Heiligenkalender
14. Mai
Heiliger Michael Garicoïts, Gründer der „Herz-Jesu-Priester von Bétharram“
(15. April 1707 – 14. Mai 1863)
Heilig gesprochen am 6. Juli 1947
Ein Apostel aus dem Baskenland.
Die beiden Kanonisierten des 6. Juli 1947, Michael Garicoïts und Elisabeth Bichier des Ages, gehören zu jener Gruppe von Ordensstiftern, die sich Gott zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Frankreich erweckte. Die französische Revolution hatte ja dort um die Jahrhundertwende ein religiös-moralisches Trümmerfeld geschaffen. Die alten Klöster waren in Kasernen oder Museen verwandelt, die Ordensleute hatten sich zerstreuen müssen, soweit sie nicht ihr Leben lassen mussten. Es galt, der religiösen Unwissenheit und damit der Verwilderung weiter Massen des so lange seiner Priester beraubten Volkes ohne Verzug zu begegnen. Das taten die beiden genannten Heiligen, indem sie das Ideal des Evangeliums wiederum ohne Abstriche zu leben suchten und damit auch den Segen eines wirklich gelebten Christentums vermitteln konnten. – Beide waren sich im Leben schon nahe gestanden, obwohl sie aus verschiedenen Gegenden und aus ganz verschiedenen äußeren Verhältnissen kamen: der eine war armer Leute Kind in den Pyrenäen, die andere gehörte zu jenen adeligen Familien im Herzen Frankreichs, die zur Zeit der Revolution ins Exil gegangen waren.
Der Charakter des heiligen Michael Garicoïts.
Michael Garicoïts war – wie schon der uns seltsam klingende Name sagt – ein Baske, und in seinem Bild ist deutlich und verkennbar etwas von dem harten, den Bergen seiner Heimat ähnlichen Charakter ausgeprägt, den man diesem Volk nachsagt. Seine Wiege stand in dem kleinen Bergdorf Ibarre, in einem Häuschen, das in jener Zeit oftmals flüchtigen Priestern Zuflucht geboten hatte. Da auch in seinem Geburtsjahr 1797 die Priester, die den Eid auf die sogenannte Zivilkonstitution des Klerus verweigerten, immer noch der Verfolgung ausgesetzt waren, wurde Michael erst etwa sechs Monate nach seiner Geburt getauft. Die Überlieferung sagt, der Kleine habe in dem Augenblick, als er das Taufwasser über seine Stirne rinnen fühlte, mit einer plötzlichen Bewegung das Ritualbuch ergriffen und ein Blatt heraus gerissen; selbst wenn die Erzählung erfunden wäre, könnte man sie bezeichnend finden für das lebhafte und cholerische Temperament des Knaben.Er hat ja später oft scherzend erklärt: er habe das Zeug zu einem Briganten in sich, und er hat einem Mitbruder als Antwort auf dessen Klagen gesagt: „Wenn ich mich meinem baskischen Temperament überließe, dann wär` ich wahrlich ein fürchterlicher Mensch!“ – Er gestand aber auch mit Tränen in den Augen: „Ohne meine gute und fromme Mutter wäre ich ein Verbrecher geworden; sie hat mir von Kindheit an Abscheu gegen die Sünde eingeprägt, und sie sagte mir einmal mit großem Ernst vor dem Feuer im Herd: „Mein Kind, in ein viel schrecklicheres Feuer stürzt Gott die Kinder, die eine schwere Sünde begehen.“
Seine Berufswahl.
