Das Laster der Habsucht und die Tugend der Genügsamkeit
Es ist aber die Habsucht ein Laster, von welchem die meisten Menschen in reiferen Jahren mehr oder weniger angesteckt sind. Aber daran ist besonders zu verwundern, wie höchst selten ein Mensch dieses an sich erkennt, es beichtet und sich bemüht, dagegen zu kämpfen. Du darfst keineswegs glauben, nur der sei habsüchtig, welcher stiehlt oder betrügt um einen Gewinn zu machen, sondern jeder Mensch ist habsüchtig, welchem das Zeitliche mehr angelegen ist als Gott. Wenn du also an Sonn- und Feiertagen arbeitest um Geld zu verdienen, aber den Gottesdienst versäumst um einem Geschäft nachzugehen, so bist du habsüchtig. Wenn du dein tägliches Gebet oft unterläßt, um schneller an die Arbeit zu kommen, und wenn du auch bei der Arbeit gemeiniglich nie an Gott denkst, so bist du habsüchtig. – Wenn du bei deinem Gewerbe lügst, oder deinem Gewerbs-Genossen seines Verdienstes wegen mißgünstig bist, oder du dich den gesetzlichen Abgaben zu entziehen suchst, z. B. dem Zoll, Accis (=Binnenzoll), so bist du habsüchtig. – Wenn dir ein zeitlicher Schaden mehr Sorge und Kummer macht, als wenn du eine größere Sünde getan hast, und wenn du bei weitem mehr bemüht bist, deinen Kindern viel Vermögen zu erwerben, als sie recht christlich zu erziehen, so bist du habsüchtig. – Wenn du den reichen Mann mehr achtest und Rücksicht auf ihn nimmst, sei er sonst noch so verdorben, als den tugendhaften Tagelöhner, so bist du habsüchtig.
Die Habsucht wird aber in der hl. Schrift dem Götzendienst gleich gestellt, weil der Habsüchtige das Geld oder das zeitliche Gut zu seinem Gott gemacht hat, den er anbetet, an den er am meisten denkt, den er um keinen Preis verlieren will, und den er liebt von ganzem herzen und ganzer Seele und aus allen Kräften. Du tröstest dich umsonst mit der Ausrede, daß du ja auch betest und am Sonntag in die Kirche gehst. So haben auch die Juden den wahren Gott angebetet, aber zu gleicher Zeit oft noch falsche Götzen dazu gehabt. Gott hat aber gesprochen: „Du sollst keine fremden Götter neben mir haben.“
Wohin zuletzt die Habsucht führt, hat man an Judas gesehen und ließ sich ahnen bei dem Tod des Mannes, von dem ich erzählte. (siehe den Beitrag: Heiliger Silvinus)
Wir wollen aber jetzt wieder zu dem hl. Silvinus zurückkehren. In seinem Leben findet man die wahrhaft besten Mittel gegen die allgemeine Weltkrankheit der Habsucht.
Die Habsucht kommt nämlich daher, weil der Mensch ein sinnliches Wohlleben führen, daher mehr haben will, als notwendig ist, und weil der Mensch selbst im Notwendigen kein Vertrauen auf Gott hat. Bei einer Lebensweise, wie sie der hl Siverius geführt hat, mag man sich wohl denken, daß Keiner in Versuchung kommen wird, habsüchtig zu sein. Nun wird zwar von dir nicht verlangt, du sollst wie jener kein Brot essen, auf dem Boden schlafen und ganz schlechte Kleider tragen: aber viele tausend Menschen hätten nicht notwendig, so sehr nach Erwerb zu laufen und zu rennen, wenn sie sich und ihre Familie in Kleidung, Wohnung, Essen und Trinken und Vergnügungen auf das Notwendige einschränken wollten. Freilich wenn man bei mittelmäßigem Vermögen den Reichen nachmachen will, und im niedersten Stand den Mittelleuten gleich kommen will: dann muss man sich der Habsucht ergeben, und wird selbst Lügen und Unredlichkeiten sich zu Schulden kommen lassen, wenn Gelegenheit ist etwas dadurch zu erwerben.
Nun mag Mancher sagen: „Es kommt mir niemals in den Sinn, reich zu werden und üppig zu leben; aber wenn man eine große Familie hat, wenig Verdienst und eine bedeutende Schuldenlast, so kann man nicht anders, als man muss sich schwere Sorgen machen und auf jede Weise sich bemühen, etwas zu verdienen.“ Und doch ist dieses nicht wahr.
Der Gott, welcher die Menschen erschaffen hat, hat auch Sorge und Veranstaltung getroffen, daß sie ihr tägliches Brot bekommen. Aber die Menschen sollen nur auch auf Gott vertrauen, und nicht meinen, sie selber und ihre Sorgen müssten alles allein tun. Manchen Menschen läßt Gott nur deswegen in Bedrängnis und Elend kommen, weil er überall um Hilfe sucht, nur bei Gott nicht. Der hl. Silvinus war ohne alle Sorge um sein Auskommen, wenn er auch gerade Alles hergeschenkt hatte; und litt niemals Not, weil er ruhig auf Gott vertraute. Wenn hingegen ein Familienvater meint, er müsse am Sonntag arbeiten, er müsse lügen, er müsse Holz freveln, er müsse seine Kinder in Bettel schicken oder in Dienst geben, wo sie nur schlechtes vor Augen haben, um sein Auskommen zu finden: er kündet Gott auf; er hofft und will nichts von Gott, sondern er will sich selber helfen und zwar gerade auf eine Weise, wie es Gott verboten hat. Da ist freilich kein Vertrauen zu Gott, und da muss die Habsucht das herz immer mehr umstricken und in die Gewalt des Teufels bringen. Nimm dir daher wohl den Ausspruch des Apostels Paulus zu herzen 1 Tim. 6, 6: „Es ist ein großer Gewinn die Gottseligkeit mit Genügsamkeit. Denn wir haben nichts in die Welt gebracht; offenbar können wir auch nichts hinaus tragen. Haben wir Nahrung und Bedeckung, so lasset uns damit begnügen. Die aber reich werden wollen, fallen in Versuchung und Fallstricke des Teufels und viele unvernünftige und schädliche Begierden, welche die Menschen in Verderben und Untergang stürzen. Denn eine Wurzel aller Übel ist die Habsucht.“ –
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 1 Januar bis März, 1872, S. 248 – S. 250