Neun Betrachtungen über das Geheimnis der Menschwerdung des ewigen Wortes
für die neuntägige Andacht vor Weihnachten
Siebente Betrachtung: Er kam in sein Eigentum und die Seinigen nahmen ihn nicht auf. (Joh. 1)
Weinend und trostlos seufzend wandelte der heil. Franz von Assisi in der heiligen Weihnachtszeit durch die Straßen und Wälder, und fragte man ihn, warum er denn weine, so sprach er: Wie sollte ich nicht weinen, da ich sehe, daß die Liebe nicht geliebt wird? Ich erblicke meinen Gott, der beinahe ein Tor aus Liebe zu den Menschen geworden, und ich sehe, wie die Menschen so undankbar gegen einen solchen Gott sind. Betrachte jetzt, geliebte Seele! wie sehr solch ein Undank das Herz Jesu Christi mit Trauer erfüllen musste, wenn das Herz eines Franziskus schon so betrübt darüber war. Kaum war Jesus im Schoß Mariens empfangen, so sah Er den grausamen Undank vorher, den Er von den Menschen zu erwarten hatte. Er war vom Himmel herab gekommen, um das Feuer der göttlichen Liebe anzuzünden und dies Verlangen allein hatte Ihn bewogen, auf die Erde herab zu kommen, um da in einem Abgrund von Schmerzen und Schmach versenkt zu werden. Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu senden, und was will ich ich anders, als daß es brenne. (Luk. 12,49) Und dennoch erblickte Er einen Abgrund von Sünden, welche die Menschen begehen würden, nachdem sie so viele Beweise Seiner Liebe empfangen. Das war es, sagt der heilige Bernardin von Siena, was unserem Heiland unendliche Schmerzen verursachte. Auch für uns Menschen ist es eine unerträgliche Pein, wenn wir Jemanden mit Undank von einem Anderen behandelt sehen, weshalb der selige Simon von Cassia bemerkt, daß der Undank die Seele weit mehr betrübe, als irgend eine Qual den Leib schmerze. Aber welch einen Schmerz mag unser Undank wohl unserem Herrn und Gott Jesu Christo bereitet haben, da Er sah, wie Seine Wohltaten, wie Seine Liebe mit Unbilden und Beleidigungen erwidert ward: Und sie vergalten mir Übel für Gutes, und Haß für meine Liebe. (Psalm 108,5) Ja noch heut zu Tage scheint Jesus Christus zu beklagen und und auszurufen: Fremd bin ich geworden meinen Brüdern. (Psalm 68,9) Ach Er sieht, wie so viele Ihn weder lieben noch erkennen, als ob Er ihnen nie etwas Gutes erwiesen, als ob Er nichts aus Liebe zu ihnen gelitten hätte. Ach mein Gott! wie wenig Wert setzen selbst jetzt noch so viele Christen auf die Liebe Jesu! Der Erlöser erschien eines Tages dem seligen Heinrich Suso in der Gestalt eines Pilgers, der von Haus zu Haus ging, und um eine Herberge bat, aber alle vertrieben Ihn mit Unbilden und Beleidigungen. Ach, wie viele gleichen nicht Jenen, von welchen Job spricht, daß sie zu Gott sprechen: Geh weg von uns… da er doch ihre Häuser mit Gütern füllte. (Job 22,17) Ach auch wir haben uns früher mit diesen Undankbaren vereinigt, wollen wir fortfahren, uns immer so zu betragen? Nein, dies liebenswürdige Kind, das vom Himmel herab gekommen ist, um zu leiden, um für uns zu sterben und unsere Liebe zu erlangen, verdient das sicher nicht.
Anmutungen und Gebet
So ist es also wahr, o mein Jesus! daß Du vom Himmel herab gestiegen bist, damit ich Dich liebe, daß Du gekommen bist, um aus Liebe zu mir ein Leben voll Schmerzen und den Kreuzestod zu erdulden, damit ich Dich in meinem Herzen aufnehme! Und dennoch konnte ich Dich so oft von mir weisen und sagen: Weiche von mir, o Herr! Entferne Dich von mir, denn ich will Dich nicht aufnehmen. Ach, mein Gott! Wenn Du nicht die unendliche Güte wärest, und wenn Du Dein Leben nicht darum hingegeben hättest, um mir zu verzeihen, so würde ich es nicht wagen, Dich um Verzeihung zu bitten. Aber ich höre, wie Du selbst mir den Frieden anbietest: Bekehret euch zu mir, spricht der Herr, so werde ich mich zu euch bekehren. (Zach. 1,3) Du selbst, den ich so sehr beleidigt habe, du selbst bist mein Mittler: Er ist die Versöhnung für unsere Sünden. (Joh. 2,2) Ich will Dir also nicht diese neue Beleidigung zufügen, daß ich länger Deiner Barmherzigkeit mißtraue. Von ganzem Herzen bereue ich es, o höchstes Gut! daß ich Dich verachtet habe, ach, um Deines für mich vergossenen Blutes willen nimm mich wieder in Deine Gnade auf. Vater! Ich bin nicht würdig, Dein Sohn genannt zu werden. Ach, mein Heiland und mein Vater! ich verdiene es nicht, Dein Sohn zu heißen, da ich so oft Deiner Liebe entsagt habe, aber mache Du mich durch Deine Verdienste derselben würdig. Ich danke Dir, mein Vater, ich danke Dir und ich liebe Dich. Ach der Gedanke an die Geduld, mit der Du mich so viele Jahre ertragen hast, der Gedanke an die vielen Gnaden, die Du mir, nach so vielen Beleidigungen erwiesen, sollte mein Herz immer mehr mit Deiner Liebe entzünden! Komm dann also, o mein Jesu! ich will Dich nicht mehr vertreiben, komm und wohne in meinem armen Herzen, ich liebe Dich, und will Dich immer lieben, aber entflamme Du mein Herz immer mehr und mehr durch den Gedanken an die Liebe, die Du zu mir getragen hast.
O meine Königin, meine Mutter Maria! stehe mir bei, und bitte Jesus für mich; mache, daß ich mein noch übriges Leben hindurch dankbar gegen einen Gott sei, der mich, trotz so vieler Beleidigungen, dennoch so innig geliebt hat. –
aus: Alphons Maria von Liguori, Die Menschwerdung und die Kindheit unsers Herrn Jesu Christi, Ein Gebets- und Betrachtungsbuch für die heilige Adventszeit, 1842, S. 80 – S. 83
Der hl. Alphons Maria von Liguori empfiehlt das folgende
Gebet, das man vor einer jeden Betrachtung zum Kindlein Jesu verrichten kann.
Man kann täglich, wenn man dieses Gebet verrichtet, einen Ablass von 300 Tagen gewinnen.