Heiliger Papst Pius X. ein loderndes Feuer

Jesus Christus mit seinen Heiligen, die ihm Verehrung zollen und ihn anbeten

Heiligenkalender

3. September

Der heilige Papst Pius X. (Josef Sarto) – Loderndes Feuer

2. Juni 1835 – 20. August 1914

Selig gesprochen am 3. Juni 1951, heilig gesprochen m 29. Mai 1954

Ein Porträt von Papst Pius X.; er ist in weißer päpstlicher Kleidung zu sehen, er trägt ein schönes Kreuz und schaut ernst, aber fest entschlossen

In der langen Reihe der Heilig- und Seligsprechungen unter dem Pontifikat von Pius XII. waren unleugbare Höhepunkte die beiden Feiern zu Ehren des Papstes Pius X. und der Märtyrerin Maria Goretti. Dies kam schon darin zum Ausdruck, daß sie auf dem weiten Platz vor dem Petersdom stattfanden, weil die Basilika selbst zu klein war für den erwarteten und tatsächlichen Andrang der Gläubigen.

Der Grund für die besondere Verehrung und Volkstümlichkeit des heiligen Pius X., die sich immer noch an „seinem“ Altar in St. Peter zeigt, liegt nicht nur und nicht in erster Linie in seinem hohen Amt und nicht einmal in den besonderen Verdiensten seiner Regierung – daß er zum Beispiel schon die Kleinen zum Tisch des Herrn rief. Der tiefste Grund seiner fortdauernden Volkstümlichkeit und großen Verehrung liegt wohl in seiner Heiligkeit, bei der in seltener Weise höchste Würde vereint ist mit schlichtester Einfachheit und Demut, unerschöpfliche Güte mit unbeugsamer Festigkeit, humorvolle Heiterkeit mit heiligem Ernst, brennender Eifer mit ungebrochener Leidenskraft. So war er wirklich ein „ignis ardens“, ein loderndes Feuer, dessen milder und gütiger Schien immerfort weiter leuchten wird.

Im folgenden wollen wir deshalb in gewissem Sinne absehen von der amtlichen Tätigkeit des Papstes und wollen vor allem das Bild des Menschen und Heiligen uns in Erinnerung rufen.

Teil 1

Josef Sarto als Kaplan in Tombolo

Die ersten neun Jahre seines Priesterlebens arbeitete Don Giuseppe, wie er nunmehr genannt wurde, mit jugendlicher Kraft als Kaplan der Landpfarrei Tombolo. Tagsüber war er unterwegs, wohin immer die Pflichten seines Amtes und das Wohl der Seelen ihn riefen oder es nahe legten, denn der Pfarrer von Tombolo selbst war kränklich und von 1863 an fast ganz zur Untätigkeit verurteilt; abends hielt der Kaplan noch eine Choralstunde und dann noch Unterricht für jene Erwachsene, die nicht lesen und schreiben konnten – und das war die Mehrzahl de Bewohner. Nachts studierte und betete er noch lange; vier Stunden Schlaf genügten ihm, wie er selbst sagte. Die besorgte Haushälterin des Pfarrers, die auch den Kaplan betreute, klagte noch nach Jahren: „Don Guiseppe war mager wie ein Stecken, denn er aß nur, was notwendig war, um nicht Hungers zu sterben, und er ruhte nie.“

Der Pfarrherr, Don Antonio Costantini, hatte neben anderen Vorzügen auch die ebenso seltene wie schöne Eigenschaft, daß er neidlos und wohlwollend sich über die Erfolge seines Kaplans freute…

Don Constantin sorgte schließlich dafür, daß sein Kaplan auch in der bischöflichen Kurie bekannt und geschätzt wurde; er ließ ihn nämlich durch einen Freund, der Theologie-Professor in Treviso war, für die Predigt zu Ehren des heiligen Antonius in der dortigen Kathedrale vorschlagen. Die Predigt, die mehr als eine Stunde dauerte und doch niemandem zu lang vorkam, erreichte voll und ganz den Zweck, den Pfarrer Costantini dabei im Auge gehabt hatte: der junge Kaplan von Tombolo der seine Studien in Padua gemacht hatte und deshalb bei der Kurie in Trevino kaum bekannt war, wurde zehn Monate später zum Pfarrer und „Erzpriester“ von Salzano, einer der bedeutendsten Pfarreien der Diözese, ernannt. Er war damals 32 Jahre alt und sollte auch in Salzano (in der Provinz Venezia), wie vorher in Tombolo, neun Jahre lang im wahrsten Sinne des Wortes „arbeiten“ (von 1867 bis 1875). In seinen Augen – so wurde er geschildert – leuchtete der Mut eines Kämpfers, sein fester und entschiedener Gang sowie sein gerades und offenes Wort verrieten die Klarheit und Tatkraft Eier hochherzigen Seele, seine Beredsamkeit, seine Gesten und seine klingende Stimme ließen die Güte seines Herzens ahnen.

