Was der Katholik früher bei einer Volksmission tat
Der hl. Vinzenz hat sich die besondere Verehrung Frankreichs und der Christenheit vorzüglich dadurch verdient, daß er durch Abhalten von Volksmissionen und durch die Stiftung des Lazaristen-Ordens für diesen Zweck auf das religiöse und gesellschaftliche Leben zunächst in Frankreich unbeschreiblich wohltätig eingewirkt hat. Du hast vielleicht schon verschiedene Meinungen über solche Missionen gehört und Zweifel bekommen, ob sie wirklich so schätzbar und nützlich seien, wie sie von Geistlichen dargestellt werden, oder ob sie schädlich wirken, wie die „Aufgeklärten“ in deinem Ort behaupten. Am sichersten kommst du hierüber ins Klare, wenn du die Sache selbst anschaust und überlegst, was der Katholik bei einer Mission tut:
1. Der Katholik zieht sich während der Mission (vier bis acht Tage lang) von seinen zeitlichen Geschäften und Sorgen zurück, spricht mit Niemanden über weltliche Dinge und bewacht sorgfältig seine Augen, seine Ohren, seine Zunge, sogar seinen Gaumen, um alle Zerstreuungen von sich abzuwehren und in schweigender Stille sich zu sammeln. Er hält diese Abschließung von der Außenwelt und diese aufrichtige Einkehr in sich selbst für wichtig und notwendig, um wieder einmal recht klar darüber zu werden, wie er vor Gott und mit Gott stehe, ob sein geistliches Hauswesen in einem Zustand sei, in welchem er den Ruf vor den Richterstuhl Christi ruhig und getrost erwarten kann. Ist es wohl gut und nützlich, wenn er, nachdem er dem Leibe viele Jahre geschenkt hat, der Seele einige Tage schenkt?
2. Der so gesinnte Katholik hört die Predigten der Missionare an und verarbeitet dann das Gehörte fleißig in stillem Nachdenken: er prüft sich, wie er diese göttlichen Glaubens- und Sittenlehren bisher befolgt oder nicht befolgt habe, wie er sie in seinem Stande und Beruf befolgen könne und wolle, welche Hindernisse, Angewöhnungen und Gelegenheiten er entfernen müsse, um den Namen eines Schülers und Nachfolgers Jesu Christi zu verdienen. Denn dazu hat er sich ja schon das Taufgelübde verpflichtet, von dem ihn nicht einmal der Papst dispensieren kann. Zugleich hat er den besten Anlass, sich von den Missionaren etwaige Zweifel in dieser wichtigsten Seelen-Angelegenheit aufhellen zu lassen. Ist es wohl gut und nützlich, wenn er ernstlich untersucht, wie es mit seinem Taufgelübde, mit seiner Nachfolge Jesu stehe? Denn es gibt ja einen ewigen Himmel, um seine Treue zu belohnen, aber auch ein ewigeHölle, um seine Untreue zu strafen.
3. Der so gesinnte Katholik betet während der Mission; in dieser geistlichen Einsamkeit betet er mit sonst selten empfundener Andacht; seine Seele ergießt sich vor Gott bald in Danksagungen für empfangene Gnaden, bald in Abbitte für begangene Sünden, bald in vertrauensvollem Gebet um neue Gnaden zur Beharrlichkeit in den guten Vorsätzen. Er empfängt mit außergewöhnlichem Eifer das heilige Sakrament der Buße und die heilige Kommunion: er gewinnt den vollkommenen Ablass, den die heilige Kirche allen aufrichtigen Teilnehmern an der Mission verleiht. Ist es wohl gut und nützlich für zeit und Ewigkeit, wenn er voll des guten Willens andächtig betet, würdig beichtet und kommuniziert und durch einen vollkommenen Ablass sich von allen zeitlichen Sündenstrafen befreit? – Apropos – du kannst auch für dich allein – alljährlich – so eine Mission halten, bitte nur deinen Seelsorger oder Beichtvater um eine Anleitung dazu und den hl. Vinzenz ums eine Fürbitte. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 542 – S. 543