos bald da, bald dort auf den Stein fallen, so brächte er in hundert Jahren keine Aushöhlung zu Stande, der Stein würde nur naß und mit der Zeit von einem schmutzigen Schleim überwuchert werden. So vermagst du eine feste Tugend, z.B. Demut, Keuschheit, Sanftmut deinem Herzen nur dadurch einzugraben, daß du deine Kraft und Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Punkt deines Lebens richtest, d.h. einen bestimmten Vorsatz machst: ich will an diesem Ort, bei dieser Gelegenheit, gegen diese Personen demütig, keusch, sanftmütig sein, ich will diese Vorsicht, jene Mittel anwenden und im Übertretungsfall mir diese Strafe auflegen. Machst du nur den allgemeinen Vorsatz: ich will geduldig, demütig, keusch sein, ohne genaue Bestimmung: wann, wo und wie du diese bestimmte Tugend vollbringen wollest, so bist du einem gemalten Husaren gleich, welcher auf dem Roß reitet, den Säbel schwingt, ein grimmiges Gesicht macht, aber nie drein schlägt und keine Fliege erschreckt. Nur mit einem bestimmten Vorsatz weißt du genau, was du willst, kennst genau deinen Feind und kennst den Kriegsplan, dem der Sieg gewiß ist.

2. Siehe, der Wassertropfen höhlt den harten Stein aus dadurch, daß er beharrlich – lange genug – auf dieselbe Stelle fällt. In gleicher Weise gebietet dir die Pflicht der Klugheit, daß du nicht bloß bei der Gewissens-Erforschung am Abend, oder doch bei jeder heiligen Beichte einen genau bestimmten Vorsatz machst, sondern daß du deinen genau bestimmten Vorsatz täglich – beharrlich – machst und wiederholst, bis die bewußte Sünde ganz ausgerottet ist und die entgegengesetzte Tugend lebenskräftige Wurzeln geschlagen hat. Wenn du auch über ein ganzes Jahr hinaus nur einen genau bestimmten Vorsatz machst und dich anstrengst, ihn zu halten, so wird sich der Ausspruch des Büchleins der Nachfolge Christi gewiß bewahrheiten: „Wenn wir alle Jahre nur einen einzigen Fehler ausrotten, so werden wir bald Heilige sein.“ Wage eine Probe, mache einen recht bestimmten Vorsatz, besser einen kleinen als einen großen, mache ihn so lange, bis du in seiner Erfüllung fest bist: diese Probe wird dir Trost und Freude bringen. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 253

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