Die freudlose Philosophie Kants

Der Philosoph Kant und seine Armut an Freude

Der Stolz der selbstherrlichen Philosophie

Es ist das weltgeschichtliche Verhängnis der Philosophie, daß sie die Rätsel der Welt auf Grund ihrer Eigengesetzlichkeit und ohne Zuhilfenahme der Bindung an überirdischen Gedanken und Kräfte lösen wollte. Das Ergebnis ist das Chaos der Philosophie. Sie muss eine Vermählung mit der Theologie eingehen. Sonst bleibt sie Chaos. Gegen diese Forderung sträubt sich der Stolz der selbstherrlichen Philosophie. Die philosophischen Lehren strahlen auch in die Gedankengänge des Volkes aus. Es ist daher für ein Volk, für einen Staat keineswegs gleichgültig, von welchen Ideen seine Weltanschauung seine Religion beeinflußt wird. Der glückhafte Zustand eines Volkes war und ist in der ganzen Weltgeschichte davon abhängig, wie die Denker, die Weisen, die Gottesgelehrten, die Frage nach dem Sinn und Zweck des Lebens beantworten. Die Menschheit schreit und ringt nach Glück, nach einem erträglichen, fröhlichen Dasein. Dieses Verlangen bringt jeder Mensch auf die Erde mit und er begräbt es erst mit seinem letzten Atemzug. Wie verhält sich die Philosophie zu diesem Verlangen?

„Eine im wahren Sinn des Wortes namenlose Traurigkeit war in der griechischen Welt… Eine Angst ging durch diese Welt und auch eine Hoffnungslosigkeit.“ So beurteilt Max Picard (Die Grenzen der Physiognomik, S. 186) den Lebensernst des griechischen Altertums. Griechenland hatte größte Philosophen, aber eine Düsterkeit und Tragik des Daseins von erschütterten Ausmaßen. Eine entsetzliche Nüchternheit folgte auch den Philosophen der führenden Männer zur Zeit der großen Kulturwende des 16. Jahrhunderts, wo der Individualismus, der Calvinismus, der Puritanismus, der Pietismus zu einer kaum glaublichen Auslöschung einer freudigen Daseins-Auffassung führte. Der französischen Revolution am Ende des 18. Jahrhunderts gingen die Lehren eines Voltaire, Rousseau u.a. voraus und am Ende dieser französischen Philosophie stand die Guillotine. Das Anschwellen der sozialen, politischen und nationalen Umsturzbewegungen wurde überall durch gottesleugnerische philosophische System und Ideen eingeleitet. Der Nationalsozialismus Adolf Hitlers und der Faschismus Mussolinis sind unmittelbar aus der philosophischen Gedankenwelt Nietzsches heraus geboren. Der Bolschewismus endlich bekennt sich grundsätzlich zur materialistischen Philosophie eines Karl Marx.

Die Philosophen leugnen das Glück

Wenn die Philosophie eine Aufgabe hat, so kann sie nicht um ihrer selbst willen da sein. Die Welt ist voller Rätsel und der denkende Mensch braucht Lösungen. Und zwar Lösungen, die der Sehnsucht nach Glück, Harmonie und Seligkeit, nach einem erfüllenden Sinn des Daseins gerecht zu werden. Für dieses Verlangen aber hat die Philosophie nur ein mitleidiges Lächeln übrig. „Mit herben, abweisenden Worten sprechen die Denker zumeist vom Glück, vom Trachten der Menschen nach Glück“, erklärt Ernst Horneffer. Max Scheler (Moralia 1923, S. 104) macht der Geistesgeschichte geradezu den Vorwurf des „Verrats der Freude“. Der Verrat der Freude, sagt er, „beginnt mit Kant, der dem flachen Glücksstreben des Zeitalters der Aufklärung sein herbes hartes „Du sollst“ entgegen gestellt hat. Der Philosoph Fichte lehnt das Glück mit der Begründung ab: „Wer Glückseligkeit erwartet… ist ein Tor; es gibt keine Glückseligkeit, es ist keine Glückseligkeit möglich; die Erwartung derselben und ein Gott, den man ihr zufolge annimmt, sind Hirngespinste. Das Glück und die Fröhlichkeit, die ja schließlich doch ein Verlangen der Seele und auch der Kultur sind, sind für viele Philosophen und auch für viele Kulturhistoriker ein Nichts, ein leerer Wahn. „Das Glück aber und mit ihm das Verlangen nach Fröhlichkeit“, sagt der Philosoph Wilhelm Wundt, ist „ein Faktor, der sich aus dem menschlichen Leben nie ausscheiden läßt.“ Was aber wissen die Philosophen auf diesen ewigen Seligkeitsdrang und den Wissensdurst in der Brust eines jeden Menschen zu antworten? Was für einen Ersatz bieten sie für dieses ewige Bedürfnis der Menschheit?

