Heiligenkalender
19. November
Die heilige Elisabeth von Thüringen
Im Jahre 1211 hielt die vierjährige Elisabeth, Prinzessin des Königs Andreas von Ungarn, ihren glänzenden Einzug in das Residenzschloss des Landgrafen von Thüringen und Hessen, die Wartburg bei Eisenach. Sie lag auf einem silbernen Bette, in Seide und Goldstickerei gehüllt, von vornehmen Rittern auf stolzen Rossen und dreizehn ungarischen Edelfräulein begleitet und reich ausgestattet mit Gold- und Silbergeschirren, Diamanten und Edelsteinen, kostbaren Stoffen und Geschmeide aller Art. Unter großen Festlichkeiten wurde dann diese Königstochter verlobt mit dem elfjährigen Ludwig, dem Erbprinzen des Landgrafen Hermann I.
Elisabeths Kindheit
Die kleine Elisabeth entfaltete sich mitten unter Dornen zur wundersamen Rose, wohl der schönsten, die je in deutschen Landen geblüht und geduftet hat. Mitten in den Vergnügungen des Hofes war sie ein Eingel an Unschuld, Sittsamkeit, heiliger Gottesliebe und zarter Milde gegen die Armen. Ost stahl sie sich in die Schlosskapelle und kniete zu langem, innigem Gebete auf den Boden vor dem Tabernakel; bei Spielen wußte sie sehr gewandt nieder zu knien und ein kurzes Gebetlein zu sprechen; sobald sie ihr Wohlgefallen daran bemerkte, hörte sie plötzlich auf, um ihre Abtötung Gott zu opfern. Wurde zur Unterhaltung getanzt, so sprach sie nach dem ersten Tanz lächelnd: „So, für die Welt ist einer genug, auf die übrigen verzichte ich zu Gunsten meines Jesu.“ Während des Lernens und Arbeitens verrichtete sie ihre Gebetlein, deren sie sehr viele auswendig wußte und wählte sich zu ihrem besonderen Schutzpatron den hl. Johannes, den Liebesjünger Jesu, und verehrte ihn lebenslänglich so innig, daß sie Niemanden eine Bitte abschlug, der sie im Namen dieses heiligen Apostels bat. Sie schenkte armen Kindern Geld, Ersparnisse an Brot und andern Speisen und ließ sie dafür „Vater unser“ und „Ave Maria“ beten; ihr Kleid vereinfachte sie in jeglicher Weise, soviel ihr gestattet wurde. Mit dem Tode des Landgrafen Hermann, der Elisabeth wegen ihrer Frömmigkeit innigst liebte, begann für sie, die erst neun Jahre zählte, eine Schule bitterer Leiden. Denn die stolze Gräfin Sophie und ihre ebenso schöne als hoffärtige Tochter Agnes, die bisher an der Demut, Einfalt und Gottinnigkeit der jungen Braut stets etwas zu tadeln hatten, aber wegen des Landgrafen sich zurückhalten mussten, spieen nun ihren Spott und ihre Galle frei wider sie aus und sagten ihr laut, sie eigne sich wohl zu einer einfältigen Dienstmagd oder zu einer frömmelnden Nonne, aber nicht zu einer deutschen Fürstin.
Ihre Frömmigkeit
Elisabeth duldete Alles schweigend, zog sich möglichst in die Einsamkeit zurück, suchte und fand Trost in der Liebe Gottes und in der Treue ihres Verlobten Ludwig, der an ihrer Frömmigkeit ein besonderes Wohlgefallen hatte und sie, soweit es ohne Beleidigung der Mutter geschehen konnte, liebevoll schützte und aufmunterte. Am Fest Mariä Himmelfahrt befahl Sophie, Agnes und Elisabeth sollten sie in den schönsten Feierkleidern und mit goldenen Kronen auf dem Haupte in die Kirche begleiten. Die Prinzessinnen gehorchten. Vor ihrem Betstuhl stand ein großes Bild des gekreuzigten Jesu. Sobald Elisabeth ihren sterbenden Erlöser erblickte, legte sie ihre goldene Krone auf den Betstuhl und kniete auf den Boden in rührender Demut. Sophie und Agnes warfen zürnende Blicke auf die Niedergebeugte und machten ihr, als man ins Schloß zurück gekehrt war, die bittersten Vorwürfe. Elisabeth entschuldigte sich: „Zürnen Sie mir doch nicht! Wir durfte ich vor dem Angesicht des barmherzigen und süßen Erlösers, der eine Krone von scharfen Dornen trug, stehen mit einer Krone von Gold und geschmückt mit Juwelen und Perlen, als ob ich Ihn verhöhnen wollte!“
Ludwig machte diesen Quälereien ein Ende, indem er 1220 sich mit der 13-jährigen Elisabeth in feierlichster Weise trauen ließ. Selten ist ein Brautpaar so unschuldig und fromm zum Altar hingetreten und hat in so glücklicher Ehe gelebt die dieses. Sie liebten sich gar inniglich in der Liebe Christi, nannten sich im traulichen Umgang, wie in den Tagen der Kindheit, nur Bruder und Schwester und ermunterten sich gegenseitig zu herzlichem Wohlwollen gegen die Mitmenschen.
