Der Mutter Gottes liebliche Osterzeit

Der auferstandene Heiland Jesus Christus erscheint Seiner Mutter Maria, vor Ihm kniet

Niemand hat so die Osterfreude erfahren wie die Mutter Gottes

Teil 1

Der Morgenhimmel über der Erde dämmerte, als, wie man annimmt, nach Mitternacht des dritten Tages der Heiland von dem Tode auferstand. Wir können uns den Vorgang und die Herrlichkeit dieser Auferstehung wohl so vorstellen: In der Osternacht zog die verklärte Seele Christi in großem herrlichen Geleit von Altvätern, Heiligen und Engeln aus der Vorhölle zur Grabeshöhle, wo der Leib lag, regungslos, schön wie ein Marmorbild, mit den Zeichen der Wunden, aber ohne Anhauch von Zerstörung und Zerfall. Die Gottheit, die nie von der Seele und von dem Leib Christi wich, webte einen Strahlenkranz um den Leichnam. Spezereien, Blumenbüschel und Wohlgerüche hauchten süße Düfte. Der Heiland wies den Altvätern die Martermale und ließ sie auf geheimnisvolle Art alle Leiden erkennen. Dann aber war es, als beugte sich die glorreiche Seele Jesu über den Leichnam, zerschmolz gleichsam mit ihm, und der Leib, lebend und leuchtend, von der Seele und Gottheit durchdrungen, stieg und schwebte aus den Leichenhüllen hervor. Alles war voll Licht und Glanz, und der dunkle Grabesfelsen verschwand vor der Herrlichkeit des Auferstandenen. Der Herr war unendlich schön, majestätisch und freundlich zugleich. Der Leib war wie durchgeistigt, durchschimmernd weiß und rosenfarbig. Die Wundmale, aus deren Mitte feine Strahlen gegen die Finger zu liefen, waren mit ihren Wundlippen lieblich anzuschauen, wie die Schönheitsgrübchen an einem Kinderantlitz. Das Gewand, ähnlich einem weiten Mantel, schimmerte gleich leuchtendem Gewölk im Sonnenschein bald golden bald purpurn wie der Saum der Abend- und Morgenwolken. Was war es jetzt eine Freude, Gottmensch zu sein! Das Nachtstück des irdischen Lebens war hinab gesunken, Freude und nur Freude, Ehre und Macht war jetzt das Leben. In der Neuheit dieses Lebens erhob der Heiland seine Augen und seine Arme zum himmlischen Vater, als wollte er ihm die Erstlinge der Herrlichkeit darbringen. Es war auch, als wenn die heiligste Dreifaltigkeit sich über ihn herab neigte und der Vater spräche: „Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt“ (PS. 2,7), d.h. Zu einem neuen, wunderbaren, gottähnlichen Leben der Menschheit nach. Und die heiligen Altväter staunten, jubelten, und preisen anbetend den auferstandenen Herrn in mächtigen Chören.

Nachdem der Heiland dem himmlischen Vater die Ehre gebracht, erinnerte er sich auch seiner lieben Mutter und wollte ihr, wie ein alter, deutscher Dichter sagt, „einen fröhlichen Morgen wünschen“ und ihr selbst die erste Kunde von seiner Auferstehung bringen. Die Heilige Schrift spricht nicht von dieser Erscheinung, welche wohl die erste unter allen war. Aber im Leben des Heilandes vollzog sich alles nach der größten Schicklichkeit und Angemessenheit. Maria stand ihm der Natur und der Gnade nach am nächsten. Von ihr hatte er das Leben, das jetzt so glorreich und freudvoll war, und an der Erwerbung dieser Herrlichkeit hatte sie selbst den innigsten Anteil genommen. Auch sie konnte in einem gewissen Sinne sagen: „Heute habe ich dich gezeugt“, d.h. Heute bist du in den Besitz des Lebens gelangt, für das ich dich geboren habe, du bist mein Sohn auch in dem Zustand der Herrlichkeit. Was hatte die arme Mutter auch gelitten bei seinem Tode! Wie treu und heldenmütig hatte sie bei ihm ausgeharrt bis zur Grablegung! Wie zartfühlend und großmütig machte der Herr bei den Jüngern und Jüngerinnen alles Leid gut, das sie für ihn getragen! Konnte er weniger zartfühlend und großmütig gegen seine Mutter sein? Wie würdig und rührend bereitete sie sich auf die Auferstehung des Sohnes vor! Ihr Glaube und ihre Hoffnung kannten keine Schranken. Mit großer Sehnsucht und glühendem Verlangen erwartete sie seine Ankunft. Das Verlangen des Patriarchen Jakob (Gn. 45,28) und des Tobias (Tob. 10,5ff 11) nach ihren Söhnen waren nur Schattenbilder ihrer Sehnsucht. Mit heißem Gebet endlich erflehte sie die Ankunft ihres Sohnes. Eine solche Mutter verdiente schon einen besonderen Trost. Und wie konnte er sie als Mutter anders trösten, als daß er selbst kam, daß er durch den Augenschein zeigte, daß er lebe, glücklich sei und nie wieder sterben werde? Das geschah nun, indem er ihr erschien, ihr seine Herrlichkeit offenbarte, wie er es niemand getan. Ja er erhob sie zu einer ganz erhabenen Anschauung und einem unbegreifbaren Mitgenuss seiner göttlichen Freuden, teilte ihr den Zweck seines zeitweiligen irdischen Aufenthaltes mit und wies ihr ihren Teil an diesem glorreichen Werke an. Maria erscheint nicht unter den Zeugen der Auferstehung des Herrn. Das ist der Anteil der Apostel, der Jünger und der heiligen Frauen. Über alle diese Ordnungen ist Maria durch die Würde der göttlichen Mutterschaft erhoben. Nicht das Zeugentum, sondern der Genuss an der glorreichen Auferstehung des Herrn ist der Anteil der Mutter Gottes an der Herrlichkeit des Ostertages. Als Mutter steht sie an der Krippe, als Mutter am Kreuz, als Mutter am glorreichen Grab des Auferstandenen.