Josef Sarto als Pfarrer in Salzano

Am Sonntag, den 14. Juli 1867, schloss der neue Pfarrer von Salzano seine erste Predigt mit dem Gebet: „O Gott, wie groß ist meine Verantwortung, da ich Rechenschaft geben muss für all diese Seelen, die meiner sorge anvertraut sind! Schenk mir, o Herr, deine Hilfe und einen Beistand!“ Die Leute von Salzano begriffen sofort, wieviel sie mit dem neuen Pfarrer gewonnen hatten…

Wie weit er auch hier in seine Güte ging, davon hätte vor allem seine Schwester Rosa, die ihm den Haushalt führte, so manches erzählen können. „Don Giuseppe“, sagte sie eines Tages, „das gekochte Fleisch ist nicht mehr in der Pfanne!“ – „Ich habe es soeben einer armen Kranken gegeben“, gestand er. – „Und was sollen wir essen? Ich habe nichts mehr im Hause.“ „Hast du nicht wenigstens noch zwei Eier?“ – „Nicht einmal; ich hab nur noch ein Ei und einen Apfel.“ – „Welch ein Glück!“ rief da der Heilige aus, „das Ei ist für dich; mir genügt der Apfel und ein wenig Brot.“ Der Pfarrer von Salzano diente aber Christus nicht bloß in den Armen, sondern mit nicht weniger Eifer diente er auch Christus am Altar. Er verbesserte und verschönerte die Pfarrkirche; er stellte einen Chor von Knaben und jungen Männern zusammen und unterrichtete ihn im gregorianischen Gesang; diesen liebte er deshalb vor allem, weil er ins einem innersten Wesen Gebet ist und wenigstens Gebet sein soll. Die Leute, die wußten, in welch äußerster Armut ihr Pfarrer lebte, fragten sich verwundert, woher er denn das Geld zur Verwirklichung so mancher Pläne nehme. Don Giuseppe erwiderte mit der ruhigen Heiterkeit seines Glaubens immer wieder nur dies: Gottes Vorsehung sorgt. Besonders im Jahre 1873, als in Salzano die Cholera herrschte, opferte sich Don Giuseppe ohne jegliche Schonung so für seine Herde, daß er selbst, wie seine Schwester mit Recht sagte, nur mehr „Haut und Knochen“ war. Seine beiden Kapläne wollte er nicht in Gefahr der Ansteckung aussetzen; darum stand er selbst en Kranken und Sterbenden bei, machte sich selbst zum Arzt und Krankenwärter, half die Toten begraben und wurde allen alles. Seine starke Natur, die ganz am Ende ihrer Kraft zu sein schien, erholte sich aber doch wieder verhältnismäßig rasch.

Josef Sarto als Spiritual in Treviso

Im Jahre 1875 rief der Bischof Minelli von Trevino den Pfarrer Giuseppe Sarto und teilte ihm mit, er brauche ihn als Spiritual für das Seminar und als Sekretär für die bischöfliche Kurie; er habe ihn deshalb auch zum Domherr oder Kanonikus der Kathedrale ernannt. Don Giuseppe war zunächst sprachlos und brachte nur die Bitte hervor: „Exzellenz, lassen Sie mich doch bei meinen Bauern von Salzano.!“ Der Bischof aber hörte weder auf die Bitten noch auf die Einwendungen der Demut des Erwählten. Wie sehr musste wohl dessen Demut und Bescheidenheit den erfreuen, der einst mit unermesslichem Wohlgefallen und in Ganden „herab geschaut hat auf seine niedrige Magd“ (Luk. 1, 48).

… Die geistliche Leitung, die Prälat Sarto den Seminaristen und den Schülern des angeschlossenen Kollegs erteilte, war so wie er selbst war: einfach und gerade, zielklar und kraftvoll, praktisch und sicher. Er machte nicht viel Worte und hatte keine Zeit zu verlieren; schon deshalb nicht, weil er auch die Geschäfte und Arbeiten der bischöflichen Kanzlei zu versehen hatte und weil er es auch mit dieser Pflicht sehr genau nahm. Bischof Minelli bezeugte von ihm: „Nie habe ich einen Kanzler gekannt, der so fleißig und pünktlich gewesen wäre wie Monsignore Sarto, so geschickt und klug im Verhandeln mit den verschiedenen Menschenklassen und in der Lösung auch sehr verwickelter Fälle.“ Nicht anders dachten von ihm die Bischöfe Callegari (der, im Jahre 1883 nach Padua versetzt, später von Papst Pius X. zum Kardinal erhoben wurde) und Giuseppe Apollonio.

