Purpurtränen vom Herzen Jesu – Teil 4
Die Blutstropfen aus Christi Herzen – Geburtsschmerzen
Jeder ehrsame Christenmensch, der einmal in den schönen Himmel kommen will, um ewig zu leben, muss eigentlich dreimal geboren werden, du auch mein lieber Leser! – und bei jeder Geburt gibt es der Schmerzen und der Tränen gar viele. Dein erster Geburtstag hat dich in das Jammertal hereingeworfen zu einem Leben, in welchem du Schritt für Schritt vorwärts zum Grab gehen musst. Dein zweiter Geburtstag ist dein Sterbetag, wo die Seele im Leibe rebellisch wird und desertiert. Da legt man den Leib in die Wiege des Sarges; die Seele muss hinüber rücken in die neue Welt, – in die Ewigkeit – zum ewigen Sterben oder Leben. Zum Leben aber kannst du drüben nicht eingehen, wenn du nicht hier schon wiedergeboren bist. Jede Menschenseele, wie du weißt, kommt seit Evas Apfelbiss für`s höhere, himmlische Leben tot geboren auf die Welt. Sie kann keinen katholischen Atemholer tun im Gebet, und hat keinen Herzschlag übernatürlicher Liebe für die Ewigkeit. – Es muss also auch für deine Seele einen Geburtstag geben, wo sie als Gotteskind zu leben anfängt.
Geburtstag ist aber Tränentag. Denn es steht geschrieben: „In Schmerzen sollst du deine Kinder gebären.“ So ist also auch am Geburtstag deiner Seele geweint worden; weißt du auch von wem und wann?
Am Fest des kostbarsten Blutes unseres Herrn steht im Brevier ein schönes Wort vom hl. Chrysostomus: „Von der Seitenwunde Christi, sagt er, ist Blut und Wasser geronnen. Gehe nicht so schnell vorbei, du Hörer! Vor dem still verborgenen Geheimnis; ich habe eine tiefe, geheimnisvolle Rede davon. Ich sage, jenes Wasser und jenes Blut deute auf das Zeichen der Taufe und des Altarsakramentes. Denn aus ihnen ist durch die Wiedergeburt der Taufe, und durch die Erneuerung des hl. Geistes die Kirche gegründet worden; durch die Taufe sage ich, und durch das Altarsgeheimnis, welche aus der Seite des Herrn hervorgegangen. Aus seiner Seite also hat Christus seine Kirche erbaut, wie aus Adams Seite seine Gattin Eva hervor gegangen. Und das behauptet auch der hl. Paulus – indem er auf diese Seite hinweist und sagt: „Wir sind aus seinem Fleisch und Gebeine.“ –
Also, liebe Seele! Der Sterbetag des Herrn ist dein Geburtstag zum Leben gewesen; und damals hat sich im Herzen Jesu die Liebe zu dir und das bitterste Leid und Sterbensnot um dich vermählt; aber wo Lieb und Leid sich umfangen, ist die Träne ihr Kind. Die Tränen, welche das liebreichste Herz Jesu für dich geweint, sind das Blut gewesen, das aus seinem Herzen geflossen ist. Und die Kraft dieser Blutstränen ist im Taufwasser über dein Haupt geronnen, und hat mit göttlicher Gnadengewalt deine Seele wieder zum Leben geboren. – O was muss es Tiefes um das Elend einer Menschenseele in der Erbsünde sein, daß sie nach dem Ratschluss Gottes nur in den Schmerzen blutiger Herzenstränen des Gottmenschen kann zum Leben gebracht werden! –
Es ist daher nur billig, daß du, lieber Christ, denkest der Schmerzen und der Tränen, mit denen die Liebe Jesu dich geboren und nachsinnst, wie du ihm dieses Leid bezahlen wollest, um nicht undankbar zu sein! – Was willst du ihm vergelten? Geben wirst du ihm nicht viel können, was er brauchte. Aber die größte Freude, die du ihm machen, und der süßeste Dank, den du ihm bringen kannst, ist der, daß du bleibest, wozu er dich durch sein Herzblut gemacht hat, ein gutes, liebes, frommes Christkind; daß du ihm nicht wieder aus freien Stücken wegsterbest in Todsünde. Wenn es dir also, du liebe Seele, wieder zur Stunde der Versuchung kommt, deine Seele durch den Selbstmord der schweren Sünde um das Leben zu bringen, das dir Jesus in blutigen Tränen vom Vater erweint hat, – dann Seele! Denk an die Todesangst und den Blutschweiß Jesu im Ölgarten und bete innig, und bete stark:
Jesu! Drücke deine Schmerzen
Tief in alle Christenherzen!
Lasse deines Todes Pein
An mir nicht verloren sein.
Aber bleibe dabei nicht stehen; sei nicht zufrieden, bloß Christo nicht abzusterben; sondern du musst ihm zu Lieb und Dank auch suchen, immer mehr und mehr zu gedeihen und heran zu wachsen zum schönen, gnadenreichen Gotteskind, damit seine Schmerzen und Tränen, mit denen sein Herz dich neugeboren, ihre volle Frucht bringen können. –
Aus: P. Franz Ser. Hattler, SJ, Christkatholisches Hausbrod für Jedermann, der gut leben und fröhlich sterben will, Bd. I, IV. Teil, 1892, S. 69 – S. 71