Ihre Ehe und Armenfürsorge
Elisabeth durfte nun nach Herzenslust der Andacht und der Armenpflege obliegen. Beständig trug sie unter den fürstlichen Kleidern ein Bußgewand, stand in der Nacht zum Gebet auf, ließ sich jeden Freitag und während der ganzen Fasten täglich zur Verehrung der Leiden Jesu von einer vertrauten Magd geißeln und war bei jedem Gottesdienst dem Volk ein Muster der Demut und Geistessammlung. Im häuslichen Kreise war sie stets fröhlich, spann mit ihren Dienerinnen Wolle, bereitete Linnenzeug für den eigenen Bedarf und für die Armen und liebte ihren Gatten nach Gott über Alles, mit unbeschreiblicher Zärtlichkeit. Sie speiste immer an seinem Tisch und begleitete ihn auf seinen kleinen Reisen trotz Wind und Wetter. Musste er auf längere Zeit die Wartburg verlassen, so legte sie allen Schmuck ab und geringe Witwenkleider an, die sie bei seiner Heimkehr sogleich wieder mit zierlichem Anzug vertauschte, um ihm die Ehrerbietigkeit und Liebe zu bezeigen. Ihre Mildtätigkeit gegen Arme, Kranke und Bedrängte kannte keine Grenzen. Nicht nur gab sie reichlich allen Bittenden, sondern trug ihre Gaben selbst noch überall hin, in die schmutzigen Kammern und zu den ekelhaften Betten der Kranken bei Hitze und Kälte, bei Regen und Schneegestöber; sie schonte weder sich noch das Ihrige.
Einst hatte sie sogar alle ihre kostbarsten Kleider für die Armen weggegeben, als aus Ungarn vornehme Herren auf Besuch kamen und sie zum feierlichen Empfang vor ihnen erscheinen sollte. Der Gemahl war in peinlichster Verlegenheit; sie aber trat nach kurzem Gebet unbefangen in den Saal, und – die Herren konnten sich nicht satt sehen an der reizenden Schönheit, an dem Prachtgewand von himmelblauer Seide und dem Perlenschmuck der Tochter ihres Königs. O der zarten Aufmerksamkeit Gottes für die Seinen!
Die Hungersnot in Thüringen
Im Jahre 1225 – 26, als Ludwig mit Kaiser Friedrich II. in Italien war, seufzte Deutschland und vorzüglich Thüringen unter einer furchtbaren Hungersnot. Da öffnete die junge Landgräfin ihre Vorratskammern, verteilte alle Vorräte, verkaufte Höfe und Dörfer, ihre Kostbarkeiten und Kleinodien um Getreide, speiste täglich neunhundert Arme, baute am Fuße des Schlossberges ein großes Krankenhaus und ging alle Tage selbst hinab, die Kranken zu bedienen, ihre Wäsche zu reinigen, an Kindern und Greisen Barmherzigkeit zu üben. Unbegreiflich bleibt es, wie sie solche Summen aufbringen konnte, bis die Ernte 1226 die Klagen des Jammers in Tränen der Freude und des Dankes gegen Gott umwandelte. Als Ludwig heimkehrte, klagten die Kämmerer Elisabeth wegen der Verschwendung an, er aber lächelte: „Ei lasset meine Else gewähren, ich bin`s zufrieden, wenn sie mir nur die Wartburg nicht verschenkt.“
Damals gab es viele Aussätzige in Deutschland, deren Krankheit ebenso ekelhaft als ansteckend war. Gerade diese pflegte Elisabeth mit Vorliebe. Eines Tages schleppte sie einen solchen Verlassenen ins Schloß, reinigte ihn und legte ihn – aus Mangel an Platz – in das Bett ihres Gemahls. Inzwischen kam Ludwig heim und die Mutter klagte ihm zürnend: „Komm nur und schau, wie es deine Elisabeth treibt, was für einen Menschen sie Dir ins Bett gelegt.“ Aufgeregt eilte er ins Zimmer und fragte sie: „Frau, wer ist da in meinem Bett?“ „Jesus Christus selbst“, antwortete sie innig. Rasch riß er die Decke weg und – o Wunder des Glaubens! Statt des Aussätzigen sieht er den gekreuzigten Heiland! Sprachlos vor Staunen steht er da, weint, küßt Elisabeth und spricht. „Liebe Schwester, solche Gäste lege nur in mein Bett, ich bin`s herzlich zufrieden.!“ Bald darauf begegnete er ihr, als sie mit ihrer Dienerin den Berg hinab ging und Fleisch, Brot, Eier für ihre Armen unter dem Mantel trug. Neugierig fragte er: „Laß sehen, was du trägst?“ und zog ihr den Mantel weg; da sah er nur rote und weiße Rosen, die schönsten, die er je gesehen; und doch war die Zeit der Blumen längst vorüber. Über ihrem Haupte schwebend sah er ein leuchtendes Kruzifix, weshalb er an jener Stelle ein solches errichtete.