Gott allein aber weiß, wie vielen armen Seminaristen Monsignore Sarto auch in ihren materiellen Nöten beistand und in wie vielen traurigen Situationen der bischöfliche Kanzler mitfühlend geholfen hat. Freilich ging solche Arbeitsleistung auch in Trevino wiederum nur auf Kosten der Nachtruhe. Sein Zimmernachbar, Professor Zanotto, der ihn oft noch arbeiten sah, wenn die anderen längst schliefen, schalt ihn zuweilen: „Gehen Sie schlafen, Monsignore… Wer zu viel arbeitet, richtet nicht weniger aus.“ Prälat Sarto aber erwiderte liebenswürdig schalkhaft: „Du hast recht, Don Francesco. Darum geh zu Bett und schlaf gut!“ Er selbst aber fuhr fort, zu arbeiten. Und doch war er in aller Morgenfrühe wieder zur Stelle, frisch und heiter. So muss er wohl nicht bloß eine außergewöhnliche Arbeitskraft, sondern auch eine besondere Gnade Gottes gehabt haben; denn sonst wäre diese Lebensweise unmöglich gewesen.Seine liebenswürdige Heiterkeit aber war nicht nur eine glückliche Naturanlage, sondern auch die Frucht seiner Selbstbeherrschung und seines inneren Gleichgewichts, sowie eines klaren und sicheren Urteils über Menschen und Dinge.

So ist nicht zu verwundern, daß namentlich in den Reihen des Klerus der Name Sarto vielfach unter den Bischofs-Kandidaten genannt wurde. Dies um so mehr, als er nach dem Tode des Bischofs Zinelli (1879) von den Kanonikern einmütig zum Kaplanvikar gewählt wurde und einige Monate lang die Diözese mit ihren 210 Pfarreien und 350000 Seelen zu leiten hatte. Wie sehr Prälat Sarto in seiner Bescheidenheit und Demut unter jenem Gerede litt, das zeigen (noch unveröffentlichte) Briefe an einen seiner Neffen, den Priester Giacomo Sarto: „Was die Reden betrifft, die über mich im Umlauf sind, so sei überzeugt, daß es bloßes Geschwätz ist, das keine Grundlage hat und das meinem Herzen sehr weh tut… Ich versichere Dich: wenn ich auch gleichmütig zu bleiben mich bemühe und heiter lache, so oft mich jemand darüber fragt, so leide ich trotzdem darunter und zwar sehr.“

Im September des Jahres 1884 kehrte Bischof Apollonio unerwartet von einer Visitationsreise zurück und bat den Kanzler, mit ihm in die bischöfliche Hauskapelle zu kommen. „Knien wir nieder, lieber Monsignore“, sagte der Bischof dort, „und beten wir in einer Sache, die uns beide betrifft!“ Nach einer Weile erhob er sich und überreichte seinem Begleiter einen Brief aus Rom. So erfuhr Monsignore Sarto seine Ernennung zum Bischof von Mantua. Diese Ernennung verwunderte niemanden – außer den Ernannten selbst. Dieser, der ins einem harten Leben so manche unübersteigbar scheinende Schwierigkeit überwunden hatte, verbarg bei der Nachricht von einer Ernennung sein Gesicht in den Händen und weinte wie ein Kind. Er beteuerte in einem Schreiben nach Rom, daß die hohe Würde, zu der man ihn rief, nicht für ihn sein könne, denn er sei unfähig und unwürdig. Nachdem aber von Rom die Antwort gekommen war, er solle folgen, konnte kein Zweifel am Willen Gottes mehr bestehen.

