Fünfte Betrachtung der Menschwerdung Christi

Die Menschwerdung Christi: Das Jesuskind steht auf einem Holzpodest, an dem ein Holzkreuz ist; das Christuskind hält die beiden Arme ausgebreitet am Kreuz

Neun Betrachtungen über das Geheimnis der Menschwerdung des ewigen Wortes

für die neuntägige Andacht vor Weihnachten

Fünfte Betrachtung: Er ward geopfert, weil Er selbst es wollte. (Isa. 53)

Im ersten Augenblick, da das göttliche Wort Mensch und ein kleines Kind im Schoß Mariens geworden, da opferte Er sich freiwillig zu allen Peinen, ja zum Tode auf, um die Menschen zu erlösen. Er ward geopfert, weil er selbst es wollte. Jesus wußte nur allzu wohl, daß alle Opfer von Böcken und Ochsen, die man Gott bis dahin dargebracht, es nicht vermochten, für die Sünden der Menschen genug zu tun, sondern daß es einer göttlichen Person bedurfte, um für dieselben den Preis ihrer Erlösung zu bezahlen, deshalb spricht Er bei Seinem Eintritt in die Welt zu uns durch den heil. Paulus: Schlachtopfer und Gaben verlangst Du nicht; aber einen Leib hast Du mir zugerichtet, und ich sprach: Siehe, ich komme. (Hebr. 10,5 u. 7) Ewiger Vater, sprach Jesus Christus, alle Opfer, die Dir bisher dargebracht wurden, genügten nicht, und konnten nicht genügen, um Deiner Gerechtigkeit genug zu tun, deshalb hast Du mir einen des Leidens fähigen Leib gegeben, damit ich Dich durch die Vergießung meines Blutes versöhne, und die Menschen erlöse: Siehe, ich komme, siehe, Ich bin bereit; Ich nehme Alles an, und unterwerfe mich in Allem Deinem heiligen Willen. Freilich widersetzte sich der niedere Teil der Seele, und wollte solch ein Leben und solch einen Tod voll Schmach und Pein nicht annehmen, aber der obere Teil derselben trug den Sieg davon, er war dem Willen des Vaters ganz ergeben, und nahm Alles an, weshalb denn auch Jesus von jenem Augenblick an alle Ängste und Peinen erduldete, welche Seiner die noch übrigen Tage Seines Lebens warteten. So betrug sich unser Erlöser schon vom ersten Augenblick Seines Eintritts in diese Welt gegen uns. Aber ach, mein Gott! wie haben wir uns gegen Jesus betragen, seitdem wir angefangen haben, mit dem Licht des Glaubens die heiligen Geheimnisse Seiner Erlösung zu erkennen? Welche Gedanken, welche Pläne, welche Güter haben wir geliebt? Ach, es waren eitle Weltfreuden, Scherz, Hoffahrt, Rachsucht und Sinnlichkeit, dies waren die Güter, welche Besitz von den Neigungen unseres Herzens genommen. Aber wenn wir den Glauben haben, so müssen wir doch endlich einmal unser Leben und unsere Neigungen ändern. Lieben wir also Gott, der so viel für uns gelitten hat. Betrachten wir die Schmerzen des göttlichen Herzen Jesu Christi, die Er schon als kleines Kind für uns erduldet hat, denn alsdann werden wir nichts anderes lieben, als dieses Herz, das uns so sehr geliebt hat.

Anmutungen und Gebet

Willst Du es wissen, o mein Herr! wie ich mich bis jetzt gegen Dich benommen habe? Ach, so wie ich den Gebrauch der Vernunft erlangte, fing ich schon an Deine Gnade und Deine Liebe zu verachten. Ach, Du weißt es besser als ich; aber dennoch hast Du mich ertragen, weil Du es gut mit mir meintest. Ich floh von Dir, und Du bist mir gefolgt, um mich wieder zu Dir zu rufen. Dieselbe Liebe, welche Dich bewogen hat, vom Himmel herab zu kommen, um die verlorenen Schäflein aufzusuchen, hat es auch bewirkt, daß Du mich so lange ertragen, daß Du mich noch nicht verlassen hast. O mein Jesu! jetzt suchst Du mich, aber sieh, auch ich such Dich. Ich fühle es, daß Deine Gnade mir beisteht, sie steht mir bei, da sie mir Schmerz über meine Sünden verleiht, die ich mehr als alles andere Übel verabscheue; sie steht mir bei, da sie mir eine große Begierde einflößt, Dich zu lieben, und Dir wohl zu gefallen. Ja, mein Heiland, ich will Dich lieben, ich will Dir gefallen, so sehr ich es nur vermag. Es ist wahr, einerseits fürchte ich mich wegen meiner Schwäche und Gebrechlichkeit, die ich mir durch meine Sünden zugezogen, aber das Vertrauen, welches mir Deine einflößt, ist noch weit größer, da es mich auf Deine Verdienste hoffen läßt, weshalb ich mutig ausrufe: Ich kann alles in dem, der mich stärkt. Bin ich schwach, so gibst Du mir Kraft gegen meine Feinde, bin ich krank, so hoffe ich, daß Dein Blut mein Heilmittel sei, bin ich selbst ein Sünder, so hoffe ich doch, daß Du mich noch selig machen werdest. Ich erkenne es, daß ich früher hin zu meinem verderben mitgewirkt, weil ich es versäumt habe, in den Gefahren zu Dir meine Zuflucht zu nehmen. Aber von heute an, o mein Jesus, meine Hoffnung, will ich immer zu Dir meine Zuflucht nehmen, denn siehe, von Dir hoffe ich allen Beistand, alles Gute. Ich liebe Dich über Alles, und will nichts anderes lieben, als Dich allein. Erbarme Dich meiner und stehe mir bei, um der Verdienste so vieler Leiden willen, die Du schon als kleines Kind für mich erduldet hast. O ewiger Vater! um der Liebe Jesu willen nimm mich an, damit ich Dich liebe. Wenn ich Dich erzürnt habe, so sollen die Tränen des Jesukindleins, das für mich bitte, Dich besänftigen: Blicke, o Gott! auf das Antlitz Deines Gesalbten. Nicht ich verdiene Barmherzigkeit, wohl aber dieser, Dein unschuldiger Sohn, der Dir ein Leben voll Schmerzen aufopfert, damit Du Dich meiner erbarmst.

Und Du, o Maria, Mutter der Barmherzigkeit, unterlasse es nie, für mich zu bitten. Du weißt, wie sehr ich auf Dich vertraue; und ich weiß es nur zu wohl, daß Du keinem, der zu Dir seine Zuflucht nimmt, verlassen wirst. –
aus: Alphons Maria von Liguori, Die Menschwerdung und die Kindheit unsers Herrn Jesu Christi, Ein Gebets- und Betrachtungsbuch für die heilige Adventszeit, 1842, S. 75 – S. 78

Der hl. Alphons Maria von Liguori empfiehlt das folgende

Gebet, das man vor einer jeden Betrachtung zum Kindlein Jesu verrichten kann.

Man kann täglich, wenn man dieses Gebet verrichtet, einen Ablass von 300 Tagen gewinnen.

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