Schon aus äußeren Gründen hätte niemand ahnen können, daß der kleine Michael einmal Priester und Ordensstifter werden würde. Wohl hatte er von Kindheit an einen Zug zum Priestertum verspürt; er hatte aus dem Küchenschrank einen Altar gemacht und mit kindlichem Ernst die Zeremonien der heiligen Messe gespielt, wobei ihm sein kleinerer Bruder dienen musste, aber, gesund und kräftig, musste er schon sehr bald den armen Eltern helfen, den Lebensunterhalt für die fünf Kinder zu sichern. Zuerst musste er sich als Hütebub auf einem benachbarten Gut verdingen, dann half er den Eltern selbst bei der schwierigen Feldarbeit an den Berghängen. Wenn er gelegentlich von seinem Wunsch, zu studieren und Priester zu werden, sprach, konnte er von seinen besorgten Eltern immer die Antwort hören: „Wir sind zu arm, um dich studieren zu lassen; wir können dir nicht einmal eine Aussteuer geben“; – worauf Michael zu entgegnen pflegte: „Der liebe Gott wird helfen.“ – Doch die Zeit verging: Michael zählte schon vierzehn Jahre und musste wie ein Erwachsener bei der Feldarbeit mittun, wobei die betagte Großmutter vielfach Gesellschaft leistete. Eines Tages kam das Gespräch wieder auf die Zukunft des ältesten Sohnes, und die Großmutter trat für dessen geheimen Wunsch ein. – „Wie sollen wir die Kosten aufbringen?“ entgegnete abermals der Vater. Aber das erklärte die Großmutter: „Nun, dafür laß mich sorgen!“ Und zu Michael gewandt, fragte sie: „Was würdest du tun, wenn man dich studieren hieße?“ – „Morgen früh schon würde ich gehen, um anzufangen.“
Da machte sich am folgenden Tag nach S. Palais, um beim dortigen Pfarrer Don Borda vorzusprechen, den sie während der Revolution oft beherbergt und in jeder Weise unterstützt hatte, daß er im geheimen die heilige Messe lesen konnte. So war der Ausgang der Unterredung nicht zweifelhaft: Michael sollte als Diener ins Pfarrhaus kommen und gleichzeitig studieren können. Darauf kam er unter den gleichen Bedingungen zu einem Kanoniker in die Bischofsstadt Bayonne. Er erzählte später selbst mit köstlicher Einfachheit, wie er nur mit Selbstüberwindung und Dienstfertigkeit sich durchdringen konnte: „Überall“, so sagte er, „fand ich zunächst nur Widerstand und sauere Gesichter. Im Pfarrhaus von S. Palais hatte ich, der ich so langsam und schwerfällig im Studium war, außerdem die Arbeit von zwei Dienern zu leisten. Ich machte mich mit gutem Willen daran und studierte nachts. Bei Tag besorgte ich das Pferd des Hausherrn und half in der Küche. Im bischöflichen Palais musste ich oft die schlechte Laune der Köchin ertragen, und ich rächte mich, indem ich mich heiter daran machte, das Geschirr zu putzen; schließlich ließ die Köchin sic dann herbei, meine Taschentücher zu waschen und meine Wäsche zu flicken.“ –
So hat der Heilige durch Energie und Fleiß sich nicht bloß die nötigen Kenntnisse erworben, sondern auch, was noch mehr bedeutet, derart an der Beherrschung seines Charakters und an der Vervollkommnung seiner sittlichen, ihm mit der Taufe gegebenen Anlagen gearbeitet, daß man ihn nach seinem Eintritt ins große Seminar von Dax bald „unseren Luigi Gonzaga“ nannte und daß ein Mitschüler von ihm später erklärte: „Michael Garicoïts hatte von Natur aus einen heftigen Charakter, aber dank seiner energischen und beharrlichen Bemühungen hatte er sich eine Gelassenheit und Herzlichkeit angeeignet, die ihm alle Herzen gewann. Bekannt war sein Eifer für die Ehre Gottes und den geistlichen Fortschritt seiner Mitschüler. Gerne scharte er uns, besonders in den Abenderholungen, um sich und entzündete alle, die sich ihm nahten.“
Priester und Ordensgründer.
Im Jahre 1824 wurde der 27jährige Neupriester als Kaplan zu dem gelähmten Pfarrer in Cambo geschickt. Durch seine Aufmerksamkeiten gegenüber diesem sicherte er sich dessen Wohlwollen, und durch sein priesterliches Wirken im Beichtstuhl war er bald in der Umgegend als guter Prediger und Seelsorger bekannt. Nach zwei Jahren berief ihn aber der Bischof in da Seminar von Bétharram, wo er zunächst Philosophie, dann auch die heilige Schrift und Theologie lehrte und zugleich Verwalter und später auch Vorsteher des ganzen Hauses wurde. In dieser Stellung blieb er auch, als die Seminaristen alle in das Seminar von Bayonne übersiedelten. So war er nun ganz für die Seelsorge frei und stand jeden Sonntag den Gläubigen in der Kirche von Bétharram zur Verfügung, um dann, oft erst gegen 11 Uhr, den vier Kilometer weiten Weg nach Igon zu Fuß zu machen. Dort warteten die von der heiligen Bichier des Ages gegründeten „Schwestern vom Kreuz“ noch nüchtern auf seine Ankunft, um die heilige Kommunion zu empfangen. Nachdem er auch dort den Gottesdienst gehalten hatte, kehrte er wieder nach Bétharram zurück, ohne von den Schwestern die geringste Mahlzeit anzunehmen, obwohl in Bétharram nur einmal in der Woche eine ältere Person ins ehemalige Seminar kam, um eine magere Suppe vorzubereiten, die dann mehrere Tage reichen musste. Doch gerade in diesen Entbehrungen reifte in ihm der Gedanke: Könnte und sollte man nicht die Schönheit, Erhabenheit und Fruchtbarkeit der vollen Selbsthinopferung durch die evangelischen Räte – wie er dies an den „Schwestern vom Kreuz“ zu bewundern Gelegenheit hatte – auch mit einer Gruppe von Männern und Priestern durchführen, um dem Volk wieder jene soliden christlichen Tugenden vorzuleben und zu zeigen, durch die sie eine Kraftquelle für die Tage des Glückes, der Not und des Unglücks finden könnten? Und wäre das nicht um so mehr nötig, als auch der Klerus – wie Bischöfe mit Tränen in den Augen klagten – sich angesteckt zeigte vom Geist der Revolution, der auch in den Guten weiter lebte, nämlich als der Geist, der das eigene Denken und Wollen an Stelle der Ordnung Gottes setzen möchte?