Der Philosoph Kant und seine Armut an Freude

In großer Verworrenheit hallen uns ihre Antworten entgegen: verzweiflungsvoller Pessimismus, trostlose Verneinung, verstiegener Idealismus, flacher Materialismus, trockene Schulweisheit, nur selten eine klare Stimme der Erkenntnis und fördernder Weisheit. Immer wieder spukt der Hochmut der Selbsterlösung durch die Wirrnis der Systeme, Thesen und und selbst entdeckten Lehren. Und selbst Kants Gedankenwelt steht ihr nicht fern. Wenn er die Auffassung vertritt, daß „die wahrnehmbare Welt im Raum und in der Zeit erst vom menschlichen Bewusstsein geformt“ wird, dann bedeutet das die Alleinherrschaft des Menschengeistes, den Grundsatz der menschlichen Selbsterlösung. Kant stellt den Geist und den Willen in den Vordergrund und entwertet die menschliche Seele. „Diese wird bei Kant“, so urteilt Werner Deubel (Deutsche Rundschau, Bd. 35, S. 99), „in den Abgrund der Verworfenheit verstoßen.“ Alle lebensmächtigen Eigenschaften, die dieser Seele entquellen, wie Adel, Schönheit, Heldentum, Feuer, Tiefe, Fülle werden als ‚gemeine Natur‘ wie ein Bettel beiseite geschoben. Einzig der Wille wird für gut erklärt und über allen Menschen ohne Unterschied wird das eine öde Geistesgesetz des sogenannten kategorischen Imperativs aufgerichtet. Voller Entsetzen erkannte Schiller, daß die Kantsche Morallehre – wie er sich ausdrückte – nur für die Knechte sorgte und keinen vornehmen und großartigen Menschen hervor bringen könne.“

Kant hat auch den wirklichen, lebendigen Gott ausgeschaltet. „Gott“, so heißt es in dem Nachlasswerk, „ist nicht etwa eine Substanz außer mir.“ Gott kann „nur in uns gesucht werden.“ Gottesdienst, Gebet wird von Kant entwertet. Das Gebet nennt er verächtlich „Gunstbuhlerei“. Die Philosophie Kants ist auf den Menschen bezogen. Es gilt ihm als Bestimmung des Menschen, aus eigener Kraft „über die mechanische Anordnung seines tierischen Daseins“ hinaus zu gehen. Die Vernunft und der Wille sind die Dinge, das Leben zu gestalten. Als die französische Revolution ausbrach, jubelte Kant über die Begründung „des goldenen Zeitalters der Vernunftherrschaft“, während Goethe wußte, daß dieser Ausbruch das Ende der lebendigen Kulturen bedeutete und das „schrecklichste aller Ereignisse“ sei.

Kant ist der Vollender der Aufklärung. Er ist der „tiefste, ja, der metaphysische Begründer des Liberalismus“ (Joel). Recht und Staat versteht er wesentlich nur als Sicherungen der Freiheit. Es gibt nach Kant keine Pflichten gegen Gott, so wenig wie gegen die Tiere, sondern Pflichten nur gegen Menschen. Der Mensch müsse sittlich sein, nicht um eines göttlichen Gebotes willen, sondern aus Pflicht gegen sich und die Menschheit, die sonst ohne das harte „Du sollst“ der Pflicht aus den Fugen gehen würde. Er kennt die Pflichterfüllung nur aus Erwägungen der reinen Vernunft heraus, nur um ihrer selbst willen, nicht um eines göttlichen Gebotes willen. Wer z. B. seinem Freund nur aus Neigung, aus Mitleid aus der Not hilft und nicht um des Sittengesetzes willen, der begehe keine wahrhaft sittliche Handlung. Diese Pflichten-Religion ist ein schwerer Schlag für das Fröhlichkeits-Bewusstsein des Menschen. Der Christ erfüllt seine Pflicht im Glauben an die göttlichen Gesetze der Liebe zu Gott und zu dem Nächsten. Das gibt dem Pflichtbewusstsein einen viel edleren und auch zuverlässigeren Antrieb. Wo das Leben nur aus Pflicht besteht, da ist für die Liebe kein Platz mehr. Da fehlt die Verankerung unseres Tuns und Handelns in den göttlichen Geboten, die in die Beziehungen der Menschen zueinander Wärme, Beschwingtheit des Gefühls, Freundlichkeit, Frohsinn, Liebe hinein tragen und das Leben in den tausendfältigsten Formen verschönern und abwechslungsreich gestalten. Kants Abstammung aus dem puritanischen Schottland wird an dieser Grundhaltung offenbar.

„Lassen sie mich mit Ihrer Kantschen ‚Pflicht‘. Das ist das kälteste aller kalten Ungeheuer, ein gräuliches Götzenbild“, urteilt Pater Lippert. Diese Nurpflichten-Religion muss in ihrer grenzenlosen Nüchternheit zu einer Langeweile des inneren Menschen führen und sie reihte auch Kant in die Schar der Schwarzseher des Lebens ein, wenn er dem Wert des Lebens mit den Worten Ausdruck verlieh: „Man muss sich nur schlecht auf die Schätzung des Lebens verstehen, wenn man wünschen kann, daß es länger dauere, als es wirklich dauert, denn das wäre doch die Verlängerung eines mit lauter Mühseligkeiten beständig ringenden Spieles.“ Das ist eine trostlose Auffassung vom Sinn und Zweck des Lebens als Geständnis eines der größten Denker des deutschen Volkes, dessen sogenannten kategorischen Imperativ man sogar zum Mittelpunkt für die geistige Einheit des deutschen Volkes glaubte machen zu sollen. –
aus: Hans Rost, „Die katholische Kirche, die Führerin der Menschheit“, o.J., S. 129 – S. 131

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