Die Freimaurer sind nicht die Fürsten dieser Welt
Wir haben bei dieser Veranlassung soeben die Freimaurerei berührt. (siehe den Beitrag: Teuflische Geheimbünde ab dem Mittelalter) Das ist ein gefährlicher Gegenstand. Nicht von ihm reden ist leichter, als die Wahrheit darüber sagen und das Maß nicht überschreiten. Manche wissen nicht genug über die geheimen Sekten zu klagen. Alles Unheil stammt, wenn man sie hört, einzig aus dieser Quelle. Das ist sehr bequem, und man kann dabei selber ruhig die Hände in den Schoß legen und sich mit dem Gedanken trösten, es helfe ja doch nichts gegen diese unermessliche Macht. Auf der andern Seite sind wieder genug deren, die sich für mindestens eine Elle höher halten denn das gewöhnliche Volk, wenn sie vornehm lächelnd den Mund verziehen, sobald auf diesen Gegenstand die Rede kommt. Das sind jene Vogel Strauß, die in der ganzen Freimaurerei nichts anderes sehen als ein Kränzchen für gut Essen und Trinken und für das Anhören von langweiligen Reden über wohlfeile Humanität, Tugend und Wohltätigkeit. Die Wahrheit wird wohl, wie immer, in der Mitte liegen. Die Freimaurer sind nicht die Fürsten dieser Welt – diese Würde gibt Satan nicht aus der Hand -, aber sie sind eine Macht, womit der rechnen muss, dem es darum zu tun ist, die Welt und die Zeit zu verstehen. Nicht alles Böse stammt von ihnen. Sie hätten nicht den Einfluss, den sie besitzen, wenn nicht so viel Böses in der Welt wäre. Aber es hätte auch das Böse nicht so gewaltige Kraft, wenn es nicht an ihnen eine so weitreichende und geschickt geordnete Unterstützung fände.
Über die eigentlichen Zwecke der Freimaurerei sind die Ansichten ebenso verschieden als über ihren Einfluss. Tausende von Freimaurern versichern, daß sie das unschuldigste Volk der Welt seine, daß sie von den ungerechten Vorwürfen einer fanatischen und beschränkten Menge zu Tod gehetzt würden gerade wie der Wolf von dem bösen Lamm. Wir sind weit entfernt davon, diese alle für Heuchler und Lügner auszugeben. Zwar kann auch der Unwissendste unter ihnen nie guten Glaubens sein. Denn wenn alles lautere Engelstugend ist, wozu diese Eide der Geheimhaltung? Etwa einzig aus Demut über ihre Tugenden? Indes, die meisten wissen wirklich nichts, als was sie sehen und hören, und das ist unaussprechlich leerer, langweiliger, Menschen unwürdiger Schnickschnack und Flitter für die Kinderstube. Würde man sie auf die Folter spannen, es ginge gerade wie bei der Mehrzahl der Templer, die im Übermaß des Schmerzes alles gestanden, was man von ihnen verlangte, und die nachher mit dem Schwur starben, daß kein Wort von all den Dingen wahr sei, die man ihnen nicht mitgeteilt hatte, und die gleichwohl nur zu richtig waren.
So sind auch in der Freimaurerei die schlimmsten Zwecke unbestreitbar vorhanden, aber begreiflicher Weise nicht so nachweisbar, daß die, welche um sie wissen, nicht immer sagen könnten, die Mitteilungen darüber seiner erfunden. Uns kümmert hier ohnehin nur ein einziger Punkt, die Frage, ob in den geheimen oder den eingeweihten Kreisen wirklich ein Kult Satans getrieben werde oder nicht. Es gibt deren, die das auf das entschiedenste behaupten. Der Gott der Freimaurerei, der große Weltenbaumeister, sei kein anderer als Satan. Adonai, der Gott der Heiligen Schrift, sei ihrer Erklärung zufolge dasselbe, was Ahriman bei den Persern, was Typhon bei den Ägyptern, der Gott des Bösen, derselbe, welcher die Menschenopfer des Moloch erfunden habe. Luzifer dagegen sei, wie Ormuzd und Osiris, der wahre Gott des Guten, der Vertreiber der Finsternis. Sein Sinnbild sei das Dreieck, die Sonne, die Schlange, dieses wohltätige, verehrungswürdige Wesen. Von ihm komme alles Glück. Er verfüge über die im Schoß der Erde ruhenden Schätze und Kräfte. Im verdankten wir die süße Sünde, ihm alles Licht. Er, der immer Verfolgte und nie Besiegte, müsse noch durch seine Anhänger völlig befreit werden. Ihm gebühre das oberste Reich, das ihm aber erst erkämpft werden müsse. Denn noch immer verfolge ihn Adonai mit seinen Dienern. gegen diese müsse sich deshalb der Krieg richten, und zwar mit allen Mitteln. Um das auszudrücken, zuckt der eigentlich Eingeweihte, der Ritter Kadosch, beim Festmahl den Dolch gegen Himmel und schwört ihm Rache. Um Gott zu verhöhnen, führen die Rosenkreuzer eine lästerliche Nachäffung des Abendmahles, die Schwestern eine abscheuliche Travestie des Psalms Miserere und des Veni Creator Spiritus auf. Kurz, es bestände, wenn das alles so richtig wäre, für die Eingeweihten ein so ausgebildeter Teufelskult, daß es uns nicht wundern darf, wenn zuletzt auch die alte Behauptung der Gnostiker wieder auftaucht, daß Kain, Cham, die Erbauer des Turmes in Babylon die wahren Vertreter und Befreier der Menschheit seien, ja wenn sogar die Hölle selbst in der sogenannten „höllischen Kammer“ vorgeführt wird.
