Ich bin ein Christ! Welch Ehre und Würde!
Der hl. Lucian freute sich innigst und schätzte sich vollkommen glücklich im Besitz der Ehre und Würde, ein Christ zu sein. Diese Ehre und Würde war ihm wertvoller, als jeder irdische Reichtum, als jede Auszeichnung des Kaisers, als das eigene Leben. Du stimmst wohl auch seinem Urteil, seiner Überzeugung bei, daß der sterbliche Mensch keine größere Ehre und keine höhere Würde erreichen kann, als diese: Ich bin ein Christ: Warum?
1) „Ich bin ein Christ“ bedeutet: „Ich bin ein Gesalbter des Herrn, ich bin durch den heiligen Geist, welcher ausgegossen ist in mein Herz (Röm. 5), wieder geboren, neu geschaffen zum Kind Gottes; ich bin als Kind auch Erbe Gottes, Miterbe Christi und somit auserwählt, mi Ihm in ewiger Glorie zu herrschen und zu regieren. „Ich bin ein Christ!“ bedeutet: „Ich stehe in einer inneren, wesenhaften Verbindung mit Christus, ich habe Christum, wie der hl. Paulus sich ausdrückt, angezogen, bin ein Glied Christi.“ (Gal. 3) Staunend über diese wesenhafte Neuschaffung ruft der hl. Johannes den Christen zu: „Seht, welche Liebe uns der Vater erwiesen, daß wir Gottes Kinder heißen und sind. Darum kennt Uns die Welt nicht, weil sie Ihn nicht kennt. Geliebteste, jetzt sind wir Gottes Kinder… wir werden Ihn sehen, wie Er ist.“ (1. Joh. 3) Die Juden rühmten sich – und mit Recht – Kinder Abrahams zu sein (Joh. 8); aber die höchste Stufe des Adels ist es, sagt der hl. Cyrillus, in die Zahl der Kinder Gottes eingereiht zu sein. Ob du von adeliger oder nicht adeliger Familie abstammst; ob du jetzt in einem Palast oder in einer geringen Hütte wohnst; ob die Leute große oder gar keine Komplimente vor dir machen; daran liegt nichts, das kann sich mit jedem Tag ändern; aber daß du ein Christ, im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes getauft und ein Kind Gottes bist, ist deine höchste Ehre, deine auszeichnende Würde und die immer fließende Quelle süßester Freude. O vergiß es nie!
2) „Ich bin ein Christ.“ heißt: „Ich muss wie ein Gesalbter, wie ein Prinz des Königs aller Könige handeln.“ Der hl. Lucian erfüllte diese Standespflicht treu und handelte stets königlich. Ja königlich handelte er, als er sein Vermögen den Armen austeilte; königlich handelte er, als er mit allem Fleiß die Wahrheiten der heiligen Religion kennen lernte und seinen inneren und äußeren Lebenswandel mit denselben in Einklang brachte; königlich handelte er, als er für die Ehre Gottes rastlos tätig war und seine großen Talente zum Besten unwissender Heiden und christlicher Jünglinge verwertete; königlich handelte er, als er die Schmeicheleien eines mächtigen Kaisers ebenso gering anschlug wie seine Drohungen. Ganz gleich wie der hl. Lucian, hast auch du in der heiligen Taufe dein Ehrenwort eingesetzt, deinen Königseid geschworen: „Ich widersage dem Teufel, „dem Fürsten dieser Welt“ (Joh. 12,31), ich widersage seiner stolzen Gesinnung und seinen äußeren Werken; ich glaube hoffend und liebend an meinen Vater, den allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erde; ich glaube an Jesus Christus, meinen gekreuzigten Erlöser und gerechten Vergelter; ich glaube an den heiligen Geist, in dessen Kraft ich von dem Tod auferstehen und in das ewige Leben der Glorie eingehen werde: ich will ein Christ sein.“ –
So hast du feierlich geschworen vor dem Priester, dem Stellvertreter Gottes, und vor zwei Zeugen, den Stellvertretern der katholischen Brüder-Gemeinschaft. Bewahre und bewähre deine Christen-Würde in deinem kurzen Erdenleben: sei edel gesinnt wie ein König und weise von dir die Gemeinheiten, zu denen die Welt dich einlädt: sei gerecht wie ein König und ehre deinen Gott und Herrn durch frommes Gebet, durch erbauende Heiligung der Ihm besonders geweihten Tage und durch kindliche Unterwerfung unter seinen Willen: sei hochherzig wie ein König gegen die Mitmenschen, unterstütze die Armen, tue wohl den Leidenden, und zeige ihnen nach Kräften den Weg zum Heil: sei tapfer wie ein König in den Versuchungen zur Sünde, in Leiden und Verfolgungen von Außen; die schönste Königskrone wird dein ewiger Ruhm sein. –
aus: Otto Bitschnau O.S.B., Das Leben der Heiligen Gottes, 1880, S. 18