Sollte man nicht demgegenüber eine Gemeinschaft von Priestern sammeln, die kein anderes Ziel hätten als jenes Herz Jesu, des ewigen Hohenpriesters und des Dieners des himmlischen Vaters selbst: vollständige Selbstverleugnung und unbedingter Gehorsam, vollkommene Einfachheit und unbedingte Treue? – Die heilige Mutter Elisabeth Bichier, die von Garicoïts um ihre Meinung befragt wurde, ermunterte ihn dazu; desgleichen der Jesuitenpater Leblanc und Bischof Monsignore d`Astros. Im Gebet vor einem Bild der Gottesmutter empfing er Heilige dann solches Licht und so starken inneren Antrieb, daß er sich zur Ausführung des Planes entschloss. Damit war im Jahre 1832 der Anfang der Kongregation der „Priester des Herzens Jesu von Bétharram“ gegeben.
Der Name des Ordens war nicht ohne Grund gegeben.
Der Name wurde nicht ohne Grund gegeben. Sagte doch der zweite Nachfolger des Heiligen, der Diener Gottes Pater Etchécopar: „Es war ergreifend, den Pater Garicoïts zu hören, wenn er vom Herzen Jesu sprach und die Schönheit des Namens hervor hob… Sein Ziel war, Menschen zu bilden und zu sammeln, die ganz erfaßt wären von der Liebe zum Herzen Jesu, durchdrungen von Seinen Gesinnungen und ganz Seinen Interessen hingegeben. In Vereinigung mit dem Herzen Seiner erhabenen Mutter sollten sie zu ihrer Losung machen den Schrei seines liebenden Gehorsams vom Augenblick seiner Menschwerdung im Schoß der makellosen Jungfrau bis zur Stunde seines Hinscheidens an den Armen des Kreuzes: ‚Siehe, ich komme, um Deinen Willen zu tun, o Gott, gehorsam bis zum Tode, ja bis zum Kreuzestod‘!“ –
Die Mitglieder der Genossenschaft sollten also gleichsam an die Stelle ihres eigenen Herzens das Herz Jesu setzen, um damit zu leben, zu lieben und zu handeln; ihr Inneres und Äußeres sollte das Innere und Äußere Jesu Christi sein; und sie sollten auch jederzeit von der Gesinnung getragen sein: „O mein Gott, nimm mich hin mit deinem göttlichen Sohn, ohne Verzug und ohne Vorbehalt, ohne Zurücknahme und aus Liebe zum heiligsten Willen meines Gottes!“
Im Jahre 1841 erhielten die ersten acht Mitglieder durch den Diözesanbischof von Bayonne, Monsignore Lacroix, im wesentlichen die Regeln des heiligen Ignatius, der Gesellschaft Jesu, und legten die heiligen Gelübde ab. Es war aber ein großes Leid für den Gründer, daß der Bischof ihm verwehrte, die Bestätigung des Heiligen Stuhles einzuholen, weil er die Gesellschaft nur vom Diözesanbischof abhängig wissen wollte. [Erst zwölf Jahre nach dem Tode des Gründers änderte sich auch dies.] 21 Jahre leitete Garicoïts noch die Gesellschaft, mehr durch das Beispiel seiner Heiligkeit als durch Worte oder Schriften, durch seine „klassische Heiligkeit“, wie man sie genannt hat, ohne jede Besonderheit, einzig durch die volle Verwirklichung des Geistes des Evangeliums. –
aus: Ferdinand Baumann SJ, Pius XII. erhob sie auf die Altäre, S. 46 – S. 50