Wir werden uns hüten, uns für die Richtigkeit dieser und ähnlicher Mitteilungen zu erhitzen. Wir überlassen den Nachweis dafür denen, welche sie vorgebracht haben. Aber wir stellen hier zwei Fragen. Wie sind die Schriftsteller, welche diese Aufschlüsse geben, darauf gekommen, den modernen Geheimsekten genau, oft bis aufs Wort und bis auf den letzten Zug genau, dieselben Behauptungen und dieselbe Handlungsweise zuzuschreiben, welche die Geschichte von den Geheimsekten des Altertums und des Mittelalters erzählt, da sie doch von den Berichten der Alten über die Taten ihrer Zeitgenossen nicht einmal eine Ahnung hatten? Und dann, was weit wichtiger ist: welcher Kenner der modernen Literatur findet in den soeben angegebenen Dingen etwas, was er nicht oftmals und auffallend wörtlich in den allgemein zugänglichen Schriftwerken anträfe?
Würden wir beim Lesen etwas planmäßiger verfahren, so würde sich uns mit der Zeit die Vermutung unwiderstehlich nahe legen, daß zwischen den Gedanken, die uns unaufhörlich in gleicher Weise begegnen, ein gewisser Zusammenhang bestehen müsse. Oder meinen wir denn wirklich, daß die sogenannten modernen Ideen so zufällig und so blindlings in der Welt umher schwimmen wie die Atome der Epikureer in dem leeren Weltall, bis sie endlich aneinander hängen bleiben, dort in der Form eines Fixsternes und hier in der eines Krokodils? Oder sollte es nicht klüger sein, anzunehmen, daß, wenn irgend welche Gedanken immer in der gleichen Richtung daher schwärmen wie die Sternschnuppen in der Laurenzinacht, dies von einer gemeinsamen Ursache kommen müsse?
Wenn dem aber so ist, dann dürfen wir wohl glauben, daß hinter der offenen oder verblümten Teufelsverehrung, von der die neuere Literatur Zeugnis genug ablegt, eine Ursache stecken mag, welche mit den Erscheinungen, die wir soeben betrachtet haben, in einem gewissen Zusammenhang steht. Wir sagen nicht mehr. In solchen Dingen ist es immer besser, zu wenig als zu viel zu sagen. Sprechen doch die Tatsachen, der blinde Hass gegen die Wahrheit, die Vergötterung von Lüge und Laster so, daß sie eines Zusatzes nicht mehr bedürfen.
Die Bestreitung der Wahrheit, der Kampf gegen alles, was das Christentum lehrt und befiehlt, wird von der neueren Kultur so ernst betrieben, daß man einsehen muss, sie würde nicht anstehen, Gott selber den Krieg zu erklären, ihn vom Thron zu stoßen und Satan darauf zu erheben, wenn sich heraus stellte, daß auf einem andern Weg den einmal landläufig gewordenen Grundsätzen des sog. Modernen Geistes der Sieg nicht verschafft werden kann.
Wirklich haben sich zwei Reiche gebildet, zwischen denen kaum noch Waffenstillstand, geschweige denn Friede möglich ist. Und diese Kluft vergrößert sich alle Tage so, daß zu fürchten ist, es werde schließlich keine Brücke mehr über sie hinüber führen. Niemand kann das klarer aussprechen, als es Goethe getan hat. Die Geschichte des guten Jesus hab` ich nun satt, schreibt er an die Stein. Nun flicht Hans Kaspar – er meint seinen ehemaligen Freund Lavater – seinem Christus auch so einen Kittel zusammen und knüpft aller Menschen Geburt und Grab und Heil und Seligkeit daran: da wird`s abgeschmackt, dünkt mich, und unerträglich. Verzeih! Aber so oft er seine Anfälle auf unser Reich erneuert, so müssen wir uns wenigstens protestando verwahren. (Baumgartner, Goethe I, 519) Wir haben die Worte schon früher zum Teil angeführt, mussten hier aber auf sie zurück kommen, da nicht leicht eine Stelle beizubringen ist, in welcher so klar der Gedanke ausgesprochen ist, daß es sich in der modernen Kultur wirklich um Errichtung eines widergöttlichen und Christus feindlichen Reiches handelt. (siehe auch den Beitrag: Was deutsche Klassiker über Religion sagen)
Also so weit sind wir – und Goethe kann das wissen -, daß die Welt eine bloße Erinnerung an Christus und den Glauben an den einen, wahren, lebendigen Gott schon als Angriff auf ihr Reich betrachtet. Demgemäß steht das Reich der Welt unter dem Einfluss von Anschauungen, unter der Gewalt von Gesetzen, unter einer Herrschaft, die sich mit der Herrschaft Gottes schlechterdings nicht mehr verträgt.
Das ist nicht zu viel gesagt. Man braucht nur die Wirklichkeit zu betrachten. –
aus: Albert M. Weiß, Apologetik, Bd. II Humanität und Humanismus, 1908, S. 581- S. 586
siehe dazu auch die Beitragsreihe: E. Cahill SJ, Freimaurerei und anti-christliche Bewegung