Der erste Sonntag nach Ostern: Weißer Sonntag
auch „Quasi modo geniti“ genannt
Mit diesem Sonntag beginnt die entferntere Nachfeier von Ostern. Dieselbe dauert bis zum Fest Christi Himmelfahrt. Wir erinnern uns in dieser Zeit an jene vierzig Tage, die Christus nach seiner Auferstehung auf Erden zubrachte, um die Apostel noch mehr zu unterrichten und im Glauben zu befestigen. Sie ist eine freudig bewegte Zeit. So folgen nach vierzig Tagen der Buße und Abtötung vierzig Tage der Freude, nach vierzig Tagen stiller Betrachtung des Leidens Jesu, vierzig Tage des Triumphes und des Alleluja-Rufes.
Wir sollen in dieser Nachfeier von Ostern Gott danken und Ihn preisen für unsere Auferstehung aus dem Sündenschlaf und durch vertrauten Umgang mit Jesus in dem neu gewonnenen Leben erstarken. Auf das Wachstum im geistlichen Leben deutet die Kirche in ihren Gebräuchen und Gebeten während dieser Zeit hin. An jedem der sechs Sonntage zeigt sie den Gläubigen eine höhere Stufe im geistlichen Leben, zu der sie empor steigen sollen, um würdig zu werden, am Pfingsttag die Gaben des heiligen Geistes zu empfangen.
Der erste Sonntag nach Ostern nun wird „weißer Sonntag“ genannt, weil ehedem die Neugetauften die am Karsamstag bei der Taufe als Sinnbild der Unschuld empfangenen weißen Kleider ablegten und ein aus weißem Wachs bereitetes, vom Papst geweihtes Agnus Dei umhingen, das sie an die erhaltene Unschuld und an die Sanftmut Jesu, des Lammes Gottes, immerdar erinnern sollte. Dieser Sonntag wird auch „Quasi modo“ genannt, weil der Eingang zur heiligen Messe mit Rücksicht auf die Erstkommunikanten mit diesen Worten: „Quasi modo geniti“ (Neugeborene) beginnt: „Als neugeborene Kinder, Alleluja! Seid begierig nach der geistigen, unverfälschten Milch (der lauteren Lehre), um durch sie zur Seligkeit aufzuwachsen. Alleluja, Alleluja!“ (1. Petr. 2,2) „Frohlocket Gott, unserm Helfer; frohlocket dem Gott Jakobs.“ (Ps. 80.2) Ehre sei dem Vater etc.
Gebet der Kirche.
Wir bitten Dich, allmächtiger Gott! Gib, daß, wie wir die Osterfeier begangen haben, so auch der Sinn und Geist des Festes durch deine Gnade in unsern Sitten und unserm Leben stets sichtbar bleibe; durch Jesum Christum, deinen Sohn, unsern Herrn. Amen.
Lesung aus dem ersten Brief des hl. Apostels Johannes. Kap. 5, V. 4-10
s. 1. Joh. 5, 4-10
Was lehrt uns der hl. Apostel Johannes in diesem Abschnitt seines Briefes?
Er lehrt uns zwei wichtige Dinge: 1) Daß Jesus Christus der wahre Sohn Gottes sei; 2) daß wir durch den Glauben an die Gottheit Jesu die Welt überwinden.
Wie beweist der hl. Johannes, daß Jesus Christus wahrer Gott sei?
Er beweist es 1) aus dem dreifachen Zeugnis auf Erden, dem Wasser bei der Taufe im Jordan (Joh. 1,33), dem Blut beim Tode am Kreuz (Hebr. 9,22), und dem Geist in den wunderbaren Wirkungen in den Gläubigen (Apg. 1); 2) aus dem dreifachen Zeugnis vom Himmel: Des Vaters, der Ihn seinen Sohn nennt (Matth. 3,17); des Sohnes selbst durch seine Lehre, sein Leben und seine Wunder; des heiligen Geistes, der in Gestalt einer Taube über Ihn herabstieg (Luk. 3,22); 3) aus dem Zeugnis in eines jeden Brust, wie Jesus sagt: „Wer meine Lehre tut, wird erfahren, ob Ich aus Gott sei.“
Was heißt das: durch den Glauben an Jesus Christus können wir die Welt überwinden?
Das heißt: 1) Der Glaube an Jesus lehrt uns Gott über alles lieben, die Welt mit ihrer Lust verachten. 2) Dieser Glaube zeigt uns im Blut Jesu Christi die unversiegbare Quelle der Gnade, durch welche gestärkt, wir Christi Lehre befolgen und so die Welt in und um uns besiegen.
Übung.
