Laßt uns das Te Deum singen im Leiden

Das Te Deum singen im Leiden

Vergegenwärtige deiner Seele die zwei Glücklichen in der kalten Dezembernacht 1227: die 20-jährige Elisabeth und ihren ebenso alten Schwager Heinrich. Elisabeth, die Königstochter und seit vier Monaten Witwe durch den Tod des besten, geliebtesten Mannes, seit 24 Stunden verjagt aus ihrem Erbe und Besitz, ausgeschlossen von jeder menschlichen Hilfe, gemartert von dem Jammergeschrei ihrer vier kleinen Kinder, – diese Elisabeth verläßt um Mitternacht den Schweinestall, geht in die Kirche und bittet die Mönche, mit ihr das Te Deum zu singen. – Droben auf der Wartburg sitzt Heinrich im großen, tageshell beleuchteten Prunksaal, er wiegt sich auf dem weich gepolsterten Samtsessel neben dem warmen Kamin, er freut sich im Kreise seiner Freunde der Herrschaft über das schöne Thüringen und – ist glücklich. Aber wer ist glücklicher, wer hat mehr Recht das Te Deum zu singen, Elisabeth oder Heinrich?

1. Auf diese Frage antwortet dir der heilige Geist selbst: „Alle diejenigen, die Ich lieb habe, züchtige Ich.“ Der Erzengel Raphael versichert tröstend dem alten Tobias, der über das Erblinden betrübt wurde: „Weil du Gott lieb und angenehm warst, ist es notwendig gewesen, daß die Versuchung (d. h. Dein Erblinden) dich bewährt hat.“ (Tob. 12, 13) Dasselbe bezeugt der hl. Paulus im Brief an die Hebräer (12, 6): „Mein Sohn, achte nicht gering die Züchtigung des Herrn; denn wen der Herr lieb, den züchtigt Er, Er geißelt einen jeden Sohn, den Er aufnimmt.“ „Wie“, frag der hl. Augustin, „wie, willst du allein davon ausgenommen sein? Wenn du ausgenommen bist von der Strafe der Geißel, so bist du auch ausgenommen von der Zahl der Kinder Gottes.

2. Auf obige Frage antwortet dir ferner die allgemeine Erfahrung: Kreuz und Leiden zählen zu den größten Gaben der göttlichen Güte; denn sie bewahren dich vor Stolz und Gottvergessenheit, begründen dich in der Demut und zwingen dich, im Gefühl der eigenen Ohnmacht dein Trost bedürftiges Herz und Auge zum Himmel empor zu heben und dich an der Vaterhand des Allmächtigen festzuhalten. Kreuz und Leiden schälen dich los vom Irdischen, nehmen dir ab die Sklavenketten der Sinnlichkeit und Menschenfurcht, erheben dich zur süßesten Freiheit und lehren dich hoch schätzen, was allein Hochschätzung verdient: Gott, die Tugend, die Seligkeit; sie machen dich am meisten ähnlich dem Sohne Gottes selbst, vor dem sich alle Knie beugen im Himmel, auf der Erde und unter der Erde. „Aber“, klagst du, „Kreuz und Leiden tun wehe!“ Ja, freilich ist es so, sonst wären sie eben nicht Kreuz und Leiden. Doch Gott verlangt nicht, daß unempfindlich, sondern daß du geduldig seiest und durch deine Geduld Ihm die Freude machst, dich mit ewiger Seligkeit belohnen zu können. Und wieder klagst du: „Aber ganz unschuldig leiden ist doch gar hart!“ Ei, möchtest du denn lieber schuldig sein?

O nimm dein Kreuz mutig auf dich, trage es geduldig und singe zum Himmel hinauf das Te Deum! –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 865 – S. 866

Tags: Kreuz

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