Nach der Darstellung der alten, frommen Meister können wir ein liebliches Bild dieses Wiedersehens gewinnen.
Vor Freude und Erwartung schlief die Mutter Gottes in der Osternacht gar nicht. Sie kleidete sich in ihr bestes Gewand, dann ordnete sie zierlich ihr Kämmerlein, stellte Rosmarin und blühende Myrten an das Fenster und begab sich dann ins Gebet.

O welch sehnsüchtige Seufzer entsendete sie zu ihrem lieben Sohn in die Vorhölle und mit welch liebenden und werbenden Gedanken umfing ihr Geist und ihr Herz die stille, dunkle Grabkammer draußen vor der Stadt! Das Hohelied hätte nicht Gedanken und Worte genug, um den Bräutigam ihres Herzens zur Einkehr zu bewegen. „Die Nacht hindurch habe ich ihn gesucht, den meine Seele liebt, ich suchte ihn und habe ihn nicht gefunden. … Es komme doch der Geliebte in sein Gärtlein. … der Winter ist ja vorüber, fort ist der Regen, und die Blumen sprießen auf. … Komm zurück eilends und schnell, wie das Reh und der junge Hirsch sich flüchten über die Berge von Bethers“ (Hl. 2,17). So flehte sie unaufhörliche und milde Tränen, rannen über ihre schönen Wangen.

Da nach Mitternacht erklang ein leises, süßes Singen und Klingen, wie von Himmelsstimmen. Es wurde licht und hell in ihrem Kämmerlein, so daß ihr Lämpchen nicht mehr zu leuchten schien. Der Herr war da mit mit vielen Engeln und Altvätern, die aus Ehrfurcht im Vorraum blieben, aber doch durch die offene Türe blicken konnten. (Nach einem älteren Bild in der Galerie von Lissabon.) Maria blickte von ihrem Betschemel auf und sah – und sah den Herrn zu sich herantreten. Er erschien in aller Herrlichkeit des neuen Lebens, glorreich und freudvoll, einen weiten,, herrlichen Mantel um die Schultern, einen kostbaren Kreuzstab in der linken Hand, und sie segnend mit der Rechten begrüßte er sie mit heiterem Antlitz und mit großer Herrlichkeit. Sie fiel ihm zu Füßen, betete ihn an und rief freudig bewegt aus, ob er es wirklich sei. „Ja, ich bin es, geliebte Mutter, ich bin auferstanden und bin selbst gekommen, es dir anzukündigen.“ Dann hob er sie mit großer Zärtlichkeit auf, umarmte sie, legte sein Antlitz auf das ihrige und drückte sie an sein Herz, viel zärtlicher, als er es je getan hatte. Zu gleicher Zeit erhob er sie, wie nie vorher, zu einem wunderbaren Innewerden und Anschauen seiner Gottheit und Menschheit, so daß ihr Herz von ganz ungeahnter Freude und Himmelsseligkeit überflutet wurde. Niemand hat so die Osterfreude erfahren wie sie. Der Heiland vergalt ihr so alle Liebe und das bittere Leid, das sie bei seinem Tod ertragen. Alsdann setzten sie sich zusammen, und die Mutter betrachtete mit unbeschreiblicher Innigkeit, Liebe und Freude seine heiligen, schönen und verklärten Züge, sein Antlitz und seine Hände. Er zeigte ihr seine Wunden, die einst so schrecklich anzuschauen waren, jetzt aber lieblich und sanft strahlten. Sie fragte ihn, ob denn nun aller Schmerz gewichen sei, ob er nichts lehr leide, und er antwortete ihr: „Mutter, die ich verehre, aller Schmerz ist weit von mir. Alles ist überwunden, und nie mehr werde ich leiden.“ Und sie freute sich und lobte Gott, daß er ihr den Sohn wieder gegeben. –
aus: Moritz Meschler SJ, Unsere Liebe Frau, Ihr tugendliches Leben und seliges Sterben, 1913, S. 154 – S. 159

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