Bischof in Mantua

So wurde er am 16. November 1884 in Rom durch den Kardinalvikar Parochie, einen geborenen Mantovaner, zum Bischof von Mantua geweiht. Papst Leo XIII. überreichte ihm am Abend des gleichen Tages in einer Audienz ein Brustkreuz mit den Worten: „Wenn die Mantuaner ihrem neuen Oberhirten keine Liebe schenken, so werden sie niemanden lieben können; denn Monsignore Sarto ist der liebenswürdigste der Bischöfe.“

Das Programm des neuen Bischofs finden wir ausgesprochen in einem Brief, den er am 18. März 1885 an den Klerus und das Volk von Mantua richtete. Darin sagt er:

„Für die Seelen werde ich weder Sorgen noch Nachtwachen noch Mühen scheuen. Meine Hoffnung beruht auf Christus, meine Kraft liegt in ihm. Ich weiß, daß ich für das Heil der Seelen werde Beschwerden aushalten müssen, daß ich Gefahren begegnen, Beleidigungen erdulden, Stürme und Kämpfe Gegend as Böse werde bestehen müssen; mein Volk wird mich aber immer entschlossen auf meinem Posten und immer gütig und voll Liebe finden.“

Selten ist ein herrliches Programm so vollkommen erfüllt worden, wie dies des Bischofs von Mantua (1885 bis 1894). Es stand damals nicht gut um die Diözese, denn wie in ganz Italien, so hatte auch dort in Jahren, die der Einnahme Roms (1870) folgten, der Einfluss der Freimaurerei zugenommen. Bischof Sarto suchte zuerst die Zahl der Priester wieder zu mehren und vor allem ihren priesterlichen Geist zu fördern durch die Erneuerung des Seminars. Dann durchzog er die Pfarreien der Diözese, wie es eben ein Heiliger tut: bescheidener und einfacher als der letzte Dorfkaplan, unermüdlich im Predigen, Beichthören, Firmen, voll Güte und doch voll heiliger Entschiedenheit. Nur zwei Dinge schien er zu erkennen: das volle und ganze Opfer seiner selbst und die allumfassende, langmütige und hochherzige Liebe. Dann hielt er im Jahre 1887 eine Diözesansynode ab, nachdem seit mehr als hundert Jahren keine mehr stattgefunden hatte; dabei besprach er mit seinen Priestern alle wichtigen und zeitgemäßen Fragen des christlichen Glaubens und Lebens, der Liturgie und des Kirchenrechtes und er spornte durch sein Wort und Beispiel den Eifer aller an; „“denn“, so sagte er, „nichts ist unmöglich für jene, die wollen und die lieben. Der größte Teil alles Unglücks und alles Bösen kommt aber vom Mangel an Kenntnis Gottes und seiner Wahrheit.“ Der Bischof von Mantua suchte dann auch den Glaubensgeist zu beleben und zu vertiefen durch große religiöse Feierlichkeiten, wie gelegentlich des dreihundertsten Todestag des heiligen Aloysius, der aus dem Geschlecht der Gonzaga von Mantua stammte, im Jahre 1891, oder gelegentlich des Priesterjubiläums von Papst Leo XIII. im Jahre 1887. Sein Wort war immer und überall gern gehört, denn es kam aus der Wärme eines lebendigen Glaubens und aus der Glut eines unersättlichen Verlangens nach dem Heil und der Heiligung der Seelen.

Einer der schlimmsten Antiklerikalen wurde überrascht, wie er einen Bettelbrief an den Bischof von Mantua schrieb, nachdem er kurz zuvor sich besonders in der kirchenfeindlichen Hetze hervorgetan hatte. Auf die Ungehörigkeit seines Vorgehens aufmerksam gemacht, erwiderte er: „Ich weißes, aber Monsignore Sarto hat ein so gutes und edles Herz, daß ich seiner Verzeihung und seiner Hilfe sicher bin.“ Der Bischof willfahrte tatsächlich der Bitte und schrieb im Begleitbrief: „Diesmal ist das Almosen reichlicher, weil er sich mehr als die anderen abgemüht hat iNs schreien gegen mich und weil er darum mehr als die anderen Stärkung braucht, um wieder zu Kräften zu kommen.“