Elisabeth wird Witwe
Gott machte ihr Familienglück vollkommen, indem Er ihnen ein Söhnlein und drei Töchterlein schenkte, welche Elisabeth beim ersten Ausgang selbst barfuß zur Kirche trug, um sie Gott aufzuopfern und sich vorsegnen zu lassen. Aber bald wurde diese Sonne der Freude verhüllt von einer schwarzen Wolke entsetzlicher Schmerzen. Schon im Herbst 1227 musste Ludwig den Kaiser auf dem Kreuzzug nach Jerusalem begleiten und übertrug die Regierung seinem Bruder Heinrich. Elisabeth`s Abschied von ihm war ein Herz zerreißender, da sie ahnte, sie werde ihn in diesem Leben nicht wiedersehen. Ludwig erkrankte schon in Italien und starb eines schönen Todes zu Otranto. Die Kunde davon versetzte die liebende Gattin in namenlose Trauer; furchtbar war ihr Kampf mit Fleisch und Blut, bis die Kraft des heiligen Glaubens den Sieg verkündete: „Nun wird Der mich trösten, der aller Witwen und Waisen Vater ist!“ Und sie erhielt diesen Trost, dessen die junge Witwe gar sehr bedurfte. Denn Heinrich, ohnehin kein Freund der Frommen und von bösen Ratgebern aufgereizt, behandelte seine Schwägerin grausam und tat ihr alle Schmach an; ja, er jagte sie sogar mit ihren vier Kindern mitten im Winter aus der Wartburg und drohte Allen in Eisenach mit seiner Rache, wenn Jemand die Verstoßene ins Haus aufnehmen würde. Und, o Undank der Menschen! Wirklich, keine Türe öffnete sich der größten Wohltäterin, jetzt ärmsten Witwe mit ihren vier weinenden Waislein; erst in dunkler Nacht durfte sie im Schweinestall eines Wirtes auf stinkendem Stroh sich niederlassen. Aber um Mitternacht kam übersüßer Friede in ihre Seele, als sie das Glöcklein des nahen Klosters zur Mette läuten hörte. Sie eilte mit ihren Kleinen zur Kirche und bat die Mönche das Te Deum zu singen, um Gott feierlich zu danken für ihre Leiden. Sie fristete sich und den Ihrigen das Leben, indem sie ihren einzigen Schmuck, den Ehering verkaufte, vor den Türen bettelte und Wolle spann; ihre Kinder konnte sie heimlich bei guten Leuten unterbringen, sie selbst aber fand nur Platz im Stalle oder in der Kirche, wo ihr wiederholt Jesus und Maria tröstend erschienen.
Der Dominikaner Konrad von Marburg
Inzwischen hörten ihre Verwandten von ihrem Elend, und ihr Oheim Egbert, Bischof von Bamberg, holte sie ab auf sein Schloß Bodenstein. Da Elisabeth noch in reizender Schönheit blühte, wollte sie der bekümmerte Oheim durch eine zweite Ehe wider ihre Feinde schützen; sie aber wies diesen Vorschlag unbedingt ab und erklärte sich bereit, auf alle ihre zeitlichen Rechtsansprüche zu verzichten und in gänzlicher Armut zu leben. Im folgenden Jahre kehrten die thüringischen Ritter vom Kreuzzug heim und brachten die Gebeine ihres Herrn von Otranto mit; sie nahmen sich der verstoßenen Witwe und Kinder mutig an, zwangen den Heinrich, ihr Witwengut heraus zu geben, ein Leibgeding von 500 Mark Silber zu zahlen und ihren Sohn als Nachfolger in der Regierung anzuerkennen.
