Was Jemand sät, das wird er auch ernten
Hätte es auch nicht gerade der heilige Apostel Paulus gesagt, so wäre es doch wahr: „Was Jemand aussät, das wird er auch ernten.“ Dieser Spruch ist zugleich so einfach und klar, daß ihn jedes Kind versteht, und doch wieder so tiefsinnig und gedankenreich, daß man darüber ein großes Buch schreiben könnte. Es ist darin gewissermaßen die Geschichte der ganzen Menschheit und jedes einzelnen Menschen in Zeit und Ewigkeit entworfen. Die ganze Zeit, welche Gott der Herr dir zum Leben schenkt, ist recht wie ein großer oder kleiner Acker. Säest du auf dem Acker Disteln, wird er dir eben auch Disteln tragen; und säest du darauf guten Weizen, wird er dir Weizen tragen; es wäre eine Erzdummheit von dir, zu erwarten, er soll dir Weizen bringen, wenn du Asche oder Distelsamen oder gar nichts aussäest. Desgleichen ist es mit deiner Lebenszeit. Verbringst du sie mit lauter gottgefälligen Gedanken, Begierden, Worten und Werken, so reift dir auf der Welt ein zufriedenes Leben und jenseits ein ewiger Himmel heran; füllst du sie aber mit Nichtstun oder Sünden aus, so bringt sie dir jetzt schon ein heilloses Verderben, drüben aber in der Ewigkeit Feuerbrand und ewiges Grab bei lebendigem Leib. Was du in deiner Lebenszeit aussäest, das wirst du ernten; es geht jedes Körnlein Samen auf, das gute wie das schlechte. Darum ist auch jeder Augenblick so kostbar. Wenn ein noch so schlechter Mensch im letzten Augenblick seines Lebens einen Akt der vollkommenen Reue erweckt, so ist er für ewig gerettet; tut aber ein großer, an Lebenstagen reicher Heiliger im letzten Augenblick eine Todsünde in Gedanken, so ist er auf ewig verloren. Vollkommene Reue erwecken oder in Gedanken schwer sündigen, kann man in jedem Augenblick des Lebens so gut wie im letzten.
Es kommt also alles darauf an, jeden Tag und jede Stunde und jede Zeit mit guten, gottgefälligen Dingen zuzubringen. Du brauchst deswegen nicht immerfort zu beten oder zu arbeiten; auch mit Ausruhen und Essen und Trinken, ja sogar wenn du nichts tust als nur leiden in gottgefälliger Weise, kannst du auf eine reiche Ernte von Verdienst und Lohn rechnen. Wenn du es recht christlich anzustellen weißt, kann auch bei dir wahr werden, was der heilige Kirchenlehrer Thomas von Aquin von der seligsten Jungfrau sagt: „So viel Augenblicke in ihrem Leben, so viel Zuwachs an Gnaden.“ –
aus: Franz Ser. Hattler SJ, Christkatholisches Hausbrod für Jedermann, der gut leben und fröhlich sterben will., II. Band, VI. Teil, 1892, S. 81