Wie notwendig und tröstlich doch die Buße ist
Lieber Leser! Du hast gewiß mit großer Verwunderung gelesen, wie die Sünderin Maria (von Ägypten) so überaus streng ihr früheres, sündhaftes Leben gebüßt hat und es ist dir vielleicht der Gedanke gekommen, ob wohl Gott eine gar so strenge Buße von dem Sünder fordert? Nun höre: Die eigentliche Buße, ohne welche gar Niemand selig werden kann, der nach der Taufe gesündigt hat, ist nichts anders als reumütige Umkehr zu Gott, wahre aufrichtige Besserung des Lebens. Von dieser Buße spricht Christus der Herr, wenn er sagt: „Wenn ihr nicht Buße tut, so geht ihr alle zu Grunde.“ Von dieser Buße bist also auch du nicht ausgenommen; täglich mußt du dich als Sünder erkennen; täglich mußt du deine Sünden bereuen; täglich gegen deine Neigungen und Leidenschaften kämpfen, täglich gegen die Versuchungen streiten; täglich an deiner Besserung arbeiten. Dieser Kampf, diese Arbeit kostet viel Mühe und Anstrengung und wird daher auch Buße genannt. Wenn du diese Arbeit, diesen Kampf unterläßt; wenn du gleichgültig und lau fortlebst, ohne zu trachten, das Unkraut der Sünde in dir auszurotten und dem Bild Jesu gleichförmig zu werden, der dich zur Nachfolge, einlädt, dann gehst du auf ewig verloren. Diese Art der Buße hat Maria in der Wüste getan und um sie sicherer tun zu können, ist sie in die Wüste gegangen. –
Du hast nicht nötig in die Wüste zu gehen, du kannst diese Buße überall üben und mußt sie auch üben, wenn du selig werden willst. Stelle dir aber ja nicht vor, daß diese Buße gar so hart und schrecklich ist. Gar viele Christen gibt es, die schon erschrecken, wenn sie nur das Wort „Buße“ hören. Sie meinen nämlich, die Buße besteht einzig darin, daß man ein recht strenges Leben führe, daß man immer faste, seinen Leib züchtige, sich alle und jede Freude versage, und ein ganz trauriges Leben führe. Allein diese Buße würde nichts helfen, wenn du dich nicht besserst; Bekehrung, Besserung, Änderung des sündhaften Lebens, das ist die erste und notwendige Buße und diese ist nicht so hart und schrecklich; sie gewährt vielmehr großen Trost und innere Freude. Denn so oft du dich überwindest, so oft du einen Sieg über dich erringst, so oft du irgend einen Fehler abgelegt, irgend eine Tugend geübt hast, folgt Friede und Freude im heiligen Geist.
Aber ich will dir nicht verhehlen, daß es noch eine Art Buße gibt, die dem Sünder ebenfalls notwendig ist und die darin besteht, daß der Mensch nach seinen Kräften die Sünde an sich selbst straft, um nicht in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen, der zwar dem reumütigen Sünder, welcher seine Sünden aufrichtig dem Priester bekennt, wegen der Verdienste Jesu, seines Sohnes, die Sünden und ewigen Strafen, aber nicht alle und jede Strafe nachläßt. Es bleibt noch eine zeitliche Strafe übrig. Deswegen haben die Heiligen selbst ihre kleinen Sünden an sich so streng gestraft und so strenge Bußübungen sich auferlegt. Deswegen hat auch die Büßerin Maria in der Wüste ein so hartes Leben geführt. Sie erkannte nämlich die große Bosheit ihrer Sünden und wollte sich dafür strafen und züchtigen. Zwar fordert Gott nicht von jedem Menschen, der gesündigt, eine solche außerordentliche Bußübung, aber er fordert, daß du doch etwas für deine Sünden tust und leidest. Wenigstens sollst du gerne deine täglichen Widerwärtigkeiten, Trübsale, Beschwerden und Kümmernisse geduldig hinnehmen und wenn dich Gott auch mit Leiden heimsucht, dieselben im Geist der Buße ertragen. – Ja, wenn du recht lebhaft deine Sünden erkennst und erleuchtet vom Licht des heiligen Geistes einsiehst, wie schrecklich du Gott durch die Sünde beleidigt hast, so wirst du voll heiligen Eifers dich anstrengen, so viel du kannst, diese Beleidigungen gut zu machen: du wirst dich züchtigen und strafen und auch darin Trost und Beruhigung finden, denn diese Buße geschieht dann aus Liebe Gottes und die Liebe versüßt alle Bitterkeit.
Fürchte also, christliche Seele, die Buße nicht; du kannst nicht selig werden, wenn du nicht Buße tust, das heißt, dich wahrhaft bekehrst und besserst; und du kommst der Strafe nicht aus, wenn du nicht nach Kräften deine Sünden abzubüßen, das heißt, an dir die Sünde zu strafen suchst!! Allerdings hat Christus für alle deine Sünden vollständig gebüßt und genug getan, aber du wirst der Früchte seiner Buße nur dann teilhaftig, wenn du mit Christo Buße tust!
Gebet.
O Mein Jesus, verleihe mir die Gnade, daß ich doch einmal anfange, den Weg der Buße zu gehen und meine Sünden an mit selbst zu strafen. Du hast so unendlich Vieles für meine Sünden geduldet, warum soll ich nicht auch jede Züchtigung hinnehmen? O Maria, Zuflucht aller Sünder, hilf mir, daß ich mich wahrhaft bekehre und bessere. Amen.
aus: Georg Ott, Legende von den lieben Heiligen Gottes, Bd. 1, 1904, S. 541-543
Siehe auch den Beitrag: Über die Christliche Selbstbestrafung