Elisabeth bezog mit ihren Kindern und Frauen ein schlichtes Haus von Holz in Marburg und fühlte sich selig im Gebete und in der Freiheit, die Mutter der Armen sein zu dürfen. Sie gründete ein großes Spital und arbeitete in demselben wie die geringste Magd. Die Leitung ihrer Seele hatte sie ganz anvertraut dem Dominikaner Konrad von Marburg, einem gelehrten und frommen, aber oft harten und herzlosen Priester, der mit unbeugsamer Strenge sie auf dem schmalen Wege gänzlicher Selbstverleugnung zur höchsten Stufe der Vereinigung mit Gott führte; und sie gehorchte ihm willenlos, ob auch ihr Herz darunter brach. Er gestaltete ihr, die weltlichen Kleider abzulegen und das graue Bußgewand vom Dritten Orden des hl. Franz von Assisi anzuziehen; er bemerkte, daß sie ihre Kinder mit ungewöhnlicher Zärtlichkeit liebte, und befahl ihr, sich von ihnen zu trennen; den Erbprinz musste sie auf das Schloß Kreuzberg, die Töchter ins Kloster zur Erziehung schicken; er verlangte, daß sie ihre ältesten und vertrautesten Leidensgefährtinnen, Isentrude und Guta, entlasse; er verbot ihr, den Armen auf einmal mehr als ein Silberstück zu geben, sie gab nur Eines, aber zwei- und dreimal; er untersagte ihr die Geldspenden und sie teilte nur Brot und Kleidung aus; er verbot ihr das Almosengeben ganz und sie gab sich selbst hin, pflegte die Kranken, reinigte die aussätzigen und küßte ihre Geschwüre; er überschüttete sie mit Vorwürfen, mißhandelte sie mit Schlägen ins Gesicht und sie ertrug Alles mit fröhlicher Geduld; er nahm ihr alle Mittel weg, den Armen Gutes zu tun und Gott gab ihr die Wunderkraft, den Leidenden zu helfen.
Unterdessen kam aus Ungarn ein Gesandter ihres Vaters, der von ihren Leiden und ihrem Elend gehört hatte, um sie heimzuholen. Als dieser Elisabeth in ihrem niedrigen Hause im grauen Bußkleide und beim Wollespinnen fand, weinte er überlaut und klagte: „Wie, die Prinzessin meines Königs spinnt Wolle in solcher Hütte! Welcher Ruchlose hat sie zu diesem Elende verurteilt?“ Höflichst grüßend antwortete die Gefragte: „Das hat mein Jesus getan; Er hat mich durch sein Wort und Beispiel gelehrt, den Glanz der Welt zu verachten und die Armut innigst zu lieben. Ich bin ganz glücklich. Sagen Sie meinem teuren Vater, daß ich ihm kindlichst danke für seine Güte und er ganz unbekümmert bleibe um mich; denn ich lebe hier tausendmal zufriedener, als in einem Königspalast. Nur Eine Bitte habe ich, daß er für mich bete, ich will es auch für ihn tun mein Leben lang.“
Bald darauf war das Opfer ihres noch so jungen Lebens vollendet; ein schwaches Fieber meldete ihr die Ankunft des Todes, den sie in Vereinigung mit Jesus, der göttlichen Wegzehrung, freudig erwartete. Als sie todesschwach schlummerte, hörten sie die Anwesenden lieblichst singen und ihre Seele schied hin wie die letzte Glut der untergehenden Sonne am 19. November 1231, 24 Jahre alt. Zahllose Wunder zieren ihr Grab. Schon 1235 erhob sie Papst Gregor IX. zur Ehre des Altars. Bei dieser Erhebung ihres heiligen, ganz unversehrten Leibes war eine nie gesehene Menschenmenge aller Stände aus Deutschland, Frankreich, Ungarn und Böhmen gegenwärtig; Kaiser Friedrich setzte ihr eine kostbare Krone auf`s Haupt; von den reichen Geschenken wurde in Marburg eine prachtvolle Kirche erbaut, die von unzähligen Pilgern besucht wurde, bis 1539 Philipp von Hessen, der in gerader Linie von der hl. Elisabeth abstammte, ihre heiligen Reliquien unter gemeinem Spott und hohn aus der Ruhestätte heraus riß. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 861 – S. 865