Immer der gleiche ins einem einfachen und doch würdevollen Gehaben blieb Giuseppe Sarto, auch nachdem er am 12. Juni 1893 zum Kardinal und dann zum Patriarchen von Venedig ernannt worden war. Sein Vorgänger, Kardinal Agostini, war schon am 31. Dezember 1891 gestorben, und Monsignore Sarto lehnte zunächst die ihm abgetragenen Würde ab. Als man ihn dann im Jahre 1893 durch Kardinal Rampolla wissen ließ, daß eine neuerliche Ablehnung dem Papst Leo XIII. Sehr missfallen würde, blieb dem Sohn des Postboten von Riese nichts anderes übrig, als sich dem Willen des Papstes und damit dem Willen Gottes zu beugen. Da die damalige kirchenfeindliche Regierung aber eine nicht von ihr vorgenommene Ernennung nicht anerkennen wollte, konnte der neue Patriarch von Venedig erst Ende 1894 ins eine Residenz einziehen, nachdem die Regierung schließlich doch der Entrüstung des Volkes hatte nachgeben müssen. Bis dahin blieb Kardinal Sarto in Mantua. Auf Drängen seines Sekretärs – Don Bressan, der erst am 2. Juli 1950 als Kanoniker von St. Peter starb, erfüllte der Kardinal einen Wunsch seiner schon achtzigjährigen Mutter und machte ihr am 14. Oktober 1893 ins einem Kardinalspurpur einen Besuch im Heimathaus von Riese. Es war das letzte Wiedersehen mit seiner Mutter hier auf Erden, denn bald darauf starb Frau Margareta Sarto.

Patriarch in Venedig

Beim Einzug des Kardinals in Venedig, am 24. November 1894, fehlten zwar die Vertreter der Regierung, und das Rathaus zeigte keinen Schmuck, aber das Volk schien diese feindselige Haltung durch eine bis dahin nie gesehenen Huldigung seinerseits gutmachen zu wollen. Am folgenden Tag, nach dem Pontifikalamt in San Marco in Venedig, erklärte Kardinal Sarto: „Ich müsste mich schämen, Gegenstand solcher Ehrung zu sein, wenn ich nicht wüßte, daß sie nicht meiner Person gilt, sondern Jesus Christus, dessen Vertreter ich bin und in dessen Namen ich zu euch komme… In diesem Augenblick schließe ich euch alle in mein Herz. Ich liebe euch mit einer starken und übernatürlichen Liebe, die einzig nach dem Heil eurer Seelen verlangt… Und ich verlange von euch nichts anderes als die gleiche Liebe von eurer Seite.“ Seine größte Liebe schien auch in Venedig den Armen und Notleidenden zu gehören, wie er sich auch selbst gern den ‚armen Kardinal vom Lande‘ nannte. Wie sehr er sich jede fremde Not zu herzen nahm, zeigt folgendes Geständnis, das er einmal bei Tisch im Gespräch mit einem Gast, dem Kanonikus Milanese von Treviso, machte: „Heut bringe ich die Bissen nicht hinunter, denn eine sehr angesehene Familie hier hätte Hunger gelitten, wenn ich ihr nicht das Notwendigste geschickt hätte. Und wie viele befinden sich in solch äußerster Armut!“ –

Obwohl er aber in seiner demütigen Einfachheit nie ein Hehl machte aus seiner bescheidenen Abstammung und auch mit den einfachsten Personen leutselig verkehrte, wußte er auch die Würde und Autorität eines heiligen Lorenzo Giustiniani, eines seiner Vorgänger auf dem Patriarchenstuhl von Venedig, zu wahren und sagte ohne Schwäche und ohne Vorbehalt die Wahrheit nicht bloß seinem Klerus und Volk, sondern auch den Regierungen und den Ministerien de Staates, den politischen Parteien und den Männern der Presse. Schon bald nach seinem Amtsantritt in Venedig gab er für die bevorstehenden Wahlen und deren Vorbereitung die Losung aus: „Arbeitet, betet, geht zur Wahl!“ Er selbst arbeitete unermüdlich unter der Losung: Entweder gelingt es mir (eine christliche Stadtverwaltung ans Ruder zu bringen), oder ich gehe weg von Venedig! In drei Tagen und drei Nächten schrieb er beispielsweise mehr als zweihundert eigenhändige Briefe an Ordensgemeinden, um dem Wahlfeldzug auch die Hilfe des Gebetes zu sichern. Und die Wahlen wurden ein voller Erfolg für die christliche Sache, so daß die freimaurerische Zeitung „Tribuna“ in Rom gestehen musste: „Der Patriarch Sarto ist ein erstklassiger Politiker, denn er hat es wunderbar verstanden, die klerikale Partei zu organisieren und damit die Herrschaft Rathaus und im öffentlichen Leben der Stadt Venedig zu erringen.“
… –
aus: Ferdinand Baumann SJ, Pius XII. erhob sie auf die Altäre, S. 135 – S. 145

Teil 2: Das Konklave im Jahr 1903 und die Wahl Pius X.

Teil 3: Papst Pius X. Des Opfers Vollendung

siehe auch die Beiträge:

Wie tief demütig Kardinal Sarto war

Die Heiligkeit des Papstes Pius X.

Pius X. Seine Wahl zum Papst im Jahr 1903

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