Versehgang Mein Gott! Es ist Jesus!

Alfons von Liguori Gewissheit des Todes: Der Priester auf dem weg, einen Sterbenden zu versehen

Versehgang 

Mein Gott ! Es ist Jesus !

Eine wahre Geschichte

Es ist eine wahre Geschichte, und in Wälschland ist sie geschehen, und einem österreichischen General und kaiserlichen Kammerherrn ist sie begegnet. Dieser ritt eines Morgens an der Spitze seiner Soldaten einher, und war guter Dinge, und führte mit den Offizieren ein unterhältliches Gespräch. Auf einmal macht er Halt, schaut erschrocken vor sich des Weges hin, sieht etwas daher kommen und tut einen lauten Schrei. „Mein Gott!“ ruft er auf: „es ist Jesus!“ – Dann springt er vom Pferde, wirft sich auf die Knie und betet.

War es eine Erscheinung? War es ein Bild des Irrsinns? Keines von Beiden. Es ist ein ärmlich gekleideter, ehrwürdiger Geistlicher mit weißen Haaren gewesen, und ihm zur Seite zwei Bauersleute, der eine mit einem Glöcklein, der andere mit einer Laterne, alle drei trotz der grimmigen Kälte entblößten Hauptes. Es war ein Versehgang an einem Wintermorgen, und der Priester trug den Allerheiligsten im Ziborium vor sich des Weges hin. Das war es, was der General gesehen, Jesum, den man zu einem Kranken trug. In seiner Jugend hatte der Herr vertraulichen und frommen Verkehr mit seinem Heiland unterhalten, später aber hat er ihn so ganz vergessen, als hätte es nie einen Jesus gegeben. Beten, Kirchenbesuch, Kommunion ist ihm fremd geworden; den Glauben hatte er nicht verloren, aber er hat ihn in seinem Herzen einschlafen lassen. Als ihm nun dort auf seinem Morgenritt ganz unerwartet Jesus Christus entgegen kam, wachte sein Glauben erschrocken auf und rief: „Es ist Jesus“; da steigt er vom Pferd, betet zitternd seinen Gott an und dann bittet er den Geistlichen, ihn mit seinen Soldaten zum Kranken begleiten zu dürfen. Der Geistliche gestattet es gern und so setzte sich der Zug in Bewegung, der Priester mit dem Allerheiligsten voraus, ihm zur Linken der General und ihnen nach das Regiment…

Was aber – dann?

Etwas von diesem Dann sollte der General bald erfahren. Sein Gewissen war durch den erzählten Vorfall und durch die Worte des sterbenden Offiziers erwacht, und warf ihm nun in scharfem Tadel sein bisheriges Betragen gegen Gott vor, und zeigte ihm in düsteren Bildern, wie es ihm noch kommen werde, wenn er nicht anders würde. Wenn er auf seinem Bett lag, war es ihm, als käme der leibhaftige Tod über ihn; er fühlte seine eiskalte Hand, roch seinen Modergeruch, hörte das Klappern seiner Gebeine. Vor Schrecken zitterte er am ganzen Leibe. Dann wieder war es ihm, als wäre er bereits vom Tode niedergemäht, seine Seele gerichtet und er in der ewigen Hölle mitten im Feuer verdammt für ewig. So lebendig stand ihm dies alles vor der Seele, daß er vor Schrecken halbtot seine Hände emporhob und voll Verzweiflung ausrief: „So habe ich denn meinen Gott verloren; ich werde ihn also nie sehen! Nie soll ich also Denjenigen sehen, der mir erlaubte, ihn mit dem süßen Namen Vater zu nennen! Nie soll ich also die Königin des Himmels, Maria, die liebevolle Mutter, sehen? Nie mich des Glückes ihrer Gegenwart erfreuen, nie ihre himmlische Schönheit, ihr holdes Angesicht anschauen und bewundern können! Auf ewig soll ich also beraubt sein des Anblicks ihres anbetungswürdigen Sohnes, der so lange, so lange“ – – weiter konnte der General nicht mehr; er musste weinen aus vollem Herzen. Da mitten in diesen schauerlichen Gedanken taucht eine edle, heilige Gestalt auf vor seiner Seele; es ist ihm, als käme die Gestalt immer näher, breite ihm liebend und mitleidig die Arme entgegen um ihn an ihr Herz zu schließen. Der General ist von ihr wie von Schauer ergriffen; er wagt nicht, sich ihr hinzugeben, und wehrt sie von sich ab mit den Worten: „O fliehe, fliehe fern von einem Ungeheuer des Undankes, das sich der Wohltaten Gottes bediente, um sein anbetungswürdiges Herz zu durchbohren! – Doch nein, laß mich zuerst erkennen, wer Du bist, laß mich Deine Züge schauen.“ Und wie sein Geist betrachtend dem heiligen Bilde ins Antlitz schaut, erfaßt ihn ein zweites Mal, wie dort bei seinem Morgenritt mit aller Gewalt, daß er aufschreit: „Gott! Es ist Jesus!“

„Ja, es war Jesus“, – so schließt der General selber die Geschichte. „Es war Jesus, dieser unvergleichlicheFreund, der immer derselbe bleibt, und der, wenn wir ihn verlassen, uns nicht verläßt, sondern uns entgegen kommt und uns aufsucht. Es war Jesus, der gütige Jesus, der mir noch sein Herz anbot, um meine Tränen, meinen Schmerz und meine Reue hinein zu legen. Es war Jesus, dem ich von nun an auf ewig folgen will.“

Der General ist ihm wirklich gefolgt; er hat Amt und Ehren der Welt verlassen, hat sich in die Einsamkeit zurückgezogen, um fortan nur mehr dem Kaiser über alle Könige, Gott dem Herrn, zu dienen. Auch in diesem Gottesdienst hat er sich zum General erschwungen; er wurde nämlich Ordensgeneral der Trappisten, als welcher er auch starb. Es war der Pater Maria Joseph von Geramb. –
aus: P. Franz Ser. Hattler SJ, Christkatholisches Hausbrod für Jedermann, der gut leben und fröhlich sterben will, Bd. II,  VII. Teil, 1892, S. 1 – S. 4

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