Über die Tugend des christlichen Gottvertrauens
Felix von Nola hat den auszeichnenden Ehrennamen „der Heilige des Gottvertrauens“ erhalten, wie der hl. Franz von Sales sich den Titel „der Heilige der Sanftmut“ verdient hat. Denn die Grundtugend, aus welcher das fromme des hl. Felix aufblühte von dem Tage an, wo er sein väterliches Erbe verschenkte, bis zu seinem Greisenalter, wo er aus dem gemieteten Äckerlein noch Almosen für die Armen zog, war das unerschütterliche kindliche Gottvertrauen; dieses war die Stimmung seines Herzens, die Kraft seines Handelns, die Süßigkeit seines Gebetes, die Freudigkeit seines Leidens. Betrachte recht aufmerksam:
Worin die Tugend des christlichen Gottvertrauens bestehe. Es ist nicht so fast eine besondere Tugend, wie die Sanftmut, die Gerechtigkeit usw. eine besondere Tugend ist, sondern es ist die Blüte der schönen und kostbaren Gnadengaben, welche der heilige Geist durch die Verdienste Jesu in der Taufe in unsere Herzen ausgießt, es ist die Kindschaft Gottes in ihrer reinen Entfaltung. Das Gottvertrauen ist mehr als die Tugend des Glaubens, denn es ist im Besitz der erhabensten Ansicht von Gott; es ist mehr als die Tugend der Hoffnung, denn es ist die freudige Gewißheit derselben; es ist mehr als der gewöhnliche Grad der Liebe, denn es erschwingt sich zur ehrerbietigen Vertraulichkeit mit Gott: es ist die Demut in ihrem genauen Gleichgewicht, weder in Verzagtheit herab sinkend, noch in Stolz sich erhebend; mit einem Wort, es ist die Seligkeit der heiligen Religion auf Erden und trägt in sich dieselbe unwiderstehliche Neigung zum Gebet, die es zum Handeln hat. O gütiger und barmherziger Gott, durch die Fürbitte des hl. Felix flehe ich zu Dir, komme meiner Schwäche zu Hilfe, daß ich doch mit reinem Kindessinn auf dich vertraue!
Betrachte, wie wichtig das lebendige Gottvertrauen ist. Es ist überaus wichtig, was du für eine Ansicht von Gott hast. Wenn du Gott nur als deinen Schöpfer dienest, so bist du ganz verschieden von dem Christen, welcher Ihm als seinem Vater dient. Wenn dein herz trocken und kalt ist gegen Gott, so kommt es daher, weil du in Ihm nur deinen Gesetzgeber, Herrn und Richter siehst, und keinen Begriff von einem liebenden Gott hast. Gewiß würdest du keine so bittere Unlust, keinen so drückenden Mangel an Trost bei Erfüllung deiner Pflichten erfahren, nicht so viele Versuchungen wider den Glauben und die Hoffnung haben, bei Widerwärtigkeiten dich nicht so sehr empfindlich zeigen, wenn du das Glück hättest, zu glauben und stündlich zu fühlen, daß Gott dein Vater ist, daß Er aus väterlicher Liebe und in der Weise eines Vaters gegen dich handelt. Und was tut Gott, um dir eine kindliche Gesinnung gegen Ihn abzunötigen, welche Schmerzen hat Er auf sich genommen, um dir eine lieblose Ansicht über Ihn unmöglich zu machen! Durch den Propheten Jeremias hält Er dem abtrünnigen Volk alle seine Sünden vor, um es zur Buße zu bewegen, und fügt die wehmütige Bitte bei: „So rufe wenigstens von jetzt an zu Mir: „Du bist mein Vater!“ Jesus ist Mensch geworden, um dich zu lehren, daß du im Gebet Gott beim Vaternamen anrufst; Er ist für dich am Kreuz gestorben, um dir den Geist der Kindschaft mitzuteilen, in welchem du sprichst: „Abba, Vater!“ Und der heilige Geist schenkt dir die Gabe der „Frömmigkeit“ ausschließlich zu dem Zweck, dich fähig zu machen, selbst in hohem Grade eine recht kindliche Zärtlichkeit gegen Gott zu haben. Siehe doch, es ist der ernstliche Wille des dreieinigen Gottes, daß du nicht sein Knecht, sondern sein Kind seiest! O habe Gottvertrauen! –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 45 – S. 46