Durch öftere Betrachtung des verborgenen und öffentlichen Lebens Jesu, durch vieles Gebet, durch treue Übung im christlichen Leben suche dich immer mehr im Glauben an die wahre Gottheit Jesu zu befestigen; es ist dies in unseren Tagen besonders notwendig. Bete oft:
O Jesus! Ich glaube an Dich, als den Sohn des lebendigen Gottes. Gib, daß ich durch diesen Glauben wider das Fleisch, die Welt und den Teufel und jeden Reiz zum Bösen siegreich kämpfe und das ewige Leben erwerbe. Amen.
Evangelium nach dem hl. Johannes. Kap. 20, V. 19-31
Siehe Joh. 20, 19-31
Warum wünscht Christus den Jüngern dreimal den Frieden?
1) Um anzudeuten, daß Er durch seinen Tod und seine Auferstehung den Frieden zwischen Gott und den Menschen hergestellt habe; daß man am Frieden die Seinigen erkennen werde (Joh. 123,35); wie notwendig also zur Seligkeit die Bewahrung dieses Friedens sei; 2) um uns dadurch zu bewegen, daß wir immerdar erhalten den Frieden mit Gott, indem wir jede Sünde sorgfältig meiden; mit dem Nächsten durch wahre Liebe, die niemand wissentlich kränkt, Kränkungen und Unrecht gerne verzeiht; mit uns selbst durch Unterwerfung unseres Willens unter den Willen Gottes.
Was bedeuten die Worte: „Wie Mich der Vater gesendet etc.?“
Daß Er seinen Jüngern die Gewalt erteile, die der Vater Ihm gegeben, also die Gewalt Sünden zu vergeben, die Kirche zu regieren etc., und zwar nicht nur ihnen, sondern auch ihren rechtmäßigen Nachfolgern bis ans Ende der Zeiten, da Ihn der Vater als Erlöser aller Menschen aller Zeiten gesendet hat.
Was tat Christus mit den Worten: „Welchen ihr die Sünden nachlasset etc.“?
Er hat damit das heilige Bußsakrament eingesetzt, wie es in der katholischen Kirche besteht. Er hat durch diese Worte das Bekenntnis der einzelnen Sünden angeordnet, indem Er die Apostel und ihre Nachfolger zu Richtern über die Sünder einsetzte.
Warum hat Er die Jünger dabei angehaucht?
Um anzudeuten, daß, wie einst Adam durch den Hauch Gottes das leibliche Leben erhielt, von nun an den durch die Sünde toten Adamskindern das geistliche Leben, die heiligmachende Gnade im Sakrament der Buße durch den heiligen Geist von den Aposteln und ihren Nachfolgern solle mitgeteilt werden.
Warum ließ Gott zu, daß Thomas die den andern Jüngern zuteil gewordene Erscheinung nicht glaubte?
Damit wir dadurch im Glauben gestärkt würden; denn indem Christus dem Thomas seine Zweifel durch eine neue Erscheinung benommen hat, ist uns, wie der hl. Gregor sagt, die Auferstehung Christi desto gewisser und glaubwürdiger geworden. Überdies leuchtet aus dieser Geschichte Gottes Güte besonders hervor, der sich um einen Thomas so viel bemüht hat, wie um alle übrigen Apostel. – Darum sagt der hl. Augustinus (Lib. V. Conf. c. 1, n.2): „Gott bemüht sich um einen Menschen so viel, wie um alle; und um alle so viel, wie um einen.“ Wer sollte einen so gütigen Gott nicht lieben?
Welche Bedeutung haben die Worte des hl. Thomas: „Mein Herr und mein Gott“?
Der Ausdruck „Herr und Gott“ ist im alten Testament die ausschließliche und bestimmteste Bezeichnung für den wahren Gott. Thomas konnte nicht bestimmter, kürzer, feuriger und hingebender seinen Glauben an die Gottheit seines Meisters an den Tag legen.
Sprich auch du diese Worte des hl. Thomas recht oft in wahrer Herzens-Andacht aus. Rufe oft:
„Mein Herr und mein Gott“ ich glaube an Dich.“ „Mein Herr und mein Gott! Ich hoffe auf Dich.“ „Mein Herr und mein Gott! Ich liebe Dich über alles.“ „Mein Herr und mein Gott! Verzeihe mir meine Sünden, sie reuen mich von Herzen.“ „Mein Herr und mein Gott! Du bist mein, und ich bin Dein; lieber sterben als sündigen!“
Was bedeuten die Worte: „Weil du Mich gesehen etc.“?
Sie sind ein leiser Tadel gegen Thomas, weil dieser nur durch die Wahrnehmung der Sinne zum Glauben und Bekenntnis der Gottheit Jesu bewogen wurde. Wir sollen auf das Wort Christi hin glauben. Nur dieser Glaube ist verdienstlich. –
in: Leonhard Goffine, Ord. Praem.; Unterrichts- und Erbauungsbuch oder Katholische Handpostille, 1885, S. 265 – S. 269