Was Unsere Liebe Frau vor allem von dir fordert
Wenn du dich, christliche Seele, in allem Ernst dem Dienst der Königin des Himmels geweiht hast, so sollst du auch wissen, was Unsere Liebe Frau vor Allem von dir fordert, wenn anders dein Dienst ihr wohlgefällig und dir heilsam sein soll. Es fordert aber Maria (…) von dir, daß du von jeder Todsünde frei und rein bist. So lange du in der Todsünde lebst, bist du ja ein Knecht oder eine Magd des Teufels, des grimmigsten Feindes der allerseligsten Jungfrau; du stehst unter seiner Fahne und bist also auch ein Feind U. L. Frau; unmöglich kannst du ihr gefallen. Sie kann die Werke, welche du ihr zu Ehren etwa üben mögest, nicht annehmen, die Blumen, die du ihr zu einem Strauß winden mögest, sind welk, verdorrt, ohne Schönheit, ohne Wohlgeruch; sie wendet ihr Antlitz davon ab, sie verachtet sie. –
Der heilige Petrus Cölestinus erzählt, daß ein lasterhafter Soldat täglich einige Andachtsübungen zu Ehren der göttlichen Mutter verrichtete. Eines Tages hatte er heftigen Hunger. Da erschien ihm die allerseligste Jungfrau und bot ihm ausgesuchte Speisen an, die sich aber in einem so schmutzigen Gefäß befanden, daß es ihn ekelte, sie nur anzurühren. Da sich der Soldat zu essen weigerte, sprach Maria zu ihm: „Siehe, ich bin die Mutter Gottes und bin gekommen, deinen Hunger zu stillen.“ „Aber antwortete der Soldat, ich kann mich nicht entschließen, diese Speisen aus einem solchen Gefäß anzunehmen.“ „Wie ist es aber möglich, entgegnete Maria, daß du verlangst, ich solle deine Andachtsübungen günstig aufnehmen, da du sie mir mit einem so schmutzigen Herzen darbringst?“ Als der Soldat dies vernahm, bekehrte er sich, wurde Einsiedler, und lebte dreißig Jahre in der Wüste, worauf ihm Maria in seiner Todesstunde erschien, und ihn in den Himmel führte. (Alphons Liguori)
Du siehst also, daß du in der Todsünde lebend, ein Gegenstand des Abscheus der lieben Mutter Gottes bist, und Alles, was du ihr zu lieb tust, vergeblich ist, weil es aus einem garstigen, wüsten Herzen kommt. Was sollst du also tun? Die Antwort ist, du musst dich von Herzen zu Gott bekehren und in den Stand der Gnade Gottes zu kommen suchen. – Schon der Wunsch und Wille, die Sünden zu verlassen, macht, daß Maria ihre barmherzigen Augen zu dir wendet und dir behilflich sein wird, den Schlingen des Satans zu entgehen.
Der gottselige Edelmann von Schenkenberg machte eine Reise nach Italien; dort geriet er mit einem adeligen Herrn in einen Wortstreit. Es kam so weit, daß beide zu den Waffen griffen, und Schenkenberg seinen Gegner ermordete. Nun ward Schenkenberg wegen dieses Mordes und anderer Laster sehr beängstigt: sein Gewissen ließ ihm keine Ruhe mehr, und er wußte nicht, wohin er sich wenden sollte. Da kam ihm der Gedanke, bei Maria seine Zuflucht zu nehmen. Er tat es sogleich, und flehte inbrünstig zu ihr, sie möchte sich seiner erbarmen und ihm aus seinem elenden Zustand heraus helfen. Da hörte er in der folgenden Nacht eine Stimme, welche rief: „Mache dich auf, gehe in das Land Tirol und frage nach Kaltenbrunn, dort wird dir geholfen werden.“ Er machte sich alsbald mit dreizehn Dienern und vier Pferden auf den Weg und fragte im Land Tirol lange nach dem angezeigten Ort, bis er denselben gefunden. Da er nun zu Kaltenbrunn im Oberinntal angekommen war, ersah er ein andächtiges Liebfrauenbild in einem Gestäude ( = Gesträuch, Gebüsch) an einem großen Stein. Sogleich brach er in die Worte aus: „Da wird meine Ruhe und der Ort meiner Buße sein.“ Alsbald entließ er seine Diener, verkaufte seine Pferde, wählte Kaltenbrunn zu seinem Wohnsitz, baute über dem Marienbild eine kleine Kapelle, lebte daselbst in niedriger Hütte bis zum Ende seines Lebens gar bußfertig und starb selig im Herrn. (Schmid S.J., Tyrol. Ehrenglanz)
Erforsche dich also ernstlich, christliche Seele, und solltest du eine schwere Sünde auf deinem Herzen haben, dann versäume keine Zeit; greife geschwind zur Buße, bereue sie vom Grund des Herzens, beichte sie und verlasse die Sünde und die Gelegenheit hierzu für immer. Solltest du aber sagen: „Ja, ich erkenne das Elend, in welches mich die schwere Sünde gestürzt; ich bin ja keinen Tag, keine stunde, ja keinen Augenblick vor der ewigen Verdammnis sicher. Ich wollte mich gerne bekehren, aber die Gefahren, mit denen ich umgeben, meine böse Neigungen, welche in mir schon veraltet, und meine bösen Gewohnheiten benehmen mir alle Hoffnung einer wahren Bekehrung und Besserung!“ – o so verzage nicht; fliehe zu Maria, U. L. Frau, rufe sie um ihre Fürbitte an, sie wird dir eine kräftige Reue über deine Sünden verschaffen; sie wird dich mit ihrem göttlichen Sohn versöhnen; sie wird deine Gefahren und Versuchungen hinweg nehmen oder verringern; sie wird dir die Gnade erbitten, daß du deine Neigungen und Gewohnheiten überwindest; sie wird dir helfen, daß du durch einen auferbaulichen Lebenswandel die ewige Seligkeit erlangst. Und solltest du dennoch zagen, so vernimm, was Maria der heiligen Brigitta, ihrer treuen Dienerin, geoffenbart hat.
„Es mag ein Mensch noch so viel gesündigt haben, sprach sie, wenn er aber mit aufrichtigem Willen der Besserung zu mir sich wendet, so bin ich alsbald bereit, ihn in Gnaden aufzunehmen, und gebe nicht acht, wie viele Sünden er begangen habe, sondern ich sehe nur auf den Willen, mit welchem er zu mir kommt. Denn ich trage keinen Abscheu, seine Wunden zu heilen, weil ich genannt werde und wahrhaft bin eine Mutter der Barmherzigkeit.“
Wie? Willst du noch Bedenken tragen, dich einer so mächtigen, gütigen, barmherzigen Mutter anzuempfehlen, die so huldvoll dich einlädt und dir zu helfen bereit ist?? –
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben Heiligen, Erster Teil, 1869, Sp. 192 – Sp. 194